Jesuiten 2020-1

10 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT SCHWERPUNKT Recht, als Ermutigung zum Sprechen „Das kriminologische Recht ist demokratisch, es nimmt die Gleichheit aller Menschen ernst und strebt nach einem WirVerhältnis, nach einem Ich und Du, nach einem Miteinander. Es ist mitbürgerlich und mitmenschlich.“ (Fritz Bauer, Jurist) Mandant*innen, die Gewaltdelikten und Sexualdelikten ausgesetzt waren, sind in ihrer Altersstruktur, ihrer Biografie, ihrem beruflichen und sozialen Alltag ebenso unterschiedlich, wie auch Art und Schwere der Tatfolgen uneinheitlich ausgeprägt sind. Es bestehen nach dem Erleben-müssen einer Straftat bei vielen Betroffenen Wünsche nach Vergeltung, Rache, Genugtuung durch Strafhaft oder möglichst hohe Schmerzensgeldzahlungen. Andere Betroffene wiederum hoffen auf eine Einsicht des Täters, Anerkennung ihres Leids, eine Erklärung des Tatmotivs und der Beweggründe, eine empathische Bitte um Verzeihung. Sie sehen primär das Ziel in einer Umkehr des Täters. Letztlich gibt es auch Mandant*innen, die aufgrund des erlittenen Verlusts und der Schwere der Tat nicht in der Lage sind, sich zu positionieren oder ein Ziel zu benennen und die sich apathisch zurückziehen in der Hoffnung, durch Vermeiden und Verdrängen überleben zu können. Was allerdings alle Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten eint, ist die erfahrene Machtlosigkeit und der Kontrollverlust zum Zeitpunkt der Tat. Der*Die Täter*in hat allein entschieden, ob, wann und auf welche Weise die Tat verübt wird. Der Betroffene hatte keine Handlungsoptionen. Damit einher geht auch lange nach der Tat eine große Angst vor einer erneuten Konfrontation mit dem Täter in einem Gerichtssaal, die Sorge, den Täter auch in Freiheit zufällig oder gezielt herbeigeführt wiederzusehen, das Gefühl der Ohnmacht erneut erleben zu müssen. Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren zahlreiche rechtliche Veränderungen vorgenommen, um auf die Bedürfnisse von Opfern von Straftaten angemessener eingehen zu können. Betroffene können während der Ermittlungen Akteneinsicht über einen Anwalt nehmen und vom Ablauf der Ermittlungen informiert werden. Es besteht das Recht, auch in der Hauptverhandlung als Nebenkläger aufzutreten, einen Anwalt während der Verhandlung Zeugen befragen und Anträge stellen zu lassen. Darüber hinaus können über den Rechtsbeistand auch Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche durchgesetzt werden.

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