Jesuiten 2019-4

es irritiert. Die Patres Alois Schuh und Friedhelm Mennekes u.a. haben im 20. Jahrhundert den Impuls der Aktualität je neu aufgegriffen. Sie haben die Kirche für Gegenwartskultur geöffnet und bewusst der Moderne ausgesetzt. Die Kunst-Station Sankt Peter Köln bietet mit einer Geste des Willkommens voraussetzungslos und gastfrei abstrakter Kunst und experimenteller Neuer Musik den Kirchenraum an. Eine Begründung für dieses ausdrücklich zeitgenössische Profil findet man in der Bibel. Dreh- und Angelpunkt biblischer Verkündigung ist die Präsenz eines Gottes, der sich immer als der Gegenwärtige erweist (Exodus 3,14). Im Sinn ignatianischer Spiritualität sucht Sankt Peter nicht Trost in gestrigen Milieus, sondern möchte mit der künstlerischen und seelsorglichen Arbeit die Gegenwart des Heiles im Jetzt spürbar machen: „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt“ (Lukas 4,21). Wenn die Dynamik der Verheutigung des 2. Vaticanums ernst genommen wird, ist sie provozierend und unberechenbar. Sie stellt in Frage und ruft heraus, auch aus frommen Gewohnheiten. Dieser Herausforderung, dass sich Gottes Zusage nur im Heute erfüllt, stellt sich diese besondere Kirchengemeinde im Kölner Erzbistum. Anders als Kulturkirchen sucht die Kunst-Station nicht die Begegnung von Kunst und Kirche: Es geht um mehr. In respektvoller Achtung und in gegenseitiger Freiheit setzt sich der überlieferte Glauben zeitgenössischer säkularer und auch nachchristlicher Kultur aus. Wehrlos stehen sich Kunst und Glaubenspraxis auf Augenhöhe gegenüber. Sie teilen den gleichen Raum. Die ehrliche Konfrontation von Religion und Ästhetik ist angezielt, nicht ein allzu oft von rückwärtsgewandter Sehnsucht angetriebener Dialog zwischen Kunst und Kirche. Denn das Thema „christliche Kunst“ ist und bleibt in der Moderne „abgehakt“. Künstlerisches Schaffen und Praxis des Glaubens berühren auf je eigene Weise das gleiche unnennbare Geheimnis des je Größeren und Offenen, der Transzendenz, des Göttlichen ... Die kompromisslose Zeitgenossenschaft verleiht der Liturgie und dem Gemeindeleben an Sankt Peter eine besondere Katholizität im Sinne von offener Weite. Die Spannung im Jetzt macht die Gottesdienste nüchtern, vielleicht auch ehrlicher? Moderne Kunst und Musik erklingen in einem seit Jahrhunderten durchbeteten Raum und atmen eine Spiritualität, die sie innerlich kennen und die ihnen gleichzeitig fremd ist. In diesem Miteinander lässt sich der stille Klang der Gegenwart erlau- 31 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE Weihnachten in der Kunststation St. Peter. © St. Peter Köln

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