Jesuiten 2020-2

15 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] SCHWERPUNKT Meine Kirche – ehrlich, authentisch und endlich gleichberechtigt, bitte! Kirche bedeutet Gemeinschaft. Immer. Aber ganz besonders jetzt in der Phase der Promotion tritt dies deutlich ins Bewusstsein. Als Doktorandin bin ich Einzelkämpferin. Meine berufliche Situation prägt meinen Anspruch unmittelbar und soll deshalb illustrieren, was junge Menschen wie ich, Ende zwanzig, für ein erfülltes Leben brauchen. Es ist eine verlässliche Institution gefragt, deren Angebot trägt in einer Zeit der Hochkonjunktur des Unverbindlichen und der zunehmenden Anonymisierung. Deshalb ist die Gemeinschaft im Gottesdienst und das Beisammensein danach so wichtig. Teilen des Glaubens und das Teilen unserer Zeit – das brauchen nicht nur wir jungen Erwachsenen. Dadurch kann die Kirche attraktiv und anschlussfähig bleiben. Die Kirche tritt in eine komplizierte, unsichere Lebensphase, in eine zweite (nach der Pubertät) Identitätskrise im jungen Erwachsenenalter. Schule und Studium waren noch ein Weg hin zu etwas, ein Prozess, wo in meinem Fall die KHG als Kirche zur Prozessbegleitung da war. Plötzlich aber wird erwartet, dass man angekommen ist, es herrscht vorerst Stillstand. Wo ist die Kirche, wenn wir das erste Mal angekommen sein sollen oder eben noch nicht angekommen sind? Ich möchte mich nicht als Rezipientin einer Dienstleistung fühlen, die mir ein Priester entgegenbringt. Ich möchte nicht jemandes Arbeit sein, sondern spüren, dass Glaubenspraxis erst durch mich möglich wird. So verstehe ich Partizipation nicht als großzügiges Zugeständnis, sondern als conditio sine qua non. Das Gesamtbild der Kirche soll mir intellektuell und menschlich gerecht werden – und das geht nicht, wenn sie in Geschlechter unterteilt, statt ein Gott-Mensch-Verhältnis unabhängig davon zu denken. Kirchenbilder wie die Kirche als Braut Christi sind dabei missverständlich und wenig zeitgemäß, sogar verstörend. Es bräuchte mehr Mut, sich davon zu lösen und nach sprachfähigeren Bildern zu suchen. Vielleicht braucht es diese Bilder auch nicht mehr, weil den Menschen durch ihre Erfahrung klar ist, was Kirche bedeutet. Ich möchte, nein ich brauche, eine Kirche, die MENSCHEN sieht, den Wert des Alten anerkennt, aber es ins Heute zu transferieren vermag, die aufhört, frömmelnd und hochnäsig zu sein. Sie darf die alte Institution sein mit all ihrer Gemächlichkeit – aber ehrlich, authentisch und mit dem Guten im Blick. Ich brauche keine neue Vision von Kirche, aber möchte die ursprüngliche endlich umgesetzt sehen. Carolin Herb © Christian Huhn

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