Jesuiten 2020-1

Macht 2020/1 ISSN 1613-3889 Jesuiten

Titelbild: Bruno Kurz, Kobenhavn Spring 1 (2018) Mal scheint es, als ob die Farben miteinander um jeden Millimeter Platz streiten. Dann wieder sind es weite Flächen, die für Klarheit sorgen. Die Bilder in dieser JesuitenAusgabe stammen vom Karlsruher Künstler Bruno Kurz. Ausgehend vom klassischen Bildaufbau einer Landschaft entwickelt Bruno Kurz differenzierte und gegenstandfreie Farblandschaften von unglaublicher Leuchtkraft und Tiefenwirkung. Spannungsreiche Materialkombinationen wie Metallflächen, Hochglanz- und Harzschichten erzeugen verblüffende optische Eindrücke. Das klassische Wandbild wird so durch Lichtreflexe und Schichtungen zum pulsierenden lebendigen Farbraum. Überlagerungen, Unsicherheiten, Kontraste durchdringen sich – und nehmen sich gegenseitig wahr. Eine Auseinandersetzung mit der Ambiguität, der Vielschichtigkeit dieser Welt, bei der SchwarzWeiß-Denken nicht weiterführt. (brunokurz.de) Stefan Weigand Ausgabe März/2020 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 3 Den Wunsch nach Macht wahrnehmen 4 Neue Machtstrukturen durch soziale Medien und Digitalisierung 6 P astorale Macht im Kampf um das Wasser 8 Umgang mit Verantwortung und Macht im Jugendverband KSJ 10 Recht, als Ermutigung zum Sprechen 12 Kinder- und Jugendschutzkonzepte als Qualitätsmerkmal 14 Machtmissbrauch und Nähe 16 Ja, ich bin einer von denen 17 Professionalität statt Unbekümmertheit 18 Ignatius und der Gebrauch von Macht 20 Kinder an die Macht Geistlicher Impuls 22 Alltagsreflexion – Examen Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 28 Verstorbene Medien/Buch 29 Alfred Delp – Aufzeichnungen aus dem Gefängnis Vorgestellt 30 Trau dich, o Gesellschaft Jesu! 33 Die besondere Bitte 34 In dieser Ausgabe schrieben 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Möge die Macht mit Dir sein!“ – dieser Satz ist seit Dezember wieder häufig in deutschen Kinosälen zu hören gewesen. Nicht erst seit den „Star Wars“-Filmen ist klar, dass Macht etwas zutiefst Ambivalentes ist. Im Star Wars-Epos steht den JediRittern und Skywalkers die „dunkle Seite“ der Macht gegenüber. Während die ersteren das Universum zu einem freien und gerechten Ort machen wollen, versuchen Darth Vader und Co alles unter ihre Herrschaft zu bringen und auf die dunkle Seite zu ziehen. Die Ambivalenz und Vieldeutigkeit von „Macht“ wollen wir in diesem Heft zum Thema machen. Wir haben dafür Autorinnen und Autoren gewonnen, die eine Perspektive auf die Ausübung von Macht in verschiedenen gesellschaftlichen wie kirchlichen Bereichen eröffnen und auf die Botschaft Jesu zu diesem Thema reflektieren. Ein wachsamer Blick ist auch gefordert, wo technische Entwicklungen und die digitale Revolution neue Strukturen der Macht schaffen, und wir fragen, wie Menschen mit Führungsverantwortung mit dem Wunsch umgehen, Macht auszuüben. Schließlich wendet sich das Heft auch dem Thema zu, welche Konsequenzen der Machtmissbrauch in Werken der Jesuiten hat. Wir Jesuiten haben unsere Geschichte zu oft als Heldengeschichte erzählt und die dunklen Seiten nicht wahrgenommen. Wir müssen zugeben, dass wir unserem Anspruch, Menschen für Gott und für andere zu sein, nicht immer gerecht geworden sind. Einzelne Mitbrüder wurden zu Tätern und einige Mitglieder der Ordensleitung haben in ihrer Verantwortung versagt. Als Gemeinschaft sind alle Jesuiten gefordert, das Leid der Betroffenen ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören. Für die Zukunft dürfen wir nicht vergessen, was geschehen ist, und müssen uns darum bemühen, alles zu tun, damit Macht nicht mehr missbraucht wird. Ob dann „die Macht“ noch mit uns ist? Vielleicht weniger Macht und dafür mehr Segen! Claus Recktenwald SJ Sebastian Maly SJ Björn Mrosko SJ 1 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT

Den Wunsch nach Macht wahrnehmen Wenn von Macht die Rede ist, dann ist der Kontext eigentlich immer negativ. Es geht um Machtmissbrauch. Das gilt mittlerweile für so gut wie alle Bereiche des öffentlichen Lebens, nicht nur für die Wirtschaft, sondern ebenso für die Kirchen oder die Politik. Dass Macht einen so negativen Beigeschmack hat, hat Konsequenzen, und zwar auch bei vielen Führungskräften in obersten Positionen in Konzernen oder Familienunternehmen. Denn was für jeden von uns gilt, gilt natürlich auch für sie: Keiner von uns gesteht sich gerne ein, dass er neben seinen guten Eigenschaften auch einige schlechte hat. Man sieht sich selbst nicht gerne als jemand, der neidisch, geizig und missgünstig ist. Weil Macht auszuüben ebenso als eine schlechte Eigenschaft gilt, sieht man sich selbst nicht gerne als jemand, der Macht haben und diese Macht auch ausüben will. Und weil man sich selbst nicht gerne so sieht, nimmt man diese Seite seiner Persönlichkeit auch nicht gut wahr und ist sich gar nicht im Klaren über die Macht, die man hat und ausübt. Dabei ist Macht an und für sich weder gut noch schlecht. Ob die Macht gut oder schlecht ist, hängt davon ab, wofür und auf welche Weise die Macht gebraucht wird. Wenn Eltern ihre Kinder erziehen, dann üben sie Macht aus. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist dem Wesen nach ein Machtverhältnis. Daran nimmt normalerweise niemand Anstoß, denn man geht davon aus, dass die Eltern das Beste für die Kinder wollen und ihre Macht zum Wohle des Kindes einsetzen. Gefährlich sind weniger die Menschen, die sehr bewusst Macht anstreben und mit der Macht, die sie haben, umgehen können – auch wenn es in unserer Zeit erschreckend viele Beispiele für einen sehr bewussten Machtmissbrauch gibt. Problematischer sind diejenigen, die Macht haben, aber diese Macht und auch ihre Freude an der Machtausübung nicht richtig wahrnehmen. Das gilt für die Wirtschaft ebenso wie für die Politik. Und es gilt ganz besonders für die Führungskräfte in der Kirche. Im Selbstverständnis vieler kirchlicher Führungskräfte kommt Macht nicht vor. Sie denken von sich selbst, dass sie gestalten wollen, Verantwortung übernehmen oder dienen möchten. Aber es ist klar: Hinter all diesen wohlklingenden Formulierungen liegt im Kern der Wunsch nach Macht, also der Wunsch darüber (mit)entscheiden zu können, was andere denken, glauben, für richtig halten, fühlen oder tun sollen. Wer sich seiner Macht und seines Bedürfnisses nach Machtausübung bewusst ist, kann damit umgehen. Wer sich dessen nicht bewusst ist, richtet oft ohne es zu wollen großen Schaden an. Michael Bordt SJ 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT

© Bruno Kurz, Abendlicht 1 (2019)

SCHWERPUNKT 4 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT Neue Machtstrukturen durch soziale Medien und Digitalisierung In den letzten Jahrzehnten hielt die digitale Welt immer mehr Einzug in die analoge Welt. Vom Privatleben über die Arbeitswelt bis hin zu politischen Prozessen – die Digitalisierung unterzieht unsere alltägliche Welt einer tiefgreifenden Veränderung. Über die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland benutzt ein Handy, Tablet, Notebook oder einen PC. Tendenz steigend. Insbesondere das Kommunikationsverhalten sowie die alltägliche Informationsgewinnung haben sich durch die zunehmende Nutzung von digitalen und sozialen Medien stark gewandelt. Damit einhergehend wächst ebenso die massenhafte Erfassung von personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten. Einerseits durch den Prozess der Digitalisierung selbst, also das „Digital-Machen“ zu- © Bruno Kurz, Helios 2 (2019)

5 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT vor analoger Informationen, andererseits durch die Erhebung von Daten durch z.B. Standort- oder Bewegungsdaten aus mobilen Endgeräten wie den Smartphones. Hinzu kommt die Erfassung der diversen Nutzungsmöglichkeiten des Webs durch Suchmaschinen, Onlinemedien, Webseitenbesuche, finanzielle Transaktionen und weitere Dienste, die eine nahezu endlos scheinende Menge an personenbezogenen Daten generieren. Denn wer nutzt nicht gerne hilfreiche Apps, um sich den Alltag leichter zu machen? Zumal deren Dienstleistungen uns vermeintlich kostenlos zur Verfügung stehen. Diese massenhafte Erfassung von Daten, basierend auf der Preisgabe persönlicher Informationen wie Standortdaten, persönlichen Präferenzen, emotionalen Zuständen usw., folgt einer Methode, die Shoshana Zuboff in ihrem 2019 erschienenen Buch „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ als kommerzielles Geschäftsmodell beschreibt. Es basiert darauf, möglichst viel Wissen über den Konsumenten und sein Verhalten zu sammeln. Dabei ist die Möglichkeit der Beeinflussung in diesem Geschäftsmodell von vornherein eingeschlossen, wie beispielsweise durch Mirco-Targeting, Social Bots oder das Kreieren einer Flut von „FakeNews“. Was jedoch genau mit den Informationen geschieht, bleibt dem Einzelnen in der Regel verborgen. Wer weiß schon, wie eines der großen internationalen Tech-Unternehmen die eigenen Daten verwendet. Gerade diese neu auftretende Form asymmetrischer Wissensverteilung bezeichnet Zubhoff als neue Form sozialer Ungleichheit. Was die großen nicht-europäischen Unternehmen mit den gesammelten Daten machen, bleibt der breiten Öffentlichkeit indessen weiter vorenthalten. Dabei können sie den einzelnen Konsumenten digitaler Medien beeinflussen, aber ebenso ganze politische Systeme, wie vor kurzem der Skandal um die Firma Cambridge Analytica eindringlich zeigte, bei der eine App die persönlichen Daten von Millionen von Facebook-Nutzern gesammelt hat, um anschließend mit gezielten Botschaften die politische Meinung der Wähler zu manipulieren. So ändern sich die Machtverteilung und das Rechtsverständnis im Zeitalter der Digitalisierung nicht nur in Europa, sondern weltweit. Die Forderung nach einem verantwortungsvollen Umgang mit den Risiken der Datensammlung ist angebracht, um eine Gefährdung der demokratischen Grundwerte zu verhindern. Die Sicherheit der Daten ist zentral sowohl für den Schutz als auch für die Freiheit des Einzelnen. Demokratische Grundwerte müssen daher auch im Lichte der Digitalisierung unbedingt weitergedacht werden. Damit zukünftig die kritische Masse der Digitalisierung auch der kritischen Masse der Demokratie entspricht, bedarf es daher eines wachsamen Auges in der digitalen Welt. Cindy-Ricarda Roberts

6 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT Pastorale Macht im Kampf um das Wasser Während wir um den Küchentisch im Pfarrhaus sitzen und die nächsten Schritte im Kampf um gutes Wasser für alle planen, prasselt der Regen auf das Metalldach. Es ist paradox: Ich bin zu Gast in einer der fruchtbarsten Regionen des subtropischen Mexikos. Traditionell werden hier Bananen und Kakao angebaut, was dem Ort seinen Namen gab: Plátano y Cacao. Mangos wachsen am Straßenrand. Ein bekanntes Lied besingt Tabasco als den „Garten Eden“. Doch seit vor 50 Jahren die ersten Ölbohrungen in der Region begannen, sinkt der Grundwasserspiegel und der landwirtschaftliche Ertrag geht zurück. Statt aus eigenen Brunnen muss das Trinkwasser nun aufwendig aus dem Fluss gepumpt und gefiltert werden. Jetzt möchte die Regierung das örtliche Wasserwerk privatisieren. Viele erwarten eine teure und unzuverlässige Wasserversorgung. Die Menschen erleben ohnmächtig, wie innerhalb von zwei Generationen ihre Lebensgrundlage versickert, wie sich vorher unbekannte Krankheiten ausbreiten und wie sich einige wenige auf Kosten der anderen unglaublich bereichern. Gewalt und Korruption nehmen zu. In dieser Situation ist die katholische Kirche an der Seite der Armen: In den Räumen der Gemeinde werden schon seit vielen Jahren Informationen ausgetauscht, Menschen können ihre Beobachtungen teilen und Zusammenhänge benennen. Ein Jesuitenbruder bietet seit fünf Jahren eine Ausbildung an, um die Kenntnisse der einheimischen Bauern weiterzugeben. Er zeigt, wie Kompost hergestellt und Bewässerungsanalagen aus wiederverwerteten Materialien gebaut werden. Die Pfarrei hat mit europäischen Spenden pilotweise einen Wasserbrunnen mit Reinigungsanlage installiert. Eine Gruppe von Frauen bildet sich in medizinischen Fragen weiter und betreibt im Pfarrheim eine Naturheilpraxis und eine kleine Apotheke, zu der Menschen aus der ganzen Region kommen. Als vor fünf Jahren die Enzyklika „Laudato Si“ erschien, fühlten sich die Menschen in ihrem Anliegen weiter unterstützt. Papst Franziskus erinnert daran, dass der Mensch nicht beliebig in die Natur eingreifen darf, denn er würde sich eine Macht anmaßen, die ihm nicht zusteht. Die menschlichen Wurzeln der ökologischen Krise haben mit dieser Machtfrage zu tun, wenn nämlich die „Wirklichkeit in einen bloßen Gebrauchsgegenstand und ein Objekt der Herrschaft“ (12) verwandelt wird, weil jegliches Handeln unter der „absoluten Herrschaft der Finanzen“ (189) steht. „Die Politik darf sich nicht der Wirtschaft unterwerfen, und diese darf sich nicht dem Diktat und dem effizienzorientierten Paradigma der Technokratie unterwerfen.“ (189) Der Papst fordert eine Änderung der Lebensstile und eine Haltung der Achtsamkeit gegenüber den Schwachen und ermutigt zu einer authen-

tisch gelebten ganzheitlichen Lebensweise. Dies „könnte dazu führen, einen heilsamen Druck auf diejenigen auszuüben, die politische, wirtschaftliche und soziale Macht besitzen.“ (206) Die Jesuiten, die in der Pfarrei arbeiten, werden als unbestechliche und verlässliche Partner im Kampf für die Gerechtigkeit wahrgenommen. Sie haben eine pastorale Macht, insofern sie gut ausgebildet, unabhängig und vernetzt sind. Sie haben Kontakt zu Spendern in anderen Teilen Mexikos und in Europa. Sie wissen, wie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit funktioniert. Sie nutzen ihre Macht, damit Menschen handlungsfähig werden, sowie sich bilden und selbstbestimmt leben können. Ganz oft aber besteht ihre Macht nur darin, mit den Menschen zu sein und in den Situationen der Ohnmacht nicht wegzulaufen. Auch wenn das nicht leicht ist: Da mache ich gerne mit. Christian Modemann SJ 7 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT © Bruno Kurz, Korona 3 (2018)

Umgang mit Verantwortung und Macht im Jugendverband KSJ Partizipation - das bedeutet Mitbestimmung. In der KSJ (Katholische Studierende Jugend), einem Jugendverband mit Präsenz an den drei katholischen Gymnasien in Hamburg, ist dieser Wert besonders von Bedeutung. Durch Partizipation kann Raum zur Persönlichkeitsentwicklung geschaffen werden, sowie vor Leistungsdruck, Zwang und Machtmissbrauch geschützt werden. Dass dies nicht immer einfach ist, wissen wir aus unserer Vergangenheit als Jugendverband. Die KSJ ist strukturell auf allen Ebenen demokratisch organisiert, wodurch Machtmissbrauch verhindert werden soll. Bei uns beginnt Partizipation schon bei den jüngsten Gruppenmitgliedern, sei es bei Entscheidungen in den Gruppenstunden oder als Schüler*innen ab der 8.Klasse, die als sogenannte PIPs (primus inter pares) die Interessen des Jahrgangs vertreten. Bei regelmäßig stattfindenden Leitungstreffen werden nicht nur die Jugendlichen, die ehrenamtlich Wahlämter und damit Verantwortung und Macht übernehmen, sondern auch die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen gewählt. Durch diese Partizipation wird Macht auf alle verteilt. Trotz dieser demokratischen Strukturen wurde Macht in der Vergangenheit missbraucht. Partizipation geht einher mit der daraus entstehenden Macht, die falsch genutzt werden kann. In den letzten Jahren hat sich jedoch ein Bewusstsein bei uns Mitgliedern entwickelt, woraus das Motivations-Team entstanden ist. Dieses bekam den Arbeitsauftrag, sich intensiver mit dem Thema Partizipation und den daraus resultierenden Problemen in unserem Verband auseinanderzusetzen. Es entsteht immer mehr das Bewusstsein, dass Partizipation kein Selbstläufer ist, der vor Machtmissbrauch schützt. Es benötigt viel Arbeit, damit die Mitglieder sich ihrer Möglichkeiten, ihrer Verantwortung und ihrer daraus entstehenden Macht bewusstwerden. Erst dadurch kann Raum zur Entwicklung entstehen – eine Herausforderung für alle. Der voranschreitende Entwicklungsprozess wird durch die Präsenz des Themas innerhalb des Verbandes immer stärker deutlich. Vanessa Wicher SCHWERPUNKT 9 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT © Bruno Kurz, Late North (2020)

10 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT SCHWERPUNKT Recht, als Ermutigung zum Sprechen „Das kriminologische Recht ist demokratisch, es nimmt die Gleichheit aller Menschen ernst und strebt nach einem WirVerhältnis, nach einem Ich und Du, nach einem Miteinander. Es ist mitbürgerlich und mitmenschlich.“ (Fritz Bauer, Jurist) Mandant*innen, die Gewaltdelikten und Sexualdelikten ausgesetzt waren, sind in ihrer Altersstruktur, ihrer Biografie, ihrem beruflichen und sozialen Alltag ebenso unterschiedlich, wie auch Art und Schwere der Tatfolgen uneinheitlich ausgeprägt sind. Es bestehen nach dem Erleben-müssen einer Straftat bei vielen Betroffenen Wünsche nach Vergeltung, Rache, Genugtuung durch Strafhaft oder möglichst hohe Schmerzensgeldzahlungen. Andere Betroffene wiederum hoffen auf eine Einsicht des Täters, Anerkennung ihres Leids, eine Erklärung des Tatmotivs und der Beweggründe, eine empathische Bitte um Verzeihung. Sie sehen primär das Ziel in einer Umkehr des Täters. Letztlich gibt es auch Mandant*innen, die aufgrund des erlittenen Verlusts und der Schwere der Tat nicht in der Lage sind, sich zu positionieren oder ein Ziel zu benennen und die sich apathisch zurückziehen in der Hoffnung, durch Vermeiden und Verdrängen überleben zu können. Was allerdings alle Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten eint, ist die erfahrene Machtlosigkeit und der Kontrollverlust zum Zeitpunkt der Tat. Der*Die Täter*in hat allein entschieden, ob, wann und auf welche Weise die Tat verübt wird. Der Betroffene hatte keine Handlungsoptionen. Damit einher geht auch lange nach der Tat eine große Angst vor einer erneuten Konfrontation mit dem Täter in einem Gerichtssaal, die Sorge, den Täter auch in Freiheit zufällig oder gezielt herbeigeführt wiederzusehen, das Gefühl der Ohnmacht erneut erleben zu müssen. Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren zahlreiche rechtliche Veränderungen vorgenommen, um auf die Bedürfnisse von Opfern von Straftaten angemessener eingehen zu können. Betroffene können während der Ermittlungen Akteneinsicht über einen Anwalt nehmen und vom Ablauf der Ermittlungen informiert werden. Es besteht das Recht, auch in der Hauptverhandlung als Nebenkläger aufzutreten, einen Anwalt während der Verhandlung Zeugen befragen und Anträge stellen zu lassen. Darüber hinaus können über den Rechtsbeistand auch Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche durchgesetzt werden.

11 Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten eines Öffentlichkeitsausschlusses während der Vernehmung von Opferzeugen erweitert, ebenso wie die Vernehmung in Abwesenheit des Angeklagten oder über eine Video-Übertragung aus einem anderen Raum. Bei erheblichen Gewaltdelikten und Sexualdelikten wird der Rechtsanwalt über die Staatskasse vergütet, zudem besteht das Recht auf eine kostenfreie psychosoziale Prozessbegleitung. Die Angst, der Täter könnte erneut Macht ausüben, indem er mit Unwahrheiten Gehör findet oder den Betroffenen lächerlich machen könnte, ist dennoch groß. Darüber hinaus besteht auch Sorge vor möglichen Racheaktionen von Beschuldigten vor oder nach einer Verhandlung. Meist sind diese Befürchtungen objektiv unbegründet, diesen kann auch mit rechtlichen Absicherungen begegnet werden. Die Angst resultiert jedoch aus der real erlebten Ohnmacht während der Tat, die sich emotional fortsetzt. Das Aussprechen des Erlebten bei Dritten, sei es außergerichtlich bei Missbrauchsbeauftragten und Ombudsstellen oder offiziell bei Polizei oder Gericht, bricht die Macht des Täters/der Täterin, die vom Geheimnis lebt. Der*Die Täter*in kann nur so lange agieren, solange ihm die Gesellschaft hierzu Raum gibt. Dies gelingt nur, wenn Betroffene zum Schweigen gebracht werden, indem man ihnen keine Gelegenheit zum Sprechen gibt. Wie ein Verfahren konkret gestaltet wird, obliegt nach der Beratung allein der Entscheidung des Betroffenen. Damit verbunden ist auch eine Deutungshoheit über die eigene Geschichte. Manche Taten wirken derart monströs, dass man sich als Außenstehender nicht vorzustellen vermag, wie man als Betroffene*r danach weiterleben kann. Aber es obliegt dem*der Betroffenen zu definieren, ob und wie stark geschädigt er sich fühlt. Die Aberkennung des Rechts auf ein gutes Leben kommt einem erneuten Übergriff gleich. Tatsächlich hat nicht nur der Beschuldigte/Angeklagte ein Recht auf Resozialisierung, auch das „Opfer“ darf sich von ebendieser Bezeichnung abwenden und als Überlebender einer schweren Straftat das Überleben in den Mittelpunkt stellen. Er/Sie hat ein Recht auf einen Alltag, in dem die Tat nicht zu vergessen ist, aber den es dennoch zu leben lohnt. Katja Ravat JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT

SCHWERPUNKT Kinder- und Jugendschutzkonzepte als Qualitätsmerkmal Die öffentliche Wahrnehmung der Arbeit kirchlicher Einrichtungen und die Glaubwürdigkeit im Punkto Kinder-und Jugendschutz wird bis heute überschattet von neuen Berichten erwachsener Betroffener, die in ihrer Kindheit/Jugend in kirchlichen Einrichtungen sexuellen Missbrauch erlebt haben. Seit 2010 sind jedoch vielfältige Maßnahmen getroffen und umgesetzt worden. Für die Umsetzung braucht es Menschen, die sich in einem Bereich engagieren, der im Alltag oft auf große Widerstände trifft. Hier bedarf es mutiger, engagierter Menschen, die sich bewusst darauf einlassen und sich für den aktiven Schutz von Kindern, Jugendlichen und besonders verwundbaren Menschen einsetzen. Die Offenlegung eines sexuellen Missbrauchs in einer Institution erschüttert diese zutiefst. Schnell wollen viele Menschen, die nicht betroffen sind, zum normalen Alltag zurückkehren. Sie verschließen sich den notwendigen Veränderungen und der Reflexion darüber, wie das alles geschehen konnte. Dies wird aber von den betroffenen Menschen und ihren Familien, als erneute Verletzung empfunden. Um Schutzkonzepte zu erstellen, braucht es eine Gruppe von Menschen, die durch das gemeinsame Anliegen ihre Einrichtung, zu einem sicheren Ort zu machen verbunden sind und eine gemeinsame Haltung haben. Nur das gemeinsame Anliegen eine gesetzliche Auflage zu erfüllen, reicht in diesem Fall nicht aus, sondern produziert eher Widerstände. Dabei geht es in einem ersten Schritt darum den Schutz- und Handlungsauftrag kirchlicher Einrichtungen in den Blick zu nehmen und sich seiner zu vergewissern. Er ordnet sich ein in den gesamtgesellschaftlichen Schutzauftrag, Kinder und Jugendliche insbesondere vor sexualisierter Gewalt zu schützen und sensibel dafür zu sein, dass diese auch außerhalb von kirchlichen Einrichtungen unterschiedliche Formen der Gewalt erleiden können. Die gesetzlichen Grundlagen dieses Schutzauftrages sind die UN- Kinderrechtskonvention, das Kinder- und Jugendhilfegesetz im und das 2012 verabschiedete Bundeskinderschutzgesetz. Darüber hinaus regeln die Ordnungen der Deutschen Bischofskonferenz die Prävention und Intervention von Verdachtsfällen in den Diözesen und Orden. Der präventive Ansatz der katholischen Kirche heute ist eine Grundhaltung, welche die Rechte von Kindern und Jugendlichen achtet, aktiv fördert und durchsetzt. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche auch heute noch Formen der physischen, der psychi12 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT

13 schen, der sexuellen Gewalt und der Vernachlässigung in ihrem Alltag ausgesetzt sind. Deshalb berücksichtigen kirchliche Schutzkonzepte unterschiedliche Perspektiven und setzen diese Grundhaltung voraus, damit sie umfassend wirken können. So bilden sie eine Basis zur Wahrung der Rechte und der Würde von Kindern und Jugendlichen. Die Prävention sexualisierter Gewalt ist keine in sich geschlossene Form der Gewaltprävention, die ein weiteres von unterschiedlichen Kinder- und Jugendschutzkonzepten ist, sondern sie ist ein Querschnittsthema, welches die pädagogische Arbeit aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick nimmt. Darüber hinaus fördern sie die Sensibilität für Formen des Machtmissbrauches und der strukturellen Gewalt. Beispiel eines solchen multiperspektivischen Schutzkonzeptes ist das Konzept, welches für die katholischen Schulen des Erzbistums Hamburg erstellt wurde. Grundsätzlich geht es darum, zum einen alle Kinder und Jugendlichen zu schützen, zum anderen aber auch Einrichtungen wie zum Beispiel Kitas, Schulen, Pfarreien, Jugendverbände etc. zu sicheren und kompetenten Orten auszubilden, an denen: • die Sprachfähigkeit über sexualisierte Gewalt hergestellt wird • pädagogische Mitarbeiter*innen, Leh- rer*innen und Führungspersonal sensibilisiert sind für alle damit verbundenen Themen • es Verfahrenswege, Interventions- und Hilfsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche gibt, die in unterschiedlicher Weise betroffen sein können • Verantwortliche multiprofessionell und multiperspektivisch Kindeswohlgefährdungen erkennen und darauf adäquat reagieren können • das Vorhandensein eines Schutzkonzeptes ein verbindlicher Qualitätsstandard ist • Formen der strukturellen Gewalt und des Machtmissbrauches adressiert werden • eine Kultur der Achtsamkeit ausgebildet wird In der Regel haben kirchliche Einrichtungen bereits Gewaltschutzkonzepte und Regeln, wie bei Hinweisen umgegangen werden muss. Es kommt darauf an, diese zu verzahnen, denn aufeinander abgestimmte Verfahren ermöglichen eine höhere Handlungssicherheit und einen erhöhten Schutz. Stellt man die Schutzkonzepte in diesen umfassenden Zusammenhang und gibt es darüber hinaus Menschen, die sich in der gemeinsamen Haltung und dem gemeinsamen Anliegen verbünden, werden die Schutzkonzepte zu einer Entlastung im Alltag und zu einem Qualitätsmerkmal kirchlicher Einrichtungen. Mary Hallay-Witte JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT

14 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT SCHWERPUNKT Machtmissbrauch und Nähe Missbrauchsbetroffene berichten mir in den letzten Jahren, dass sie sich doppelt bestraft fühlen, wenn Seelsorger ihnen Nähe verweigern, weil sie selbst nun in der Aufarbeitung von Machtmissbrauch „Nähe“ grundsätzlich unter Verdacht stellen und auch nicht mehr zulassen, wenn diese von Betroffenen gewünscht wird. Betroffene verlieren so nach dem Missbrauch in der Nahbeziehung auch noch die Chance, wieder in gute Nahbeziehungen hineinzukommen, wenn sie diese wollen. Das erleben sie als zweite Bestrafung – nach der Ausgrenzung durch den Missbrauch. Ich halte es für den falschen Weg, wenn kirchliche Seelsorgerinnen und Seelsorger, insbesondere Priester, aus dem Missbrauch die Konsequenz ziehen, eine Distanz-Kultur aufzubauen, die Nahverhältnisse zu ihnen nicht mehr zulässt. Wenn sich ein Kind, das Heimweh hat, weinend in meine Arme wirft, werde ich es nicht zurückstoßen. Das Kind in Not darf mein Herz anrühren. Nähe zulassen ist mehr als professionell helfen, so unerlässlich Professionalität ist. Es gibt eine Nähe, die möglich ist, ohne dabei die Regeln zu verletzen, die in asymmetrischen Nahverhältnissen unbedingt zu gelten haben. Gott sucht die Nähe zur Menschheit. Das bedeutet auch: Gott sucht berührbare Nähe, beginnend in der Nahbeziehung des Säuglings in Bethlehem im Schoß Mariens. Die körperliche Nähe selbst ist schon ein „Sagen“ Gottes vor allen Worten. Sie ist das Evangelium, bevor es gepredigt wird. Gott spricht durch größtmögliche Nähe. Die Nähe des menschgewordenen Gotteswortes (vgl. Joh 1,1) hört nicht mit Tod und Auferstehung Jesu auf. Es bleibt mehr da als nur die Botschaft eines prophetischen Gottes-Sohnes, die in kanonischen Schriften festgehalten ist. Vielmehr ist die Kirche selbst „in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes ähnlich.“ (Lumen Gentium 8, 2. Vatikanisches Konzil). Sie repräsentiert in ihrer sozialen, berührbaren Realität die Nähe Christi zu seinem Volk mitten in der Welt. Wie kann da die Abwehr von Nähe zum Gestus von kirchlichen Seelsorgern werden, wenn Menschen mit ihrer Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit bei ihnen anklopfen? Wenn das die Konsequenz von „Prävention“ wäre, dann hätte der Machtmissbrauch auch über die guten Nahverhältnisse gesiegt, die lebensnotwendig und manchmal sogar lebensrettend sind. Doppelte Bestrafung eben.

Es gibt auch nach dem Missbrauch ein gutes Leben in Nahverhältnissen, auch in seelsorglichen. Diese prinzipiell unter Verdacht zu stellen ist theologisch falsch. Die Sehnsucht nach Nähe ist auch die Sehnsucht Christi: „Mit großer Sehnsucht habe ich mich danach gesehnt, das Paschalamm mit euch zu essen.“ (Lk 22,15) Mit der Missbrauchserfahrung im Rücken lassen sich die Geister allerdings besser unterscheiden: Achtsame Nähe von unachtsamer Nähe; achtsame Distanz von unachtsamer Distanz; Distanz, die Nähe ermöglicht, von Distanz, die mit Gewalt zurückstößt; Nähe, die Distanz zulässt, von Nähe, die keine Distanzen erträgt. Das ist dann auch geradezu ein Programm, um angemessen von Gott zu sprechen – und von Christus als seinem Bild und zugleich dem Urbild des achtsam kommunizierenden Menschen. Klaus Mertes SJ 15 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT © Bruno Kurz, Nordierscher Abend (2019)

Ja, ich bin einer von Denen Als im Canisius Kolleg 2010 die Missbrauchsfälle aufgedeckt wurden, war ich als Jugendseelsorger in Hamburg. Sehr schnell wurde damals klar, dass es auch an unserer Schule zu sexuellem Missbrauch gekommen war. An einem dieser Tage stellte sich mir eine kleine Gruppe von Jungs in den Weg und begrüßte mich mit dem Satz: „Sie sind doch auch einer von Denen!“ Das war damals für mich ein Schlag in die Magengrube, aber heute bin ich fast dankbar dafür. Denn darin liegt auch einiges an Wahrheit. Ja, ich bin einer von Denen. Ich bin wie die damaligen Missbrauchstäter Jesuit. Wie die meisten anderen Jesuiten bin ich nicht schuldig am Missbrauch, aber als Gemeinschaft tragen wir eine Verantwortung dafür was geschehen ist und dass so etwas nicht wieder geschieht. In den letzten zehn Jahren haben Menschen in der Kirche viel Verantwortung gezeigt und ihre Weise mit Menschen zu arbeiten überdacht. Andere waren für Betroffene Ansprechpartner und haben zugehört. Wieder andere haben sich eingesetzt um das Thema Kindesschutz weltweit in der Kirche zu verankern. Die Frage ist: Reicht das? Hier gehen die Meinungen auseinander. Auf allen Seiten gibt es eine Müdigkeit, nach so vielen Jahren immer noch mit diesem schmerzhaften Thema beschäftigt zu sein und den Eindruck zu haben, nicht vom Fleck zu kommen. Als Jesuiten werden wir wohl nie alle Forderungen erfüllen können, dazu ist das geschehene Unrecht zu groß. Aber wir müssen ganz sicher unser Selbstverständnis in Frage stellen zu lassen. Ich sehe darin für uns auch die Chance zu einer echten Bekehrung. Ich bin vor 14 Jahren in den Orden eingetreten – in einen Orden mit einer unglaublich reichen und tiefen Spiritualität. Irgendwann ist mir klargeworden, dass es neben den Idealen unserer Spiritualität eine Ordenskultur gibt mit weiteren oft unbewussten Idealen, die manchmal nicht mit dem Evangelium konform sind. Beim Hineinwachsen in den Orden werden wir Jesuiten über die Jahre stark geprägt. Das gilt in positiver und leider auch in negativer Hinsicht. Der Prozess ist schleichend, aber genau hier beginnt auch die Verantwortung. Gegen manche Dinge braucht es Bewusstwerdung und Widerstand. Der Umgang mit Macht ist in unserem Orden geprägt von solchen bewussten und unbewussten Idealen. Viele Jesuiten haben durch ihre Aufgabe, dem Priestertum und durch ihre Netzwerke Macht über andere Menschen. Diese sollen sie einsetzen im Dienst und zum Wohl der Menschen. In diesem Sinn ist sie auch etwas Gutes. Macht an sich soll dagegen nie angestrebt werden. Diese wichtige Unterscheidung kann leicht verschwimmen. In einer Männergemeinschaft kann Macht gebraucht werden, um die Rangfolge abzustecken. Ich-Stärke, die auch eine Frucht der ignatianischen Exerzitien ist, kann zu einem „sich-durchsetzen“, um jeden Preis verkommen. Die Folge ist Vereinzelung und Individualismus. Machtmissbrauch und im speziellen sexueller Missbrauch ist komplex. Es braucht eine Verkettung von Umständen, um ihn zu ermöglichen. Wir müssen diese Punkte aufspüren, an denen unsere Spiritualität eine offene Flanke zu unbewussten Idealen und Handlungsweisen zeigt. Das ist der geistliche Anteil der Verantwortung, die wir tragen. Claus Recktenwald SJ 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT

Professionalität statt Unbekümmertheit Für die Kinder und Jugendlichen, die mir anvertraut sind, habe ich eine große Verantwortung. Einer der Hauptmissbrauchstäter am Canisius-Kolleg vor 40 Jahren war einer meiner Vorgänger. Mir ist bewusst, dass meine Position als Geistlicher Leiter der außerschulischen Jugendarbeit am Canisius-Kolleg nicht nur diese geschichtliche Bürde trägt, sondern, dass in meiner alltäglichen Arbeit ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Kindern und Jugendlichen und mir besteht. Diese asymmetrische Beziehung hat dieser Vorgänger missbraucht. Ich weiß, dass ich als Erwachsener immer der Mächtigere bin. Dieses Bewusstsein prägt mein Verhalten in meiner alltäglichen Arbeit. Ich mache heute Jugendarbeit mit einem anderen Bewusstsein als vor 2010. Es ist in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich keine Jugendlichen mehr auf die Schulter klopfe, dass ich darauf achte, nie allein mit einem Minderjährigen in einem verschlossenen Raum zu sein – außer dieser hat eine Glastür. Meine geistlichen Gespräche führe ich z.B. bei unseren Jugendexerzitien nicht im Zimmer, sondern bei einem Spaziergang draußen. Die Unbekümmertheit in meiner Arbeit ist einer gewissen Professionalität gewichen. Diese gibt mir eine Sicherheit im Umgang mit ihnen, die neue Freiräume schafft und mir die Möglichkeit gibt, das zu thematisieren, was sich vor Jahrzehnten in unseren Räumlichkeiten abgespielt hat. Ich habe akzeptiert, dass durch diese Vorfälle meiner Spontaneität, durch eine permanente Reflexion über mein Verhalten gegenüber den Minderjährigen, Grenzen gesetzt sind und zugleich fühle ich mich von der ständigen Sorge entlastet, mich missverständlich zu verhalten. Ich bin den Eltern dankbar, dass sie trotz der Missbrauchsfälle der Vergangenheit, uns Jesuiten ihre Kinder anvertrauen. Das ist keine Selbstverständlichkeit und wir Jesuiten sehen darin eine größere Verpflichtung, das Kindeswohl zu schützen. Ich möchte Minderjährige stark und sprachfähig machen. Sie sollen Übergriffe schon beim Versuch als solche erkennen, Nein sagen können und wissen, wo sie Hilfe finden können. Jugendarbeit ist immer auch Beziehungsarbeit. Deshalb ist ein wesentliches Element in unserer Ausbildung der Gruppenleiter*innen das angemessene Verhalten gegenüber den Kindern. In einem guten Nähe-Distanz-Verhältnis dürfen Zuwendung und Zuneigung nicht verweigert werden, z.B. wenn sich ein Kind das Bein aufgeschlagen hat und weinend Trost sucht. Die Gruppenleiter*innen dürfen aber nicht von sich aus Zuneigung initiieren und aufdrängen. Diese feinfühlige Resonanz ist die Leitlinie für unseren Umgang mit Schutzbefohlenen. Mir tut weh, zu wissen, dass durch den (sexualisierten) Machtmissbrauch, die Frohe Botschaft, die wir verkünden wollen, verdunkelt wurde und dass immer noch Einiges aufzuklären und aufzuarbeiten ist. Auch Strukturen müssen überprüft und wo nötig, verändert werden. Dabei treibt mich die Frage um, ob ich als katholischer Priester und Repräsentant der Kirche an einer Aufrechterhaltung von Strukturen beteiligt bin, die Machtmissbrauch, Ungerechtigkeit und Herrschaftsausübung begünstigen. Felix Schaich SJ 17 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT

18 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT Ignatius und der Gebrauch von Macht Nach Ignatius von Loyola ist der Ordensmann ein ganz bescheidener, demütiger, gehorsamer Diener der Kirche. Andererseits hat Ignatius einen strengen Leitungsstil eingeführt, der immer „monarchisch“ ist, d.h. es entscheidet einer. Der Ordensmann, der gerade ein Oberenamt bekleidet, hat also im Grunde sehr viel Macht. Wie geht das zusammen? Allgemein gesagt, bedeutet Macht auszuüben, dass jemand seinen Willen auch gegen den Willen des anderen durchsetzen kann. Nun will der treue Jesuit andererseits verfügbar sein, d.h. er macht sich bereit, sich dahin senden zu lassen, wo man ihn braucht. In einem gewissen Maß verzichtet er also darauf, seinen eigenen Willen erfüllt zu bekommen; im Gegenteil: Er lässt andere über sich verfügen. Wenn daher ein Oberer ihn sendet, braucht dieser im Grunde gar keine Macht auszuüben, denn er muss ja nichts durchsetzen gegen den Willen des anderen. Es geht also weniger um Macht, sondern um diese Verfügbarkeit, man kann sie auch innere Freiheit nennen – ein hohes Ideal, um das wir Jesuiten ein Leben lang ringen müssen. Gegen zu viel Macht der Oberen gibt es nach Ignatius außerdem strukturelle Gegengewichte: Obere werden häufig ausgewechselt – wer einige Zeit „oben“ war, ist danach wieder „unten“. Jeder Obere muss sich durch einen „Konsult“ – ein Beratungsgremium – hinterfragen und helfen lassen. Gute und offene Kommunikation aller Beteiligten ist mit klaren Regeln eingeführt. Gegen Entscheidungen hat man immer die Möglichkeit der Beschwerde. Diese Gegengewichte helfen zum Umgang mit der Macht: Ja, es gibt in Gemeinschaften immer Macht, aber sie kann gut und zum Wohl aller ausgeübt werden. Und nach außen? Man sagt den Jesuiten eine Nähe zu Mächtigen nach. Ja, Ignatius wollte in seiner Bildungsarbeit – durch Schulen und Universitäten – eine Elite bilden, also Männer (Frauen damals leider noch kaum), die verantwortlich handeln und Führung übernehmen in Kirche und Gesellschaft. Diese Elite hat dann Macht. Aber Ignatius wollte diese Männer immer so bilden, dass sie ihre Macht gut ausüben: mit Respekt gegenüber Untergebenen, für das Wohl aller Menschen, für die Gerechtigkeit. Übrigens stellte auch die Beratung der Mächtigen von Anfang an eine wichtige Aufgabe der Jesuiten dar: an den Höfen der Barockzeit ebenso wie heute an vielen Orten durch ethische Reflexion, durch Wissenschaft, durch Schulungen. Hier gelten dieselben christlichen Grundwerte: die Würde aller, der Einsatz für Glaube und für Gerechtigkeit, für Friede und für die Bewahrung der Schöpfung… Nur wer seine Macht so gebraucht, kann nach Ignatius mit ruhigem Gewissen seinen Auftrag erfüllen.

Ignatius selbst lehnte, als er zum Generaloberen gewählt wurde, dieses Amt für sich ab. Erst nach langem Drängen der Mitbrüder übernahm er es. 16 Jahre lang leitete er den schnell wachsenden und bald sehr einflussreichen Orden. Ignatius war eine komplexe Persönlichkeit: in seiner Machtausübung streng und fordernd, zuerst mit sich selbst, dann mit anderen, gleichzeitig aber immer persönlich bescheiden und sehr gütig. Macht hat er nie für sich gebraucht, sondern er hatte nur das Wohl anderer im Blick. Sich selbst schonte er nicht. Er war immer tief mit Gott verbunden und zugleich den Menschen ganz zugewandt. Stefan Kiechle SJ 19 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT © Bruno Kurz, Sturm Nord 2 (2019)(2019)

© Bruno Kurz, Wintersonne 1 (2020)(2019)

Kinder an die Macht Wenn Jesus nach der Macht gefragt wird, stellt er ein Kind in die Mitte. Das ist schon im ältesten Evangelium so. Der „Rangstreit der Jünger“ ist die Perikope im Markusevangelium überschrieben, aber der Titel trifft es nicht ganz. Die Jünger unterhalten sich darüber, wer der Größte von ihnen sei, und als Jesus das mitbekommt, stellt er ihnen einfach ein Kind in die Mitte. Das „Kind in der Mitte“ passt als Überschrift besser, oder freier: „Kinder an die Macht!“. Der Rang einer Person ließ sich in der antiken Gesellschaft – wie bei öffentlichen Versammlungen auch heute noch – daran ablesen, welchen Platz man ihr zuwies: Wer für bedeutend gehalten wurde, hatte einen oberen Platz, da, wo die Musik spielt. Wer als unbedeutender galt, einen weiter unten oder hinten, wo man nichts mehr sehen kann, und Bedeutungslose wurden gar nicht erst eingeladen. In Qumran saßen die Priester an erster Stelle, die Ältesten an zweiter und dann kamen alle übrigen, das gemeine Volk. Aber die Rangfolge bedeutete auch Gehorsam, oft genug Unterwerfung der Rangniedrigeren unter den Willen des Ranghöheren. Jesus stellt ein Kind an den ersten Platz. Wenn es seinen Jüngerinnen und Jüngern um die Macht untereinander geht, weist Jesus sie mit Wort und Zeichen an, Sklave, Dienerin oder Letzter zu werden. Deshalb stellt Jesus das Kind in die Mitte, und er segnet die Kinder als sinnfälliges Zeichen, dass sie in der gerechten Welt Gottes zu den Ersten gehören. Im Matthäusevangelium steht das Kind in der Mitte am Beginn einer Gemeindeordnung (Mt 18). In der Gemeindeordnung gibt es keine Ämter, die die verschiedenen Ränge regeln würden. Das Kind in der Mitte ist der Schlüssel für die neue Machtverteilung in der Gemeinde: „Amen, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen. Wer so gering wird wie dieses Kind, wird im Himmelreich am größten sein. Wer ein solches Kind meinetwegen aufnimmt, nimmt mich auf.“ „Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder“, das ist oft spiritualisiert worden. Dabei sind große Theologien der Kindheit herausgekommen. Hans Urs von Balthasar hat von der Kindlichkeit als dem „innersten, mysterialen Wesen der Kirche“ gesprochen. Seine Gedanken dazu lassen sich schön lesen: „Wir alle bleiben dem Gotteswort gegenüber Kinder, die nicht alles bis auf den Grund verstehen, und haben uns deswegen zu hüten, unser Unverständnis als die objektive Grenze in der Aufnahme der verkündeten Lehre einzusetzen. In der Schule haben die Kinder dauernd Dinge zu lernen, die sie noch nicht wissen.“ Aber solche Spiritualisierung des Kindseins birgt die Gefahr, Menschen nicht in die Mündigkeit zu entlassen. Eine Gefahr, die schnell in den Missbrauch der Macht durch die übergeht, die sie besitzen. Jesus fordert aber nicht zu Unschuld und Naivität auf, sondern dazu, Machtansprüche über Andere aufzugeben. Kinder an die Macht! Ansgar Wucherpfennig SJ SCHWERPUNKT 21

JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT Alltagsreflexion – Examen Beim Examen – so nannte Ignatius dieses Gebet der Achtsamkeit und Tagesreflexion – wird zweimal pro Tag für 5 bis 7 Minuten der Alltag unterbrochen (mittags und abends vor dem Schlafengehen). Ich blicke in dieser Meditationszeit auf den Tag und überprüfe, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Um wirken zu können, sollte diese Übung ritualisiert und – wie etwa Zähneputzen – fester Bestandteil meines Tagesablaufs werden. Das folgende Schema lässt sich leicht an den fünf Fingern einer Hand merken und gibt eine klare Struktur: 1. Sich in Gottes Gegenwart stellen: Ich nehme mir vor, mei- nen Tag mit den Augen Gottes zu betrachten und nicht nur meiner Perspektive Raum zu geben. Ich kann mir auch die Gegenwart eines guten Freundes oder Freundin vorstellen. 2. Dem Gelungenen und Positiven Raum geben: Der Tag, an dem ich gerade gelebt habe, ist ein Geschenk Gottes. Ich nehme wahr, wofür ich besonders dankbar bin und schaue dazu bei allen positiven Gefühlen und Empfindungen etwas genauer hin. Ich mache das konkret: Gibt es drei Dinge, die heute positiv bzw. schön waren, für die ich dankbar sein kann? Ich überlege bzw. notiere, wie ich dazu beigetragen habe. Für diesen Teil der Übung lasse ich mir Zeit. 3. Tagesrückblick: Ich schaue Schritt für Schritt auf den gerade beendeten Tag zurück und lasse mich dabei vom Heiligen Geist leiten und führen. Positives und auch Negatives, Wichtiges und scheinbar Unwichtiges nehme ich gleichermaßen und nicht wertend wahr. Von nichts lasse ich mich gefangen nehmen. Am Ende frage ich mich: Was klingt auch jetzt noch nach? Was treibt mich „im Hintergrund“ an? Schließlich erzähle ich Gott aus meiner Perspektive, was wichtig und neu war. 4. Ich stelle mich meinen Fehlern: Ich schaue ehrlich darauf, was falsch gelaufen ist, und nehme mir einen machbaren Schritt zum Besseren vor. 5. Vorausschau: Was wird morgen auf mich zukommen? Ich frage, wo ich Gott am nächsten Tag brauche. Ich lasse los und lege alles, was mich bewegt, in Gottes Hände. 22 GEISTLICHER IMPULS © Zentrum für Ignatianische Pädagogik Bestellbar zum Stückpreis von 0,50 Euro beim Zentrum für Ignatianische Pädagogik E-Mail: zip@heinrich-pesch-haus.de

23 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT ALLTAGSREFLEXION – EXAMEN Den Alltag reflektieren Erfahrungen Raum geben Bewusst leben

NACHRICHTEN 24 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT Neues aus dem Jesuitenorden Marx: Kirche darf nicht um sich selbst kreisen Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat vor einer Kirche gewarnt, die nur um sich selbst kreist. „Nur, wenn wir vom Geheimnis Gottes ausgehen, finden wir Lösungen für die Probleme, die Krisen, die Katastrophen der Welt“, sagte Marx Anfang Februar bei einem Gottesdienst in München. Damit wurde an die Hinrichtung des dort wirkenden Jesuitenpaters Alfred Delp durch die Nationalsozialisten vor 75 Jahren erinnert. Sich in der Spiritualität zu verankern, sei auch aktuell eine wichtige Basis für den Reformdialog Synodaler Weg, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Wenn in der jetzigen Umbruchs- und Krisenzeit nach dem Auftrag der Kirche gefragt werde, könne Delps Appell zur Diakonie, also zum Dienst am Menschen, wichtig sein, so der Erzbischof von München und Freising. „Eine Kirche, die ihr Anliegen sieht bei den Wunden der Welt, um den Heilswillen Gottes zu verkünden“, sei die Kirche der Zukunft. Marx erinnerte auch an Delps Mahnung, wonach Christen den „Skandal der Trennung der Christen“ nicht hinnehmen. „Das ist ein Impuls für uns, nicht zu ruhen, aufeinander zuzugehen, dass die Gesamtheit und Einheit der Christen in unserem Zeugnis deutlich wird.“ Neujahrsempfang: Der Neue kommt gut an „Eine gelungene Veranstaltung“, urteilten die etwa 60 Freund*innen der Jesuiten, die sich zum Neujahrsempfang des ‚Freunde der Gesellschaft Jesu e.V.‘ in St. Michael in München eingefunden hatten. Alle waren gespannt, in P. Johann Spermann SJ den neuen Provinzökonomen hautnah kennenzulernen. Der gelernte Psychologe, der aus dem oberbayerischen Marktl am Inn stammt, beantwortete bereitwillig die Fragen, die ihm Gastgeber P. Martin Stark SJ, der Vorsitzende des Freunde e.V., stellte. Innerhalb einer guten Stunde erfuhren die Zuhörer, dass Spermann trotz seiner mit vielen Aufgaben beladenen neuen Funktion als „Finanzminister“ des Jesuitenordens in Deutschland, der Seelsorge immer den Vorrang geben will. In seiner neuen Aufgabe in der Zentralverwaltung des Jesuitenordens sieht sich Spermann mit mehreren Herausforderungen konfrontiert: Die Altersstruktur der Gemeinschaft, die gekoppelt ist mit der Frage, für welche Institutionen der Orden noch Verantwortung tragen kann und soll. Er verschwieg dabei nicht, dass er für diverse Projekte und die Grundfinanzierung von verschiedenen Einrichtungen eine Summe von 1,8 Millionen Euro jährlich aus Spenden benötigt. Schwerpunkte sind dabei einerseits die Sorge um die älter werdenden Mitbrüder und andererseits die Bildung als eine der tragenden Säulen

des jesuitischen Auftrags. Angesichts der dünnen Personaldecke, der wenigen Berufungen und des gesellschaftlichen Umbruchs setzt Spermann auf Kreativität. Den Anfang macht die Kita Die Planungen für die Heinrich-PeschSiedlung schreiten voran. Im Mai soll der Bebauungsplan im Stadtrat beschlossen werden, Ende des Jahres können dann die Erschließungsarbeiten beginnen. Als erstes Gebäude ist eine Kita geplant. Der Zeitplan ist „sportlich, aber machbar“, sagen die Projektmanager Ernst Merkel und Dr. Michael Böhmer. „Die Heinrich-Pesch-Siedlung steht im Geiste. Jetzt muss Rechtskraft geschaffen werden“, sagt Ernst Merkel. Für ihn und Dr. Michael Böhmer ist die geplante Heinrich-Pesch-Siedlung mit 550 Wohnungen für bis zu 1.500 Menschen ein „Leuchtturmprojekt“. Dazu trägt nicht nur die Mischung aus Miet- und Eigentumswohnungen für alle gesellschaftlichen Schichten und Generationen bei, sondern auch das soziale Konzept. Jeweils ein Viertel der Wohnungen ist für einkommensschwache Haushalte und Gutverdienende vorgesehen. Ein Begegnungshaus, ein Tante-Emma-Laden und ein Café, die sich um einen zentralen Platz gruppieren, sollen das Miteinander der Bewohner*innen fördern. Die Planer haben die Siedlung bis ins letzte Detail konzipiert. Thomas-Akademie am Vorabend des Synodalen Weges „Kritische Zeitgenossenschaft“ – diese Eigenschaft bescheinigte der Limburger Bischof Dr. Georg Bätzing dem heiligen Thomas von Aquin in seiner Predigt am 29. Januar 2020 anlässlich der alljährlichen „Thomas-Akademie“ in der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Am Vorabend der Eröffnung des Synodalen Weges im Frankfurter Bartholomäus-Dom sei diese Eigenschaft ein Vorbild für alle, die sich in Deutschland um die Zukunft © SJ-Bild/Schmitt P. Johann Spermann SJ (r.) stellte sich den Fragen von P. Martin Stark SJ (l.).

der Katholischen Kirche sorgen. Doch auch einer kirchlichen Hochschule stehe diese Eigenschaft gut an; denn „kritische Zeitgenossenschaft“ sei ein wesentliches Kennzeichen guter Theologie. Dies bedeute nicht, dass Theologie und Kirche immer schon genau wüssten, wie von Gott zu reden und in der Welt zu handeln sei. Schon bei Thomas sei diesbezüglich eine kluge Zurückhaltung – der Bischof sprach von „Vorbehaltlichkeit“ – zu spüren. Denn Gott sei immer größer als alles, was Menschen über ihn zu denken imstande sind. Bei der Eucharistiefeier in der vollbesetzten Seminarkirche von Sankt Georgen wirkten neben dem Bischof von Limburg auch die Bischöfe von Osnabrück FranzJosef Bode und Hildesheim Dr. Heiner Wilmer SCJ sowie der Provinzial der deutschen Jesuiten Johannes Siebner SJ als Vertreter der Institutionen mit, die Sankt Georgen tragen. Kolleg St. Blasien bekommt neuen Rektor P. Klaus Mertes SJ wird zum Ende dieses Schuljahres das Kolleg St. Blasien verlassen und das Amt an seinen Mitbruder Pater Hans-Martin Rieder SJ (39) übergeben. Diese Ablösung teilte der Provinzial der Jesuiten, Johannes Siebner SJ, Mitte Januar mit. In einem Brief an die Kollegs-Öffentlichkeit würdigt Siebner das Wirken von Klaus Mertes SJ: „Schon jetzt möchte ich jedenfalls persönlich meinen Dank und meine Anerkennung für das Wirken von Pater Mertes am Kolleg zum Ausdruck bringen.“ Klaus Mertes SJ wird nach einer Sabbatzeit eine neue Aufgabe erhalten. Dieser Personalwechsel ist ein ordensübliches Vorgehen. Bis auf wenige Ausnahmen bekommen Jesuiten meist nach 26 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT © St. Georgen / Pauline Erdmann P. Ansgar Wucherpfennig SJ (links) mit den Bischöfen Georg Bätzing und Heiner Wilmer von den Bistümern Limburg und Hildesheim.

zehn Jahren eine neue Aufgabe zugeteilt. Er selber sagt zu seinem Abschied: „Voll Dankbarkeit schaue ich auf eine wunderbare Zeit am Kolleg St. Blasien zurück und werde dem Kolleg sicherlich von ganzem Herzen verbunden bleiben. Mit P. Rieder freue ich mich für das Kolleg auf einen tollen Nachfolger.“ Hans-Martin Rieder SJ absolviert zurzeit den letzten Abschnitt seiner Ordensausbildung in Portland/USA, bevor er im Mai nach St. Blasien ziehen wird. Er ist 1980 im bayerischen Straubing geboren. Er studierte Finanz- und Wirtschaftsmathematik an der TU München. Dieses Studium führte ihn von 2006 bis 2009 ins RisikoControlling der Bayern LB. Parallel dazu studierte er Philosophie an der Ordenshochschule in München. Im Anschluss trat er ins Noviziat der Jesuiten ein, gefolgt von einem zweijährigen Praktikum am Internat in St. Blasien. Personalnachrichten P. Hermann Breulmann wird im März nach Osnabrück umziehen. Er wird in der „Gemeinde Kleine Kirche“ mitarbeiten und zusätzliche Tätigkeiten, z.B. beim Studentengottesdienst oder im Rahmen des Domforums, übernehmen. P. Albert Holzknecht hat zum 1. Januar 2020 die Leitung von Haus HohenEichen in Dresden übernommen. Er löst P. Wilfried Dettling ab, der ebenfalls zu Jahresbeginn als Bildungsleiter und Exerzitienbegleiter ins Lassalle-Haus nach Bad Schönbrunn umgezogen ist. P. Fabian Loudwin wird im Sommer 2020 seine Kaplanstätigkeit in Frankfurt St. Ignatius beenden und Anfang September ins Tertiat nach Mexiko gehen. Zusammengestellt von Pia Dyckmans Redaktionsschluss: 14.02.20 27 JESUITEN n MÄRZ 2020 n MACHT © Chris Reist © SJ-Bild/Ender Pater Klaus Mertes SJ Pater Hans Martin Rieder SJ

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