Jesuiten 2019-4

theo:poesie 2019/4 ISSN 1613-3889 Jesuiten

©time photocase.com Fliegende Späne, drehende Töpferscheiben, quietschende Politurarbeiten und fauchende Flammen, die Gold zum Schmelzen bringen. Poesie? Scheint da ganz weit weg zu sein – und wird doch im Kern getroffen. Im Griechischen bezeichnet das Wort poiesis – Herkunft für unseren Begriff der Poesie – schöpferisches Tätigsein. Tun, Machen, Hervorbringen, Fertigen. Handwerkliches Schaffen und dichterisches Wirken sind Geschwister. Beide fordern Meisterschaft. Beide ziehen in den Bann. Beide lassen uns staunen. Stefan Weigand Ausgabe Dezember/2019 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Was kann Poesie? 4 Der Resonanz Rum geben 8 Poetische Dogmatik 8 Gott am Rockzipfel zerren 10 Fragmente meines Betens 12 Jesaja, der Wörter-Maler 14 Mystische Poesie 16 Poetische Theologie in Äthiopien 18 Ein Knoten der Wirklichkeit 20 Love, God, Murder 21 Der Ewigkeit einen Alltag geben Geistlicher Impuls 22 Staunen Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 28 Verstorbene Medien/Buch 29 Bernhard Heindl SJ: Kleines Gebetskino 29 Eberhard von Gemmingen SJ: Die Rosenkranzgeheimnisse Vorgestellt 30 Kunststation St. Peter in Köln 33 Die besondere Bitte 34 Autoren dieser Ausgabe 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, in der Advents- und Weihnachtszeit stehen Gedichte hoch im Kurs. Neben den Düften von Kerzen und Gebäck sind es wohl die Worte der Weihnachtsgedichte und -lieder, die uns in weihnachtliche Stimmung versetzen können. Passend dazu ist auch diese Ausgabe der Poesie gewidmet. In der Poesie ist Sprache mehr als nur beschreibend. Poesie eröffnet einen anderen Blick auf die Wirklichkeit, zeigt einen anderen Blickwinkel. Poetische Texte sprechen die Gefühle an, sie lassen Erinnerungen wach werden und Träume heranreifen. Poesie hat aber auch eine tiefe spirituelle Dimension. Aus der jüdisch-christlichen Tradition kommen mir zuerst die Psalmen in den Sinn. Aber auch in nachbiblischer Zeit ist es Männern und Frauen immer wieder gelungen, mithilfe der Poesie zu beten und mit Gott in Berührung zu kommen. Friedrich Spee SJ (1591-1635) ist uns mit seinen Texten aus dem „Gotteslob“ vertraut. Ein weiteres Beispiel aus den Reihen der Jesuiten ist Alfred Delp SJ (1907-1945), der in den Weihnachtstagen vor 75 Jahren in der Haftanstalt Berlin-Tegel auf seine Hinrichtung wartete und uns aus dieser Zeit faszinierende und berührende Texte hinterlassen hat. Seine „Vigil von Weihnachten“ – im Angesicht des Todes geschrieben – endet mit dem fesselnden Satz: „Lasst uns dem Leben trauen, weil diese Nacht das Licht bringen musste. Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.“ In dieser Ausgabe von JESUITEN können Sie vielfältige Wege entdecken, wie Poesie einen Zugang zu Gebet und Gott eröffnet – ob als Hilfe der Theologie, im eigenen Gebet oder durch die Resonanz, die Worte in uns auslösen. Von verschiedenen Seiten nähern sich die Autor_innen dem Phänomen: wissenschaftlich, alltäglich, persönlich, spirituell… Vielleicht mag die Lektüre dieses Heftes – für dessen redaktionelle Betreuung ich Fabian Moos SJ, Clemens Kascholke SJ und Dag Heinrichowski SJ herzlich danke – auch in Ihnen eine Resonanz auslösen, Ihnen Begegnungen mit unbekannten Poet_innen ermöglichen, Sie zum Gebet animieren oder vielleicht sogar dazu, selbst den Stift in die Hand zu nehmen und ein paar Zeilen zu Papier zu bringen. Für Ihre Verbundenheit mit uns Jesuiten danke ich Ihnen von Herzen und wünsche Ihnen und Ihren Familien und Angehörigen ein frohes, gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest. „Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.“ Ihr Johannes Siebner SJ, Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten Johannes Siebner SJ 1 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

Was kann Poesie sein? Die Formvielfalt ist in allen Sprachen unendlich. Oft werden Sehnsüchte formuliert. Der eher schwermütige Paul Celan sieht in der Hand seines Gegenübers etwas Besonderes: „Aus der Vier-Finger-Furche / wühl ich mir den / versteinerten Segen.“ In einem Gedicht können Geschichten erzählt werden, Stimmungen anklingen, Welten zusammenbrechen, Hoffnungen aufflammen. Orpheus hat sogar die Steine zum Weinen gebracht. Aber was ist Poesie? Die erstaunliche Antwort meines Dichterfreundes Ludwig Steinherr lautet: „Poesie / ist Irrtum - // eine Hand die / schlaftrunken / auf dem Kopfkissen tastet / nach einer / anderen Hand - // und zwischen beiden / liegt der / Atlantik.“ Was in einem Hotelzimmer stattfindet geht uns gar nichts an, dennoch lässt uns der Dichter daran teilhaben. Die Zweisamkeit, das Zwiegespräch ist nicht nur eine Quelle der Liebe, sondern auch der Dichtkunst. Wer hat als junger Mensch keine Liebesgedichte geschrieben? Leidenschaft ist angesagt. Jung sein bedeutet nicht selten, radikal zu sein wie die Schüler bei fridays for future. Gut so! Emotionale Extreme gibt es allerdings in beide Richtungen. Für die ersten Kriegswochen des Ersten Weltkrieges wird die Zahl der in den Redaktionen der Presse eingesandten Gedichte auf täglich (!) rund 50.000 geschätzt. Ein Hassgesang gegen England von Ernst Lissauer klingt 1914 dann so: „Drosselnder Hass von siebzig Millionen, / Sie lieben vereint, sie hassen vereint, / Sie haben alle nur einen Feind: / England.“ Das klingt nicht nach Walther von der Vogelweide. Purer Hass wird heute vor allem getwittert. Ein Haiku bringen Hater nicht zustande. In der jüdisch-christlichen Tradition sind die Psalmen vertraut. Sie können als Gedichte gelesen werden, sind vor allem aber Gebete. Ordensleute halten sie lebendig, gleichzeitig sind sie Teil der ganzen Christenheit. Einen der schönsten Lobgesänge singt Maria: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes.“ So beten wir das Magnifikat mit der Lutherbibel, während Kurt Marti hier fortfährt: „ich juble zu gott meinem befreier.“ Der Jesuit Pierre Teilhard de Chardin SJ hat dagegen eine Hymne an die Materie (1961) geschrieben – lange vor der ersten Mondlandung (1969). Er grüßt darin die „unerschöpfliche Fähigkeit des Seins und der TransforWas in einem Hotelzimmer stattfindet geht uns gar nichts an, dennoch lässt uns der Dichter daran teilhaben. 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

mation“. Gedichte wollen bewegen, wollen Vielfalt. Kleine Variationen in der Sprache können Wunder bewirken. Die Schönheit der Dichtung versetzt Berge, wie es der Glaube kann. Lyrik hat politische Sprengkraft etwa bei Ernesto Cardenal. Sein Bruder Fernando war Jesuit und Befreiungstheologe. Der Bogen wird weit gespannt. In der Kirche darf der Sonnengesang eines Heiligen Franziskus nicht fehlen: Ökologie pur! Der Text markiert den Beginn der italienischen Literatur. Schließlich sollte Humor nicht fehlen wie in der Fischpredigt des Antonio von Padua von Abraham a Sancta Clara. Die Legende hat Achim v. Arnim und Clemens Brentano in Des Knaben Wunderhorn übernommen, ohne die wiederum die 4. Sinfonie in G-Dur von Gustav Mahler nicht denkbar wäre. Musik und Lyrik sind sich ganz nahe. Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht wäre ohne die Musik von Kurt Weill einfach nicht denkbar. Lyrik, Metrik, Rhythmus folgt musikalischen Prinzipien. Das gilt für Joseph v. Eichendorff bis zum Rapper unserer Tage. Georg Maria Roers SJ 3 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE © Razvan iStock.com

SCHWERPUNKT 4 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE Der Resonanz Raum geben Ein Wechselspiel von Lyrik und Musik Seit über zehn Jahren gestalten Br. Andreas Knapp und Sr. Maria Wolfsberger Abende mit Lyrik und Musik. Wie kam es zu Eurem Projekt? Andreas: Nachdem wir Kleinen Brüder 2005 nach Leipzig gezogen sind, habe ich im Rahmen der Kontaktstelle Orientierung der Jesuiten Lesungen gehalten. Ich habe Maria hier in Leipzig kennengelernt und wusste, dass sie Orgelkonzerte gibt, aber auch Mundharmonika und Klavier spielt. So kam die Idee, etwas gemeinsam auszuprobieren. Ich habe einige Texte zusammengestellt und gelesen. Maria hat mit einem Instrument, sei es dem Keyboard, der Mundharmonika, der Orgel oder auch einmal mit der Trompete, darauf reagiert. Maria: Es gab unterschiedliche Formate in Kirchen, bei Buchlesungen wie der Leipziger Buchmesse, beim Katholikentag… Meistens habe ich die Texte im Vorfeld von Andreas bekommen. Gelegentlich habe ich die Texte auch tatsächlich vor der Veranstaltung gelesen. Ganz oft habe ich mich überraschen lassen und darauf spontan reagiert. Andreas, wie entstehen Deine lyrischen Texte? Andreas: Ich versuche, etwas von dem, was in mir lebendig ist, zum Ausdruck zu bringen. Menschen spüren dann, was mich bewegt. Durch Lyrik will ich nicht informieren, sondern etwas von mir mitteilen. Wir reagieren immer auf Äußeres: auf Farben, auf Töne, auf Menschen, auf Bedürfnisse. Wir machen viele ErfahrunMaria Wolfsberger, Missionarin Christi: derzeit Organistin an der Nikolaikirche Leipzig sowie Dozentin an der Musikhochschule Halle. Andreas Knapp, Kleiner Bruder vom Evangelium: Er ist tätig in der Flüchtlings- und Exerzitienarbeit.

5 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE gen und Begegnungen. Alles löst eine Resonanz in uns aus. In der Lyrik versuche ich im Betrieb des Alltags innezuhalten, der Resonanz Raum zu geben und mich zu fragen: Was klingt in mir nach? Was löst es aus? Gibt es dafür vielleicht ein Wort oder eine kleine Geschichte? Jeder Mensch kann Lyrik machen und er tut es auch: Jede Liebeserklärung ist Lyrik. Jedes Danken, Staunen, jedes Gebet ist Lyrik. Was machst Du, Maria, wenn Du die Texte von Andreas hörst? Maria: Ich verarbeite die persönliche, augenblickliche Sicht auf ein Gedicht und drücke dies in Musik aus. Dies könnte am darauffolgenden Tag vollkommen anders aussehen. Manchmal sind es einzelne Wörter, die in mir etwas auslösen. Ich stelle mir zum Beispiel einen Sonnenstrahl in der Natur vor und setze dies unter Umständen nur mit einem Ton um. Vieles ist abhängig von der Atmosphäre, welche durch das Gedicht ausgedrückt wird - aber auch von der Atmosphäre im Raum und meiner Konstitution in dem Moment. Da ich ein absolutes Gehör besitze, ist die Musik in diesem Moment richtig und kann nicht anders sein. Ich hoffe, dass ein Funke der Gegenwart Gottes herausgehorcht wird; bei Andreas durch seine Worte und bei mir durch die Musik. Andreas: Es ist ein Gesamtkunstwerk, zwei Weisen, die sich ineinanderschieben. Das Wort Lyrik stammt vom griechischen Wort Lyra, das ursprünglich ein Zupfinstrument, die Leier, bezeichnet. Worte versuchen Bilder, Erinnerungen, Gefühle oder innere Zusammenhänge aufzurufen und da kommt etwas zum Klingen. Die Musik nimmt den Klang auf, spiegelt ihn und ruft bei den Menschen eine weitere Resonanz hervor. Es soll etwas zum Klingen kommen. Die Worte und die Musik spiegeln etwas von unserer Seele wider. Die Musik ist die Projektion meines inneren Schwingens auf ein Instrument. Durch das Zusammenspiel von Lyrik und Musik versuchen wir als Ordensleute in uns und den Menschen eine spirituelle Dimension anzusprechen… Ist für Euch die Lyrik und die Musik eine Form des Gebetes? Andreas: Im Gebet bringe ich einem Du, ja Gott gegenüber, mein Innerstes zum Ausdruck. Ich habe oft religiöse Themen in meiner Lyrik und das ist für mich eine Art von Gebet. Ich drücke etwas ganz Persönliches aus und trete in Beziehung zu einem Du. Die Fragen stellte Christian Braunigger SJ

Es ist, als ob die Mysterien des Christentums neu und frisch aufleuchteten. 6 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE Poetische Dogmatik Eine Verheißung aus tausend Erinnerungen Dem ‚Morgen‘ widmete Alex Stock (19372016) sein letztes Buch. Dort finden sich noch einmal alle Motive seines Werkes auf knappem Raum vereint. Biblische und liturgische Texte, Gebete, Poesien, Erzählungen, Bilder aus allen Zeiten, um dem Schöpfungs-, Auferstehungs- und Lebensmorgen Gottes wie der Menschen Kontur, Resonanz wie theologische Weite und Dichte zu geben. ‚Poetische Dogmatik‘, der Titel war die leise Fanfare seines Lebensprogramms. Nämlich in der Kunst- und Kulturgeschichte wie der Liturgie Spuren zu sammeln, in denen sich das Licht der Mysterien des Christentums spiegelte und indirekt vergegenwärtigte. Und umgekehrt, von den Glaubenssymbolen her, Texte und Bilder der Kulturgeschichte, aber auch die Hymnen und Gebete der Liturgie, sogar das ‚Dies irae‘, neu zu lesen. Alex Stock, der einst in Innsbruck studiert hatte, gründete zu diesem Zweck ein Institut für Bildtheologie an der Universität Köln, ganz am theologischen und kirchlichen Betrieb vorbei, von diesem lange verkannt; und er schrieb durch zwei Jahrzehnte sein Opus magnum mit 5000 Seiten: Poetische Dogmatik. Was für ein befremdlicher und verheißungsvoller Titel! Es ist, als ob die Mysterien des Christentums neu und frisch aufleuchteten, indem man sie vom Spielfeldrand der Kunst und der liturgischen Praxis aus betrachtete und anders ins Spiel brächte. So verstehen wir, dass Poesie und Kunst keine beliebigen Schnörkel oder Beigaben sind, sondern Formen der Realisierung des Leibes Christi, genuine Orte der Theologie, also der Wahrnehmung und Wahrgebung der Geheimnisse des Christentums wie des Lebens und ihrer gegenseitigen Wandlungs- und Übertragungsgeschichte. In ihnen wird das meta-phorein, die Kunst der Übersetzung zwischen Welten, konkret, anspruchsvoll und ansprechend, auch spielerisch verwirklicht. Da wird mehr gesagt als in den Traktaten der klassischen Universitätstheologie, vielmehr etwas angedeutet und eröffnet. Deshalb habe Christus keine Christologie geschrieben, sondern Gleichnisse erzählt und gleichnishaft gehandelt. Deshalb liebt Jesu, etwa in der Bergpredigt, die Metaphern. Deshalb besteht die Bibel zu einem hohen Prozentsatz aus Erzählungen und den Psalmen – eben Poe-

sie, Wort Gottes an den Menschen, vom Menschen singend zurückgetragen. Ähnliches gilt von der Kunstprosa der lateinischen Hymnen wie der römischen Orationen, aber auch von den Liedern von Huub Oosterhuis. Und wir begegnen der Bildgeschichte von der Antike bis Beuys, von Dürer bis Redon, von Rembrandt und den barocken Kirchen bis zur klassischen Moderne. Stets werden diese sprachlich nachgezeichnet und neu zur Sprache gebracht. Das Unsagbar-Unsägliche und Un- absehbare des Lebens, der Kunst wie des Christentums gewinnt Resonanz, Farbe, Brisanz. Eine wahre Schule der Sinne, der Wahrnehmung, des Taktempfindens. All dies wird vor dem Leser ausgebreitet wie in einem Schatzhaus, das meiste davon, und das war Stock schmerzlich bewusst, ist schon verloren, hat in der heutigen Kirche und Welt wenig zu suchen. Aber er meinte, es als Flaschenpost einer künftigen Zeit zusenden zu müssen und zu dürfen, vom Rande der Kirche aus als Fremdenführer ins Eigene. Wie Hermann Kurzke mit seinem Archiv für Gesangbücher in Mainz oder Navid Kermani mit seinen Büchern ’Gott ist schön‘ und ‚Ungläubiges Staunen‘. Es ist ein Denken, das mich stark beeindruckt, in Glaubenspraxis und Lehre für mich stilbildend wurde. Da gewinnt das Christentum Plastizität, Resonanztiefe und -weite. Es entsteht eine geradezu sinnliche Freude an seinen Inhalten und Vollzügen. Tradition ist nicht mehr Erblast, sondern ermutigende Vielfalt von Entdeckungsmöglichkeiten. Ob von diesen Randgestalten und ihrer Poetik das Lebensdienliche und Liebenswerte des Christlichen neu aufleuchten könnte? Das entspräche meiner Erfahrung und wäre mein Wunsch im Blick auf eine andere Gestalt von Kirche und Theologie. Elmar Salmann OSB © nd3000 iStock.com 7 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

Gott am Rockzipfel zerren Schon immer hatte für mich der Morgen eine besondere Qualität. Noch bevor die Stadt so richtig erwacht ist und bevor mein Geist vom Vielerlei der Eindrücke, Gedanken, Ansprüche und Tätigkeiten gefüllt wird, sind die Morgenstunden für mich ein wichtiger Moment der Ausrichtung. Dafür verwende ich seit einigen Jahren den Ausdruck: „heilige Zeit“. Die konkrete Gestaltung dieser Zeit entwickelt sich und variiert etwas, aber im Grunde hat sich für mich ein Dreischritt aus Gebet, Lesen und Schreiben herausgebildet – und dafür nehme ich mir in aller Regel jeweils eine halbe Stunde. Ich brauche diese Verankerung im Wesentlichen, die im Prinzip unabhängig von der aktuellen äußeren Situation ist. Darum ist diese Zeit heilig. Im Gebet geschieht die wesentliche Ausrichtung auf Gott, im Herzensgebet oder im Hören und Schauen auf das Wort Gottes. Mein ganzes Leben, die Fürbitte für andere und für die Welt haben darin ihren Platz. Das Lesen, eine Art lectio continua, lässt mich für längere Zeit an einem Thema dranbleiben, das mich geistlich bewegt. Wenn eine ruhige Lesezeit am Morgen gesichert ist, bekomme ich genug geistliche Nahrung für den Tag und bin auch nach wenigen Wochen mit einem Buch durch, ohne hetzen zu müssen. Schließlich kommt das Schreiben in mein Tagebuch: ein paar Notizen zu Gebet und Lektüre und ein „Einsammeln der Früchte“ des Vortages. Ohne dass ich es planen würde, kommt es dann hin und wieder vor, dass auch ein Gedicht entsteht. Aus dem, was mir noch nachgeht, was vom Vortag über die Nacht heranreifen konnte oder was plötzlich als Frage da ist. Ich erlebe dabei oft das Schreiben selbst als Form des Gebets: Wort für Wort entsteht, sie kommen mir zu, sind Ausdruck, Mittel und Ziel einer Sehnsucht, sind Geschenk. Häufig gibt es ein Du, das ich anspreche – mich selbst, jemand anderen, Gott. Nicht selten ist dann plötzlich ein Friede da, der sich bis weit in den Tag hineinzieht: Ich durfte am Rockzipfel Gottes zerren – und weiß zumindest für jetzt, wer ich bin. Die „heilige Zeit“ bleibt nicht unumkämpft, es gibt immer Wichtigkeiten, die auch diese Zeit in Beschlag nehmen wollen. Manchmal schaffen sie es auch. Das Schreiben wird dann als Erstes weggekürzt. Doch letztlich fehlt etwas, wenn es dieses Suchen nach einer unvollkommenen, aber ureigenen Stimme über längere Zeit nicht gibt. Es fällt mir dann auch zunehmend schwerer, die Stimme der anderen zu hören und wahr sein zu lassen. Fabian Moos SJ 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE © willma photocase.com

10 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE SCHWERPUNKT Fragmente meines Betens Unser Karmel ist ein Kloster in der pulsierenden Großstadt Berlin, neben der Gedenkkirche der deutschen Katholiken für die Opfer der Nazi-Diktatur. Der Alltag ist geprägt von Gebet, Stille und Begegnungen mit vielen Menschen. Dichtung und Gebet sind für mich ineinander verwoben. Die holländische Jüdin Etty Hillesum schrieb in ihren Tagebuchaufzeichnungen: „Es ist kein Dichter in mir, es ist nur ein Teilchen von Gott in mir, das zum Dichter heranwachsen könnte.“ Diese Teilchen von Gott in uns, ist vielleicht die Kraft, die uns zum Beten inspiriert. Einige Fragmente aus meiner Gebetserfahrung möchte ich teilen: Die Hoffnung wecken Morgenlob in der Krypta der Gedenkkirche. Ein sammelnder Raum. Unsere Gemeinschaft, die Gäste, der Ort der Märtyrer. Eintauchen in die Psalmen. Ein Teppich aus heiligen Worten, mal fließend, dann mühsam, doch heilsam: Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen. (Ps 104,30) Den Atem der Hoffnung in den Psalmen spüren. Den Odem Gottes in den neuen Tag fließen lassen. Alltagsfarben Ich stehe an der Kasse im Klosterladen und nehme die Menschen wahr: entspannt und freundlich, hektisch oder müde. Was bewegt sie? Fragen gehen mit. Du, der ist - auch in uns; mögen alle dich sehen – auch in mir, möge ich den Weg bereiten für dich. Möge ich dabei die Not der anderen nicht vergessen. (Dag Hammarskjöld) Atempause Mittagsgebet. Ich komme an. Atempause. In Deiner Nähe starker Gott. Die Glocken läuten. Gemeinsam eintauchen in die Psalmen: Aufleben soll euer Herz für immer. (Ps 22,27)

11 Friedensgebet vor der Pieta: Wir holen die weltweite Not in unser Beten hinein und singen: Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. (Martin Luther) Wegbegleitung Menschen mein Ohr leihen. Horchen und Gottes Geheimnis suchen. Den inneren Herzensgarten bewässern. Die Bruchstellen heilig halten: Nahe ist der Herr den zerbrochenen Herzen. (Ps 34,19) Abendlob Den Strom des Tages unterbrechen. Sich zusammenfinden. Den Blick und das Herz weiten. Gemeinsam die Hoffnung wachhalten: Ewiger hier nun, der uns Atem gibt, gesegnet du. (Ps 150, Oosterhuis) Fürbitten: Schmerz, Klage, Lob. Alles Mitgebrachte hat Raum. Tagesausklang Jesus ist das brennende Licht, das der Name wie eine Linse sammeln und lenken kann, bis ein Feuer in uns entzündet ist. ( P. Lev Gillet) Sehnsucht, in Dir zu ruhen. Deinen heiligen Namen küssen: Jesus, Sohn Gottes, Lebendiger! Sr. Mechthild Brömel OCD JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE © fl0wer photocase.com

SCHWERPUNKT Jesaja, der Wörter-Maler Jesaja ist ein poetischer Prophet. Er malt Bilder aus Wörtern. „Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf.“ (Jes 9,1) Es ist eine Eigenart solch bildhafter und metaphorischer Sprache, dass sie nicht nur Inhalte vermittelt, sondern auch Gefühle weckt. Im Jesajabuch begegnet dies an vielen Stellen. Die Jesajatexte, die in der Advents- und Weihnachtszeit im christlichen Gottesdienst gelesen werden, sind voll davon. Sie entwerfen Bilder vom Frieden („Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie.“ Jes 11,6) und versetzen die Hörer_innen in blühende Wüsten („Jubeln werden die Wüste und das trockene Land, jauchzen wird die Steppe und blühen wie die Lilie.“ Jes 35,1), sodass Sehnsucht und Hoffnung wachsen. Ein typisches Stilmittel hebräischer Poesie verstärkt die Wirkung der Worte: Die Kombination zweier Aussagen über den gleichen Gegenstand eröffnet – sozusagen zwischen den Zeilen – den Leser_innen einen Raum, in dem sich ihre Vorstellung entfalten kann. Wie im Stereosound erklingt die Botschaft der Worte durch die Parallelität der Satzglieder (parallelismus membrorum) und gewinnt dadurch an Fülle und Tiefe. Ebenso bringt Jesaja seinen Adressat_innen auch die Schrecken des Kriegs in © 2Design photocase.com

Jesaja ist nicht nur ein Prophet gewesen, sondern wurde zu einer ‚Marke‘. 13 eindrucksvollen Bildern vor Augen: „Euer Land ist verwüstet, eure Städte sind feuerverbrannt. Fremde verzehren vor euren Augen den Ertrag eures Ackers.“ (Jes 1,7) Die Ungerechtigkeit und Skrupellosigkeit der Führungsschicht klagt er an, indem er die Zustände lebendig werden lässt: „Deine Fürsten sind Aufrührer und eine Bande von Dieben, ein jeder liebt Bestechung und jagt Geschenken nach. Dem Waisen verschaffen sie kein Recht und der Rechtsstreit der Witwe gelangt nicht vor sie.“ (Jes 1,23) Für die Motive seiner poetischen Prophetie greift der Verfasser auf die große Vielfalt an Themen, Bildern und Vorstellungen zurück, die die Tradition ihm bietet. Er kombiniert Bekanntes neu, um die Botschaft seiner Worte so überzeugend wie möglich zu vermitteln: „Warst du es nicht, der das Meer austrocknen ließ, die Wasser der großen Flut, der die Tiefen des Meeres zum Weg gemacht hat, damit die Erlösten hindurchziehen konnten? Die vom Herrn Befreiten kehren zurück und kommen voll Jubel nach Zion.“ (Jes 51,10-11a) Wie transparente Bilder legen sich bekannte Vorstellungen übereinander, der Auszug aus Ägypten wird zum Weg aus dem babylonischen Exil, der durch das Schilfmeer nun direkt zurück zum Zion führt. Zion-Jerusalem wiederum ist im ganzen Jesajabuch der Ort, an dem Gott wohnt, und zugleich die Frau, zu der Gott hält: Tochter Zion, Mutter Zion, Verlassene und Braut. Jesaja als poetischer Prophet mischt hier die Vorstellung einer Stadt und einer Frau, verbindet Bekanntes mit Neuem – das alles, um große Gefühle zu wecken, Wut und Verlassenheit (Jes 49,14), Angst und Scham (Jes 54,4.9) und schließlich Freude und Vertrauen auf Gott (Jes 61,10). Dies sind natürlich nur Ausschnitte aus dem Jesajabuch, das über mehrere Jahrhunderte hinweg entstanden ist. Jesaja ist folglich nicht nur ein Prophet gewesen, sondern wurde zu so etwas wie einer ‚Marke‘, die sich bewährt hat – während der gut vier Jahrhunderte, in denen das Jesajabuch angewachsen ist, und auch während vieler weiterer Jahrhunderte, in denen Jüd_innen und Christ_innen das Jesajabuch als Teil ihrer heiligen Schriften gehört und gelesen haben. Als poetischer Prophet wirbt Jesaja für seinen Gott, will gewinnen und überzeugen, Hoffnung und Vertrauen wecken – mit Worten, die in ihrer poetischen Fülle und Tiefe Raum für eigene Erfahrungen schaffen, und so ihre Botschaft eindrucksvoll vermitteln: Gott rettet, Gott hält zu seinem Volk. Uta Schmidt JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

14 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE SCHWERPUNKT Mystische Poesie Ein Schlüssel zum Raum der Gottesbegegnung? In dem großen, alten Haus, in dem ich aufgewachsen bin, gab es viele Räume und damit auch ein großes Schlüsselbrett im Eingangsbereich. Dort hing ein großer, schon etwas verrosteter Schlüssel. Ich erinnere mich, dass ich als kleines Kind oft davorstand und mich gewundert habe, wie der Raum wohl aussieht, den so ein Schlüssel aufschließt. Nie habe ich mich aber getraut, ihn einfach zu nehmen und auszuprobieren. Die Frage, was mich dahinter erwarten würde, war einfach zu groß! Die poetischen Texte von Mystikern und Mystikerinnen machen manchmal einen ähnlichen Eindruck. Ihre Sprache unterscheidet sich grundlegend von unserer Alltagssprache, die versucht, klar und verständlich zu sein. Dadurch wirkt solche Poesie durch die besondere Ausdrucksweise und die vielen Metaphern oft verwirrend oder gar abweisend. Wenn man die Texte auch nicht sofort versteht, kann man intuitiv doch erspüren, dass dort etwas dahinterliegt; oder wie Michel de Certeau SJ es ausdrückt: „Alle meine Wörter gehen auf das zu, was sie nicht sagen.“ Diese poetischen Wörter der Mystiker sind wie ein schon etwas verrosteter Schlüssel. Wenn man sich auf sie einlässt, können sie zu etwas Anderem führen – sie öffnen bisher unbekannte Räume. Warum könnten die Mystiker nicht einfacher beschreiben, wie Gott so ist? Was sie schreiben, ist selbst Ausdruck ihrer eigenen Gotteserfahrung, die von einer Grundspannung geprägt ist: Einerseits ist da eine alles verändernde Erfahrung der Präsenz Gottes, andererseits wird diese Gegenwartserfahrung durch ein Moment der Abwesenheit Gottes konterkariert. Er ist ja der, der sich nie vollständig fassen lässt, weil er der immer Größere ist. Poesie eignet sich wunderbar, um den Spagat zwischen diesen beiden Spannungspolen zu schaffen. Mystiker griffen daher immer wieder auf eine solche poetische Sprache zurück, die voll von Bildern, Gleichnissen und Erzählungen ist. Die Texte gehen damit auf den Gott der mystischen Begegnung zu, ohne ihn direkt beschreiben und damit begrenzen zu müssen. Was können uns diese Texte heute noch sagen? Es kann nicht darum gehen, dieselbe Gotteserfahrung wie eine Theresa von Ávila nachahmen zu wollen. Gerade die Bedeutungsoffenheit der poetischen Sprache ermöglicht uns, die Texte als Schlüssel zu unseren eigenen Räumen der Gottesbegegnung zu nutzen. Die vielen verschiedenen Metaphern der Texte sind für uns heute anders konnotiert und wir müssen sie in unseren Erfahrungshorizont einordnen. Gleichzeitig stammen sie © VioletaStoimenova iStock.com

aus der Gotteserfahrung der Mystiker und Mystikerinnen und wollen auch uns Leser zu solchen Erfahrungen führen. Die Bedeutungsoffenheit poetischer Texte kann uns nicht nur helfen, Gott zu begegnen. Sie geben uns auch eine Sprache, um unsere eigenen Erfahrungen mit Gott in Worte zu fassen und damit besser umgehen zu können. Für mich persönlich ist Johannes vom Kreuz ein regelmäßiger Begleiter in Exerzitien. Zwar meditiere ich nie mit seinen Texten, aber in ihnen finde ich eine Möglichkeit, den Erfahrungen, die ich in der Stille und im Gebet mache, Worte zu geben, um sie besser in mein Leben einordnen zu können. Eine kleine Kostprobe ist die erste Strophe meines Lieblingsgedichts von Johannes, der lebendigen Liebesflamme: „O Flamme von Liebe lebendig, die du zärtlich verwundest meine Seele in tiefster Mitte! Da du nicht mehr quälend bist, komm schon ans End‘, wenn’s dir gefällt; zerreiß den Schleier zur süßen Begegnung!“ Gerald Baumgartner SJ 15 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

Poetische Theologie in Äthiopien Äthiopien als die Wiege der Menschheit und des frühen Christentums kennt eine jahrtausendalte Tradition der Dichtkunst, die zunehmend in Vergessenheit zu geraten droht: Quinea. Diese Form ‚poetischer Theologie’ ist Beweis dafür, dass das Christentum in Äthiopien nicht archaisch und statisch, sondern vielmehr dynamisch und innovativ ist. Quinea speist sich aus schriftlichen, bildlich-symbolhaften sowie mündlichen Quellen. Die Gedichte weisen eine stark biblische Bildsprache auf, die Psalmen nehmen eine gehobene Stellung ein. Zu den Inhalten zählen Themen wie Leben und Tod, Streit, Versöhnung, Liebe, Einsamkeit und Gerechtigkeit. Auch biblisch-historische Ereignisse sowie die Glaubenszeugnisse der Heiligen und Märtyrer_innen dienen als Inspiration. Daneben ist auch die Naturbeobachtung von großer Bedeutung: Die natürlichen Elemente wie Wasser, Feuer und Erde gelten als zentrale Symbole und Schlüssel zur poetischen Reflexion. Darüber hinaus bedient sich diese Kunst der alten äthiopischen Sprichwörterkultur und weiß diese zugleich mit kritischen Analysen der Moderne sowie aktueller politischer Trends abzugleichen. Vor allem bei traditionellen äthiopischorthodoxen Festen, wie dem Tauffest, hat Quinea ihren „Sitz im Leben“. Die Poeten teilen theologische Gedanken – in diesem Fall zur lebensspendenden Bedeutung des Wassers – der Gemeinde mit und versuchen die Gläubigen mittels ihrer Worte (bspw.: „After our identity jar is broken, the wise maker Christ remade it through the new baptismal water.“ – „Nachdem der Krug unserer Identität zerbrach, der weise Schöpfer Christus, erneuerte sie durch das neue Wasser der Taufe.“) in die Meditation und Anbetung zu führen: Das Geschenk der Natur wird in die kulturellreligiöse Praxis integriert. Flüsse und Gewässer werden so zu Orten religiöser Glaubenspraxis. Poetry Schools in Äthiopien Quinea ist bislang nicht Teil des universitären Curriculums. Wer diese Fähigkeit der Dichtkunst erlernen und professionalisieren möchte, muss dazu eine „traditional school of poetry“ aufsuchen. Die berühmtesten befinden sich im Norden Äthiopiens. Die Ausbildung beträgt drei Jahre, die jüngsten Schüler_innen sind zehn Jahre alt. Da die Schulen sehr abgeschieden inmitten der Natur liegen, verlassen die Lernenden ihr bisheriges Zuhause. Nur während der Ferien reisen sie zurück zu ihren Familien. Die Dichtschulen werden von einem sogenannten Master Poet (Lehrmeister_in) geleitet, der als besonders versiert in dieser Kunst gilt. Es gibt vier Stufen, die 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

Anders als in einem Priester- seminar liegen die Poetry Schools inmitten der Dorfgemeinschaft und sind in diese eingebunden. durchlaufen werden müssen, um sich am Ende selbst als Master Poet bezeichnen zu dürfen. Schüler_innen der höheren Grade teilen ihr erlerntes Wissen mit den Anfänger_innen. Dank dieses Tutorensystems können an einer Schule bis zu 200 Schüler_innen gleichzeitig ausgebildet werden. Improvisation ist ein wichtiges Charakteristikum von Quinea. Die Schüler_innen lernen, ganz spontan und ohne längere Vorbereitung, Gedichte aufzusagen. Dass diese im jeweiligen Moment entstehen, führt dazu, dass keines wiederholt aufgesagt werden kann. Diese poetische ‚Performance’ bringt die äthiopische kontemplative Tradition zum Vorschein. Quinea wird als eine Möglichkeit begriffen, das theologische Mysterium offen zu legen: In der Dichtung wird neben dem Sichtbaren auch das Unsichtbare offenbar. Beide sind untrennbar und kommunizieren miteinander durch Symbole. Worin bestehen die Vorteile einer poetischen Theologie? Daniel Assefa stammt selbst aus Äthiopien und hat im Rahmen eines Forschungsprojektes erstmals eine Dokumentation und Analyse von Quinea initiiert. Er schreibt ihr grundlegende Vorteile gegenüber der ‚klassischen Theologie‘ zu: Anstatt auf einer dogmatischen Theologie baut Quinea auf einem stark lebensorientierten Ansatz auf, der durch die Beobachtung der Umwelt und das Zusammenleben der Gesellschaft geprägt wird. Die eigene Erfahrung und Kreativität stehen im Vordergrund. Anders als in einem Priesterseminar liegen die Poetry Schools inmitten der Dorfgemeinschaft und sind in diese eingebunden. Durch den öffentlichen Vortrag der Gedichte, die Kritik und Weiterführung durch andere Poeten sowie die Resonanz des Publikums auf die Texte ist der Lernprozess dialogisch und nicht isoliert. Ein weiterer Vorteil dieser poetischen Theologie ist ihr sprachlicher Freiraum. Im theologischen Curriculum ist das Reflexionsvermögen von besonderer Bedeutung, kreativer Ausdruck hingegen nicht. Akademische Fachartikel müssen sehr direkt und explizit im vorgegebenen Fachjargon formuliert sein. Das poetische Theologisieren fördert hingegen den Gebrauch biblischer Metaphern und könnte so als Teildisziplin auch die klassische Theologie bereichern. Marita Anna Wagner 17 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

Ein Knoten in der Wirklichkeit Als Theologin höre ich immer wieder, dass es Menschen unfassbar schwerfällt, mit Anderen über Glauben zu sprechen. Dabei ist es unerlässlich, dass wir als Menschen über unsere Ideen und Vorstellungen von unserer Wirklichkeit in ein Gespräch kommen. Es ist die einzige Möglichkeit, einander in unseren verschiedenen Lebenswelten zu verstehen und dadurch einen von Liebe und Respekt geprägten Umgang miteinander zu finden. Sich gegenseitig zu begegnen ist nur möglich, indem wir Knotenpunkte zwischen unseren Wirklichkeiten schaffen. Diese Knotenpunkte knüpfen wir durch Kommunikation, maßgeblich durch Sprache. In zwei verschiedenen Welten – Theologie und Poesie – begegnet mir das. So unterschiedlich beide sein mögen, so offen spreche ich in beiden über meinen Glauben. Immer so, dass man mich versteht. Ich halte wenig davon, die immer selben Worte aus den immer selben kirchlichen Kontexten zu verwenden, ohne sichtbar zu machen, was für mich in ihnen steckt. Sprache, die Menschen nicht erreicht, ist sinnentleert. Deshalb versuche ich für die Menschen aus nichtkirchlichen Kontexten und jenen in der Kirche, welche nicht vom typischen kirchlichen Vokabular erreicht werden, eine neue Sprache zu finden. Dabei hilft mir Poesie – auf der Bühne wie im Alltag – um mit verschiedensten Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich begeistere mich für Poesie in ihrer rohsten, alltäglichsten Form – für mich allgegenwärtig. Ich sehe sie im Zusammenspiel von Menschen und wie sie ihre Wahrnehmung versprachlichen. Indem wir versuchen, anderen unsere Wahrnehmung zu erklären, wagen wir den Versuch, uns verständlich zu machen und unsere unterschiedlichen Wirklichkeiten abzugleichen. Genau dort kommt der Glaube ins Spiel. Er soll Menschen zusammenbringen. Damit er das weiterhin tun kann, müssen wir eine Sprache finden, die authentisch, unverbraucht ist. Dann wird sie neu gehört – und gleitet nicht einfach vorbei. Eine – zusätzliche – neue Sprache ist nötig! Damit wir uns in unseren Wirklichkeiten erreichen können, müssen wir Knoten durch eine Sprache und Kommunikation knüpfen, die uns trifft. Gott ist diese Knotenpunkte. Gott ist das, was uns davon abhält, in unseren Wirklichkeiten so weit voneinander weg zu driften, dass wir uns nicht mehr erreichen können. Gott ist Knotenpunkte wie Verbindungsstücke zwischen Menschen und Türen in Wirklichkeitsmauern, durch die wir uns die Hände reichen und unsere eigene Wirklichkeit erweitern können. Veronika Rieger SCHWERPUNKT © VioletaStoimenova iStock.com 19 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

Love, God, Murder Eine sehr beliebte, noch junge Kollegin ist vollkommen unerwartet verstorben. Wenige Tage später versammelt sich die trauernde Schulgemeinde zu einer Andacht im Dom. Erinnert wird an das schulische Wirken der Verstorbenen. In die große Betroffenheit hinein erklingt am Ende des Gottesdienstes die tiefe Stimme des Countrysängers Johnny Cash (19322003): Ain´t no grave can hold my body down! Geradezu trotzig formuliert Cash – der Man in Black – seinen Glauben an eine Auferstehung. Beim Signal der Trompete steigt der Verstorbene aus dem Grab, wird beim Aufstieg in den Himmel von einer Schar Engel begleitet, begegnet dem Erzengel Gabriel, dann Jesus und schließlich den eigenen Eltern. Ein schönes und ein trostreiches Bild, der berührende Schlussakkord eines bewegenden Schulgottesdienstes – entfaltet im eindrucksvollen Gesang des sterbenskranken Johnny Cash. „Wer wissen möchte, was es bedeutet, ein Mensch zu sein“, so hat es Bob Dylan einmal in Anlehnung an das biblische Ecce Homo ausgedrückt, „braucht nichts weiter zu tun, als dem Man in Black zuzusehen. Wenn man ihn hört, wird man immer zur Besinnung gebracht.“ Das beinahe rebellische Ansingen gegen die dunklen Seiten des Lebens zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des Johnny Cash. Love, God, Murder sind seine Themen. Eine seiner berühmtesten Textzeilen: ‚I shot a man in Reno just to watch him die.‘ Durch alle persönlichen Krisen hindurch verkündet der Sohn evangelikaler Eltern die christliche Botschaft von der Gnade Gottes. Tausende Male und auf vielfältige Weise interpretiert er im Laufe seines Lebens den Hank-Williams-Klassiker ‚I saw the light‘. Es sind Cashs Erfahrungen von Dunkelheit – körperliche Schwerstarbeit, traumatisierende seelische Grausamkeit, Drogenabhängigkeit, Schicksalsschläge, künstlerischer Niedergang, spirituelle Anfechtungen und menschliche Abgründe –, die es ihm ermöglichen, den Traurigen, Ausgegrenzten, Gestrauchelten und Unterdrückten eine Stimme zu verleihen. Als Jugend- bzw. Schulseelsorger unterschiedlicher Generationen sind wir beide gleichermaßen berührt von der Musik und Spiritualität Johnny Cashs. Sein Leben und Werk wurden für eine Weile zu unserem Thema: Wir haben geforscht, miteinander diskutiert, um das Verständnis seiner Lyrik gerungen, die Ergebnisse unserer gemeinsamen Suche in Artikeln veröffentlicht und dabei besser verstanden, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Jürgen Brinkmann & Björn Mrosko SJ 20 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

21 Der Ewigkeit einen Alltag geben Liebe Frau Dr. Thurmair, schon lange wollte ich Ihnen einmal schrei‑ ben. Das ist ungewöhnlich, bestimmt, nicht zuletzt deshalb, weil ich eine sehr unverdächtige Bewunderin Ihrer Arbeit bin. Sie müssen wissen: mit Kirchenmusik werde ich mich vermutlich nie anfreunden. Doch für eine bestimmte Form von Kirchenmusik sind Sie bekannt. Viele Ihrer Liedtexte sind heute fester Bestandteil der Liedauswahl in den Gemeinden. Leider bleibt mir diese Form der gemeinschaftlichen Spiritualität fremd. Aber wenn ich Ihren Lebenslauf lese, stockt mir der Atem. In den Wirren des Ersten Weltkriegs mit Ihrer Familie aus Südtirol vertrieben. Eine Promotion als Frau zu einer Zeit, in der das alles andere als selbstverständlich war. Eine politische Geradlinigkeit gegenüber dem Nationalsozialismus, die unbequem und gefährlich war. Natürlich berührt mich auch die gemeinsame Lebens- und Wirkungsgeschichte mit Ihrem Mann. Eine Heirat mitten im Krieg. Eine Ehe, die über 40 Jahre hält. Dazu sechs Kinder und eine rege berufliche Tätigkeit. Alles nicht selbstverständlich. Jedenfalls nicht in dieser Kombination – trauriger Weise bis heute nicht. Sie waren geschätzte Vordenkerin und anerkannte Gesprächspartnerin für viele konkrete Umsetzungsfragen nach der Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils. Auch vor unbequemen Themen wie der Ökumene und der Rolle der Frau hatten Sie (natürlich!) keine Angst. Und Sie haben auf ihrer Schreibmaschine (Lied-)Texte geschrieben – einen um den anderen. Ich bewundere sehr, dass es Ihnen dabei gelang, Ihre Person hinter Ihre Arbeit und den Sinn, den Sie in ihr sahen, zu stellen. Das ist vielleicht ein typischer Wesenszug von Frauen, aber gleichermaßen einfach wohltuend. Gerade im Jahr 2019. Schließlich haben Sie in und mit Ihren Texten mehr von sich erzählt, als es Titel, Biographien und Ehrungen je könnten. Was vielleicht damit zu tun hat und mich auch nicht loslässt, ist die – im besten Sinne des Wortes – Banalität Ihrer Sprache. Denn sie zeigt, wie sehr Ihre Poesie Theologie ist. Sie muss sich am Gesprochenen und Unausgesprochenen unseres Lebens orientieren, sonst gilt sie nicht. In der Einfachheit und dem Gewöhnlichen etwas Heiliges entdecken. Von der Kreativität eines Gottes erzählen, der in Jesus Christus seiner Ewigkeit einen Alltag gab. Für all dieses Vordenken, Vorleben und Vorarbeiten bin ich Ihnen dankbar – und sicherlich werde ich an all das denken, wenn ich wieder Ihren Namen unter einem Liedtext lesen werde. Ihre Maria Herrmann JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE

JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE Staunen Vielleicht kennen Sie die Stelle aus dem Lukasevangelium, an der die Jünger die Kinder nicht zu Jesus vorlassen. Jesus reagiert darauf mit den folgenden Worten: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes.“ (Lk 18,16). Was macht Kinder aus, dass ihnen das Reich Gottes gehört? Nun, man könnte sicherlich einiges dazu aufzählen, ich will mich mit einer Eigenschaft begnügen: dem Staunen. Kinder haben – viel mehr als Erwachsene – die Fähigkeit zum Staunen. Das lässt sich gerade jetzt um Weihnachten überall beobachten. Wenn Sie beispielsweise in der Citykirche Sankt Michael in Göttingen die Kinder beobachten, die dort die große Innenhof-Krippe besuchen, dann erleben Sie ein ständiges Staunen der Kinder: über die lebensgroßen Schafe und die vielen Tannenbäume, über das Stroh, die Kerzen und Sterne, die den Weg zur Krippe weisen, und natürlich über die Krippe selbst mit all ihren Figuren, Engeln, Tieren und Landschaften. Noch dazu verändern sich Krippenszene und -landschaft immer wieder, so dass es bei jedem Besuch Neues zu entdecken gibt und die Geburt Jesu in verschiedenen Etappen erlebbar gemacht wird. Ich habe selten so viele staunende Kinderaugen gesehen wie während der weihnachtlichen Zeit bei den unzähligen kleinen Besuchern dieser Krippe. Und das Staunen der Kinder ist ansteckend! Sie führen einen mit dem Finger zu ihren Entdeckungen und lassen einen an dem teilhaben, was ihre Aufmerksamkeit gebannt und ihr Herz zum Staunen gebracht hat. So ein staunendes Herz ist etwas, das bei Erwachsenen oftmals abhandengekommen ist, sei es durch die Mühlen und Mühen des Alltags, durch Erfahrungen, die nicht zum Staunen, sondern zum Fürchten waren, oder durch eine durchoptimierte und abgeklärte Einstellung zu den Dingen. Dabei ist Weihnachten doch eine wunderbare Möglichkeit, sich wieder zum Staunen führen zu lassen. Gott wird Mensch. Der allmächtige Weltenschöpfer wird selbst Geschöpf. In einem Stall, irgendwo am Ende der Welt. Er lässt sich ein auf diese Welt, in der so viel gebrochen, zerstört und mühsam ist, er tut es sich an, ohne dass er es müsste. Einfach nur, weil er bei uns sein will, weil er uns liebt und uns seine Liebe mitteilen möchte. Er wird sein ganzes irdisches Leben lang keiner Sorge oder Not aus dem Weg gehen und mit unendlicher Geduld trösten, heilen, segnen und zuhören. Er will uns erfüllen mit seiner schöp22 GEISTLICHER IMPULS

ferischen Liebe und uns unsere Ängste abnehmen. Und er wird unseren letzten und immerwährenden Widersacher entmachten und uns das ewige Leben eröffnen. Damit habe ich jetzt weit über Weihnachten hinaus vorgegriffen. Begonnen hat all das mit dem vertrauensvollen Ja Mariens und der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem. Hätten Sie in den nächsten Tagen vielleicht Zeit, sich diesem Geschehen mit Kinderaugen und -herzen zu nähern? Es gibt darin so unendlich viel Staunenswertes zu entdecken und ich bin mir sicher, dass auch für Ihr konkretes Leben etwas Wertvolles dabei ist! Zugleich beginnt in diesen Tagen ein neues Jahr. Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie auf das vergangene Jahr mit Freude und Dankbarkeit zurückblicken können. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie mit Gelassenheit und dem Vorsatz, hin und wieder staunen zu wollen, in das neue Jahr starten. Gottes Spuren werden sich, wenn wir uns auf die Suche danach machen, finden lassen. Es werden Spuren sein, die uns zum Leben führen wollen, auch wenn sie manchmal an Orten beginnen, denen wir das in keiner Weise zugetraut hätten. Hans-Martin Rieder SJ 23 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE © CAUNOZOLS iStock.com

NACHRICHTEN 24 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE Neues aus dem Jesuitenorden Jesuiten verlassen gewohnte Umgebung und gewinnen Als innovatives, pastorales Projekt ist das Online-Format junger Jesuiten „One Minute Homily“ mit dem Bonifatiuspreis ausgezeichnet worden. Das Bonfiatiuswerk verleiht den Preis für missionarisches Handeln alle drei Jahre im Rahmen der Diaspora-Aktionseröffnung des Hilfswerks für den Glauben. Der diesjährige Wettbewerb stand unter dem Leitwort: „Abenteuer Glaube. Entdecker gesucht!“. Mit den „One Minute Homilies“ bringen die Jesuiten an Sonn- und kirchlichen Feiertagen das Tagesevangelium in einer Minute auf den Punkt. In verständlicher Sprache übersetzen sie in kurzen Videoclips die Botschaft des biblischen Textes in die alltägliche Lebenswelt der Menschen. Das war für die prominentbesetzte Jury rund um Bischof Peter Kohlgraf ein Grund, warum sich das Videoformat unter den 220 Einsendungen durchsetzen konnte. „Mit Ihren Impulsen finden Sie für die Botschaft Jesu wieder einen Platz in der Sprache der Menschen, auch der Menschen, die sich außerhalb der kirchlichen Räume bewegen, aber dennoch auf der Suche nach spirituellen Anregungen sind“, begründet Bischof Kohlgraf als Jurymitglied die Entscheidung für den ersten Preis. „Die Initiatoren verlassen mutig die gewohnte kirchliche Umgebung und zeigen, wie das Evangelium in einer pluralistischen und ausdifferenzierten Gesellschaft zeitgemäß verkündet werden kann.“ Der Preis wurde am 3. November parallel zur Eröffnung der Diasporaaktion in Mainz verliehen. Dag Heinrichowski SJ hat das Projekt von Amerika in die deutschsprachigen Provinzen Deutschland, Österreich D. Heinrichowski SJ, P. Dyckmans (v.l.) und J. Linz SJ (r.) freuen sich. Mit dabei: Jurymitglied G. Gause, Bischof P. Kohlgraf, Sr. M. Jardin, Prälat E. Läufer, der Präsident des Bonifatiuswerkes, H. Paus, Minister Prof. Dr. K. Wolf und der Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, Msgr. G. Austen (v.l.) © Patrick Kleibold

und Schweiz geholt. Zusammen mit Jonas Linz SJ und Pia Dyckmans, Öffentlichkeitsreferentin des Ordens, hat er den Preis für das Team der jungen Jesuiten entgegengenommen. Der Bonifatiuspreis ist mit 3.000 Euro dotiert und würdigt den Einsatz von Menschen, die in ihren katholischen Pfarrgemeinden, in Institutionen und Verbänden oder als Einzelpersonen den Glauben in engagierter, außergewöhnlicher Weise weitergeben. Online-Exerzitien mit neuer Homepage Die Online-Exerzitien haben eine neue Homepage. Seit diesem Jahr wird das spirituelle Online-Angebot nicht mehr nur von den Jesuiten, sondern auch von der Congregatio Jesu getragen. Dies war der Anlass, den Online-Exerzitien nach 17 Jahren ein neues Gesicht zu geben. Online-Exerzitien wenden sich an Menschen, die ausprobieren wollen, wie man mit Gott reden kann. Erfahrungen der Betreuer_innen zeigen, dass besonders Kirchenferne sich für dieses Angebot interessieren und dieses als Chance sehen, das Thema Glauben für sich neu anzugehen, berichtet Sr. Hilmtrud Wendorff CJ. Die Schwester der Congregatio Jesu hat Anfang dieses Jahres die Betreuung der Online-Exerzitien übernommen. Sie koordiniert die Termine, übernimmt den Erstkontakt mit den Teilnehmer_innen und teilt diese zu den Begleiter_innen zu. (www.online-exerzitien.org) Erstmals Preis für ignatianische Pädagogik verliehen Erstmals ist der mit insgesamt 10.000 Euro dotierte Ferdinande-Boxberger-Preis für Ignatianische Pädagogik im Rahmen der „Tage der Ignatianischen Pädagogik“ im Heinrich Pesch Haus (HPH) verliehen worden. Die Preisträger sind Prof. James Arthur, Direktor des Jubilee Centre an der Universität Birmingham, und Julius de Gruyter, Kai Lanz und Jan Wilhelm, die die Anti-Mobbing-App „exclamo!“ entwickelt haben. James Arthur gründete 2012 das Jubilee Centre for Character and Virtues. Dieses Institut der Universität Birmingham entwirft in Zusammenarbeit von Pädagogen, Philosophen und Psychologen konkrete Modelle der Charakterbildung für Schulen und erforscht die Wirksamkeit unterschiedlicher Konzepte. Drei Abiturienten des Canisius-Kollegs in Berlin – Julius de Gruyter, Kai Lanz und Jan Wilhelm – haben im Rahmen eines Schulprojektes „business@school“ mit Boston consulting die Anti-Mobbing-App „exclamo!“ (lateinisch für Aufschrei) entwickelt. Mit ihrer Hilfe können sich gemobbte Schülerinnen und Schüler über Hilfeangebote orientieren. Mit dem Preis erinnert der Stifter des Preises, Friedrich Wilhelm Krekeler aus 25 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE © SJ-Bild Die neue Homepage der Online-Exerzitien.

Bonn-Bad Godesberg, an seine Mutter, Ferdinande Boxberger (1914-2014), und bringt die dankbare Verbundenheit seiner Familie mit der Ignatianischen Pädagogik zum Ausdruck. Der Ferdinande-Boxberger-Preis ist zweigeteilt: „Wir ehren einerseits die Lebensleistung von Personen, die sich in vorbildlicher Weise für Persönlichkeitsbildung im Sinne Ignatianischer Pädagogik eingesetzt haben. Und wir wollen durch den Preis Leuchtturmprojekte an den Schulen Ignatianischer Pädagogik fördern, die in besonderer Weise für die Ziele unserer Pädagogik stehen“, sagte Pater Johannes Siebner SJ, Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten. Jesuiten-Hochschule beruft erste Professorin Barbara Schellhammer wird die erste Professorin der Hochschule für Philosophie München (HFPH). Die 42-Jährige leitet ab dem 1. Oktober 2019 den neu geschaffenen Lehrstuhl für Intercultural Social Transformation, der mit Unterstützung des Jesuitenordens, dem Träger der Hochschule, errichtet wurde. Den Schwerpunkt ihrer Forschung und Lehre wird die philosophische Perspektive auf gesellschaftlichen Wandel, Kulturverlust und interkulturelle Fragen bilden. Der Lehrstuhl wird zunächst für fünf Jahre eingerichtet. „Mit dem neuen Lehrstuhl stärken wir die Interkulturelle Philosophie an der Hochschule“, erklärt HFPH-Präsident Johannes Wallacher. „Das Themenfeld ‚Intercultural Social Transformation‘ gewinnt in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung und Urbanisierung rasant an Bedeutung.“ Die neue Lehrstuhlinhaberin, Barbara Schellhammer, freut sich über die 26 JESUITEN n DEZEMBER 2019 n THEO:POESIE Provinzial Pater Johannes Siebner (rechts) gratuliert Preisträger Prof. Dr. James Arthur. © SJ-Bild © SJ-Bild/ Anette Konrad

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