Jesuiten 2020-2

Kirchenbild[er] 2020/2 ISSN 1613-3889 Jesuiten

Titelbild Digital Church in Aachen © Christian Huhn „Architektur wird dann spannend, wenn sie Sehgewohnheiten durchbricht oder auflöst; wenn sie nicht gleich alle Erwartungen erfüllt.“ Die Bilder dieser Jesuiten-Ausgabe stammen vom Duisburger Fotografen Christian Huhn. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Architektur und Unternehmensfotografie. Die abgebildeten Kirchenräume wirken erst einmal ganz vertraut: Säulen, Gewölbe, eine Apsis oder eine Empore. Doch dann fallen neue Elemente in den Blick: Die Leuchtreklame, die den Altarraum ausstrahlt, eine bunte Sofaecke – oder einfach nur: Leere. Nach und nach tritt hervor: Hier sind umgenutzte oder ungenutzte Kirchen zu sehen. Es sind spannende Einblicke, die fragen: Was macht Kirchen eigentlich aus? Oder präziser: Was macht Kirche eigentlich aus? Stefan Weigand www.christianhuhn.com Ausgabe März/2020 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Kirchenbilder – Entstehen und Vergehen 4 Kirche der Verbündeten – Mehr als eine Utopie 6 Die eine Kirche mit ihren vielen Gemeinden 8 Gemeinschaft ein Gesicht geben 11 Widerspruch aus Loyalität 12 Meine Kirche und der Berg 14 M eine Kirche – ehrlich, authentisch und endlich gleichberechtigt, bitte! 16 Kirche im Lebensraum der Menschen 18 Digitale Kirche als Brücke 20 Exerzitien – Kirche leben lernen Geistlicher Impuls 22 Zwischen Dank und Klage Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 28 Verstorbene Medien/Buch 29 An Gott als Person glauben? Eine Spurensicherung Vorgestellt 30 Den Weg zu Gott zeigen 33 Die besondere Bitte 34 In dieser Ausgabe schrieben 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Corona-Pandemie stellt alles auf den Kopf und vieles in Frage. Das Jahr 2020 werden wir so schnell nicht vergessen: Bilder vom Papst auf dem menschenleeren Petersplatz kursieren ebenso wie Kurvendiagramme, singende Menschen auf Balkonen und Leichen, für die kein Platz ist, von denen sich keiner verabschieden konnte – Gefühle von Solidarität, Unsicherheit, Hoffnung und Angst liegen gleichermaßen in der Luft. Die Corona-Pandemie ist eine Schwelle: Es wird ein Davor und ein Danach geben. Politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, persönlich und auch kirchlich. Die Kirche ist stärker in die eigenen vier Wände, in die sozialen Medien im Internet und vielleicht auch aus dem Bewusstsein gerückt. Was bleibt, wird sich zeigen. Die Kirche wandelt sich und hat sich immer wieder gewandelt, verändert und erneuert. Oft eher zu spät als zu früh und nicht immer ganz freiwillig. Aber zur Kirche gehört Verwandlung, Rückbesinnung auf den Ursprung, Reform – ecclesia semper reformanda. Reform meint nicht nur den Prozess einer Institution, sondern auch einen persönlichen Weg. Wie sich im Laufe eines Lebens das Gottesbild verändern muss, damit Gott relevant bleibt und nicht mit einem Schatten oder einer Projektion verwechselt wird, muss sich das Kirchenbild im Laufe eines Lebens und im Laufe der Geschichte verändern, damit Kirche relevant bleibt und kein Schreckgespenst wird. Mit diesem Heft möchten wir dazu anregen, über das eigene Kirchenbild nachzudenken. Welche Erinnerungen, Bilder und Metaphern tauchen vor meinem inneren Auge auf, wenn ich an die Kirche(n) denke? Welche Bilder helfen mir, dem Eigentlichen der Kirche näherzukommen, wo hindert mich ein Bild und von welchen Vorstellungen muss ich mich lösen oder muss sich auch die Kirche als Gemeinschaft und Institution lösen? Der synodale Weg ist durch das CoronaVirus sogar aus dem Fokus der kirchlichen Öffentlichkeit verschwunden. Gleichzeitig zeigt diese Zeit deutlich, dass Kirche sich verändern muss (und kann?), wenn sie „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium, 1) sein will. Vielen Dank an alle, die auch in diesen Zeiten zum Erscheinen dieses Heftes beigetragen haben! Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. Dag Heinrichowski SJ Holger Adler SJ 1 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER]

Kirchenbilder – Entstehen und Vergehen Wenn Sie ein Kind um ein Bild der Kirche bitten, malt es wahrscheinlich ein Gebäude. Das ist nicht verwunderlich. Das Kind hat beim Wort „Kirche“ an Dinge gedacht, die es mit diesem Wort assoziiert. Beim tieferen Nachdenken darüber, was ich eigentlich unter „Kirche“ verstehe, werde ich – je nach Erfahrung – unterschiedliche Dinge nennen können: den Sonntagsgottesdienst, die Gemeinschaft, eine kirchliche Sozial- oder Bildungseinrichtung, den Religionsunterricht, den Kirchenvorstand, ein soziales Projekt, den Papst, den Kölner Dom, die zehn Gebote, eine Tauffeier, ein Gemeindehaus, die Exerzitien oder eine Ordensschwester. Alle diese Personen, Institutionen, Gruppen, Riten, Texte, Traditionen oder Aktionen gehören zur Kirche dazu. Was wäre für Sie der Kernbestandteil der Kirche? Einige würden vielleicht an Jesus Christus denken, an die Bibel, an die Nächstenliebe, die Eucharistie oder eine bestimmte Heiligengestalt. Kirchenkritische Geister würden etwas anderes wählen, einen Moralapostel, den Petersdom als Symbol kirchlicher Macht, eine bröckelnde Fassade… Die Theologie des 20. Jahrhunderts unternahm den Versuch, ein allgemein gültiges und verständliches Bild der Kirche zu finden. Dies geschah vielleicht noch mit einem Rest romantischer Begeisterung, nach der allen Dingen und damit auch den verschiedenen Erscheinungsformen der Kirche eine gemeinsame Gestalt innewohnte, die man erkennen könne, wenn man nur das „Zauberwort“ träfe. Die Phänomenologie als philosophische Disziplin vermutete hinter den einzelnen Dingen einen tieferen Sinn. Das Sichtbare der Kirche sollte ein Ausdruck von etwas Unsichtbarem sein. So entstand in den 20er Jahren die große Begeisterung für die Kirche als „Leib Christi“. Hatte man die Kirche nach dem Ersten Vatikanischen Konzil eher als Institution, als „vollkommene Gesellschaft“ (societas perfecta) oder als Trutzburg gegen die Irrtümer der jeweiligen Zeit verstanden, verhieß das Bild vom „Leib Christi“ eine größere Dynamik. Die Idee: Christus gibt sein Leben und seinen Geist durch die Zeiten in den Menschen, Lehren und Riten der Kirche weiter. Wer zur Kirche gehört, ist Teil einer lebendigen Gemeinschaft. Es waren die jungen Wilden, eine neue Generation nach dem ersten Weltkrieg, die dieses Kirchenbild begierig aufnahm und so stark machte, dass es Papst Pius XII. 1943 in seiner Enzyklika ‚Mystici corporis’ lehramtlich adelte. Allerdings fasste er das neue Leitwort eher mit spitzen Fingern an. Der Papst kam der Jugend in der Begrifflichkeit zwar entgegen, verband aber das Bild des „Leibes Christi“ zugleich 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER]

mit der herkömmlichen Lehre von der Kirche. War der „Leib Christi“ nicht der hierarchisch gegliederte Leib? Wurde das Leben Christi nicht zuerst einmal durch die amtlich verwalteten Sakramente weitergegeben? Das Beispiel der päpstlichen Enzyklika zeigt bereits das Grundproblem: Jedes Kirchenbild kann verschieden interpretiert werden. Als das II. Vatikanische Konzil das Bild des „Leibes Christi“ durch das Bild der Kirche als „Volk Gottes“ (und durch weitere biblisch motivierte Bilder) ergänzte, zeigte sich dieses Dilemma in besonderer Weise. „Volk Gottes“ wurde vielen zu dem „Reformbegriff“ des Konzils. Allerdings entbrannte schon bald ein Streit darum, wie dieses Bild zu verstehen war. Sagte es nicht etwas über die notwendige „Demokratisierung“ der Kirche aus, wie etwa auf dem Katholikentag in Essen von 1968 proklamiert wurde? Bedeutete es nicht, die Kirche jenseits ihrer verfassten Struktur als ethische Gemeinschaft zu verstehen, wie die Befreiungstheologie vermutete? War nicht mit „Volk Gottes“ zunächst die Gemeinschaft, die „communio“ der Kirche gemeint? Hatte nicht gerade der Begriff „Volk Gottes“ auf die hierarchische Gliederung der Kirche hinweisen wollen? Was sich also als ein gemeinsam getragener Grundbegriff für die Kirche bewähren sollte, wurde zum Ausgangspunkt für Streitigkeiten um die Ausrichtung und Struktur der Kirche. Das Bild war mehrdeutig. Wahrscheinlich wird man das „eine“ Kirchenbild niemals finden können. Eine Kirche als „Familie Gottes“, „Braut Christi“, „Bauwerk Gottes“, „Pflanzung“: Das Konzil hat viele Bilder genannt; die Theologie hat viele Bilder durchdacht. Alle Bilder bleiben vorläufig. Es liegt an zeitgemäßen Spiritualitäten und Denkformen, Kirchenbilder immer wieder neu zu entwerfen und alte zu hinterfragen. Ähnlich wie die Kunst niemals stehen bleibt, wird es auch die Theologie nicht tun. Die Kirchenbilder der Zukunft werden wohl kaum die der Vergangenheit sein. Das Konzil hat dies gewusst: „Solange die Kirche hier auf Pilgerschaft fern vom Herrn lebt, weiß sie sich in der Fremde“ (Lumen Gentium 6). Sie bleibt auf der Suche, im Wissen darum, dass ihre Gestalt und die Art sie zu beschreiben, immer vorläufig ist. Georg Bergner Was wäre für Sie der Kernbestandteil der Kirche? JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] 3

Liebfrauenkirche in Duisburg

5 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] SCHWERPUNKT Kirche der Verbündeten – Mehr als eine Utopie Als zu Beginn der Coronakrise einige Bischöfe verkündeten, die Sonntagspflicht sei nun aufgehoben, waren so manche bitteren Kommentare zu hören. Der Erlass erweckte den Eindruck, als gebe es noch so etwas wie ein Kirchenvolk, das seinen Gottesdienstbesuch von oberhirtlichen Anweisungen abhängig mache. Längst suchen sich Menschen, die dies überhaupt noch für wichtig halten, die Kirche ihrer Wahl aus. Weil ihnen ein bestimmter Kirchenraum gefällt oder ihnen der Stil der Liturgie oder die Theologie des Predigers zusagen. Immer häufiger entscheidet die subjektiv empfundene Qualität der sonntäglichen Eucharistie darüber, ob Menschen zur Kirche kommen oder nicht. Viele gehen mit ihrer Kirchenmitgliedschaft um wie mit ihrer Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Sie fühlen sich irgendwie verbunden, zahlen ihre Beiträge, gehen aber nicht hin. Sogar das schlechte Gewissen regt sich in ähnlicher Weise wie bei einer passiven Mitgliedschaft im Fitnessclub. Das Kirchenverständnis, das seine Strukturen in der frühen Christenheit in Anlehnung an das Prinzip der Mitgliedschaft in antiken Vereinen ausbildete, ist ein Auslaufmodell. Und mit ihm stirbt die klassische Volkskirche. Dies kann man nun beklagen, gewissenhaft zu Ende verwalten oder mit eher hilflosen Selbstbehauptungsgesten künstlich am Leben erhalten. Optimistischer wäre, nach einer Kirche Ausschau zu halten, die längst am Wachsen ist. Zugehörigkeit definiert sich in dieser Kirche nicht mehr vorrangig über die formale Mitgliedschaft, sondern über tatsächlich empfundene und gelebte Verbundenheit. Es ist eine Kirche der Bündnisse, zu denen sich Menschen selbstbestimmt zusammenfinden. Zu Gottesdiensten, weil sie sich in der christlichen Spiritualität zu Hause fühlen oder weil sie gerade an Lebenswenden in der Kirche für sich kompetente Begleitung erwarten. Zu sozialen Projekten, weil sie sich mit ihren Wertvorstellungen in der christlichen Nächstenliebe wiederfinden. Auch für dieses Modell einer Kirche von Menschen, die mit christlichen Werten sympathisieren ohne Kirchenmitglieder zu werden, gibt es neutestamentliche Vorbilder. So erwähnt die Apostelgeschichte die „Gottesfürchtigen“, die sich der jüdischen Ethik aber auch dem monotheistischen Gottesbild und damit den konkreten Synagogengemeinden verbunden fühlten, ohne aber selbst Jude oder Jüdin zu sein (Apg 10, 2; 13, 26). Diese Kirche, die keine Utopie ist, weil sie jenseits der verfassten Kirche bereits existiert, gilt es zu entdecken. Burkhard Hose © Christian Huhn

6 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] Die eine Kirche mit ihren vielen Gemeinden Max Weber war in seiner Religionssoziologie die Unterscheidung zwischen Kirche und Gemeinde wichtig. Die Kirche verlangt wenig, die Gemeinde viel. In die Kirche, jedenfalls die katholische, kommt man durch die Kindertaufe. Man wird ohne die Chance, Ja oder Nein sagen zu können, durch den sakramentalen Akt der Taufe in die Kirche aufgenommen. Und selbst wenn man in Deutschland dem Staat gegenüber bekundet, dass man nicht mehr bereit ist, seine Kirchensteuer zu entrichten, bleibt man qua Taufe Mitglied der Kirche. Die Kirche ist in Max Webers Worten eine Heilsanstalt mit Gnadenmitteln, die Vorkehrungen dafür trifft, dass man ihr nicht entkommen kann. Deshalb kann die schlimmste Sünderin am Ende ihrer Tage Trost bei ihrer Kirche finden. Die Sterbesakramente, die Beichte, die Salbung, die Kommunion, bekräftigen zuletzt die unkündbare Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Die Kirche steht einem durch ihren Priester bei, das eigene Leben vor Gott zu ordnen, in Frieden und Vertrauen loszulassen und das Leben in die Hände Gottes zurückzulegen. Die Kirche kann man aus eigenem Willen nicht verlassen, sie ist dafür aber auch immer für einen da. Diese leistungslose Mitgliedschaft ist je nach dem Fluch und Segen zugleich. Die Gemeinde dagegen lässt einen nicht gewähren, sie fordert das einzelne Gemeindemitglied im Gegenteil dazu auf, sich einzubringen, sich auf die anderen Gemeindemitglieder zu beziehen und eine für alle Beteiligten erlebbare und erfahrbare Gemeinschaft zu bilden. Die Gemeinde wirkt deshalb nicht vorbehaltlos inklusiv, sondern leistungsbezogen exklusiv. Die Gemeinde ist eine soziale Form wechselseitiger Sozialisation im Dienste des je eigenen Heils. Man achtet aufeinander, man hilft einander und man unterweist sich gegenseitig im Bemühen um ein gottgefälliges Leben. Das ist der Grund für den ungeheuren Erfolg der evangelikalen Springflut gerade in den Kernländern des Katholizismus in Lateinamerika oder in Afrika. Die beiden Botschaften, die die Menschen anzieht, die was aus sich machen wollen, lauten: Du musst nicht arm und ohnmächtig bleiben! Und: Du kannst etwas dafür tun! Man sagt eben nicht: Du bist zwar arm, aber Du kannst trotzdem in den Himmel kommen! Die aufstrebende globale Mittelklasse wird auf der Suche nach einer maßgeblichen Lebensführung eher dem Modell Gemeinde als dem der Kirche zuneigen. Leistende Exklusivität mobilisiert für Erfolg, leistungslose Inklusion verstärkt den Fatalismus. Die Option für die Armen spricht dann nicht für, sondern gegen die Kirche.

Auf der anderen Seite kann man sich keine Kirche ohne Gemeinden vorstellen. Sonst degeneriert die Heilsanstalt mit ihren prunkvollen Heilsstätten zum Heilsbetrieb mit einem bigotten Heilstourismus. Die Kirche lebt aus den Gemeinden. Die sakrale Ordnung beruht auf der Zeugenschaft des gemeinsamen Glaubens. Jede heilige Messe ist Ausdruck dieser Spannung. Es steht niemand an der Tür und fragt einen, woher man komme und was man treibe. Jede und jeder und jede Person, die sich nicht auf ein Geschlecht festlegen will, ist willkommen, auch wenn man nicht mehr so genau weiß, wann man aufstehen und wann man sich hinknien soll. Man wird ganz automatisch Teil des Kults und fragt sich vielleicht bei der Predigt, ob man das alles wirklich glaubt, was man da mitgesungen und mitgebetet hat. Dann schaut man womöglich beim Zeichen des Friedens den Nachbarn neben sich, vor sich und hinter sich in die Augen und ist verwundert darüber, dass man mit diesen fremden Menschen eine Gemeinschaft der Gläubigen bildet, die so tut, als ob sie die Worte verstünde, die der Priester da vorne sagt. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Heinz Bude 7 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] © Christian Huhn Kreuzeskirche in Essen

Bernardine Schulte Magda Sczuka 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] Gemeinschaft ein Gesicht geben Glauben weitergeben Für mich bedeutet Kirche lebendige Gemeinschaft, die mir Geborgenheit und Vertrauen schenkt. Kirchliches Leben war für mich das Umfeld, in dem ich aufwuchs, mich wohl fühlte. Schon als Kleinkind lernte ich „Kirche“ durch Großeltern, Nonnen, Priester kennen. Somit war das Leben mit und in der Kirche für mich eine Selbstverständlichkeit. Das ist bis heute so geblieben: ein Bereich, der zu meinem Leben gehört und es ausfüllt. Diese Erkenntnis (und das Kennenlernen kirchlicher Tradition) habe ich an meine Enkel weitergeben. Unsere Kinder gingen schon früh mit zur hl. Messe. Gebete und Kirchenlieder erlernten sie wie auch ich nebenbei, und erfuhren, dass kirchliche Gemeinschaft zu unserem Leben dazu gehört. So sind auch sie Verkünder unseres Glaubens geworden, geben das, was sie erlebt und erfahren haben, an die nächste Generation weiter. Kirche hat sich gewandelt: Priester fehlen, die im normalen Alltag präsent sind. Sie haben wenig Zeit für persönliche Begegnungen, Seelsorge muss warten, andere Aufgaben sind wichtiger. Früher schickten wir Missionare in die dritte Welt, heute haben wir viele Priester von dort, die bei uns Dienst tun, um den Priestermangel zu beheben. In den letzten Jahren sind die Gläubigen mehr in das liturgische Geschehen eingebunden worden. Die Kirche hat sich geöffnet, gibt Laien mehr Aufgaben, aber es geht noch mehr. Sie kann ohne die Laien ihre weltumfassende Verkündigung nicht leisten. Kreative Apostelgemeinschaft Mit 14 wurde ich zum Wochenende einer „Gebetsgruppe“ eingeladen – das klang nicht so viel versprechend, sondern nach kalter Kirche, langen Predigten und langweiligen Liedern…. Aus Ermangelung einer ordentlichen Ausrede, fuhr ich hin. Die Überraschung war groß: Alle sahen ziemlich normal aus! Jung, sympathisch, mit großartiger Ausstrahlung und offen gegenüber einem „Neuling“ wie mir. Tief geprägt hat mich ein Moment: Die Anbetung am Abend. Diese Jugendlichen, die eben noch beim Fußballspiel laut lachten und feierten, knieten jetzt anbetend vor ihrem Schöpfer nieder. Ihre Art zu beten war ehrlich und einfach. Ich lernte, mit Jesus zu sprechen wie mit einem guten Freund. Seit 12 Jahren bin ich nun Gottgeweihte Frau im Regnum Christi. Seitdem gehören die evangelischen Räte, das Gemeinschaftsleben, das tägliche Gebet und die pastorale Arbeit und Ausbildung zu meinem Lebensstil. Kirche ist für mich der Ort, an dem ich Jesus begegne, an dem ich Gemeinschaft erfahre und an dem ich Apostel sein darf. Kirche ist eine lebendige Apostelgemeinschaft, wie Jesus und seine Jünger. Kirche heißt für mich, mit ganz verschiedenen Menschen für das Reich Gottes zu arbeiten und dabei Laien den Platz zu geben, selbst aktiv und kreativ zu werden. Meine Berufung ermöglicht mir, ganz im Dienst Gottes und der Kirche zu stehen, und gleichzeitig sehr nah bei den

Jürgen Freise und Heinz Greuling Familie Holle Menschen, ihrem Alltag, ihren Freuden und Sorgen zu sein. Freiheit zum Leben „Glaube muss frei machen. Wenn er dich nicht frei macht, ist er nicht der richtige.“ Auf das konnten wir uns in unserer Familie einigen, sowie das „Auf-der-Suchesein“ und das Hinterfragen. Am meisten trifft unser Kirchenbild das Bild einer Heimstätte, die uns ermöglicht, frei unseren Weg in der Welt zu gehen und unser Leben zu leben. Und das, indem sie immer da ist und wir jederzeit bei ihr einkehren können, um uns selbst in einer Gemeinschaft zu finden – sei es eine katholische oder evangelische. Nur ist die Kirche für uns im Moment keine Heimstätte, die uns frei macht. Sie fühlt sich mehr wie ein Haus an, was nicht in der jetzigen Welt ist, sondern in der Vergangenheit oder einer anderen Welt stehengeblieben ist. Ein Haus, dessen Türen einsperren und weder zum Gehen noch Kommen einladen. Ein Haus, indem wir von innen sehnsuchtsvoll nach außen schauen, von außen aber nur ungern einkehren. Wir wünschen uns eine Kirche, die einlädt. Eine Kirche, in der wir uns als Frauen gleichberechtigt wiederfinden, um uns leben zu können. Eine Kirche, die einen offenen, fordernden Dialog zu Themen wie Klimaschutz führt. Wir brauchen eine erdende Beziehung zu Gott/Jesus in Offenheit. „A single green vine shoot is able to grow through cement.“ Deswegen hoffen wir, dass im Innern der Kirche ein Spross zu wachsen beginnt, der diese Gefängnismauern durchbricht und durch dessen Risse das Licht wieder scheint. Gemeinschaft suchen und schenken In diesen Zeiten stellen sich die letzten Fragen in radikaler Klarheit neu. Auf welchem Fundament ruhe ich, was zählt, in Beruf, in unserem Umfeld, in unserer Ehe, was trägt mich und meinen Mann durchs Leben? Ein winziges, lebloses Etwas hat das bewirkt. Es stellt sich die Frage nach unserem Glauben und nach der Kirche, zu der wir immer gehörten und zu der wir gehören wollen. Diese Kirche ist uns Heimat, in die wir hineingewachsen sind seit unserer Taufe und Firmung, sie ist Zuflucht und Sicherheit im gemeinsamen Gebet so vieler, die mit uns dem Herrn folgen wollen in der communio. Kirche hat für uns ein Gesicht in den vielen Mitchristen in unserer Gemeinde Sankt Peter Köln, Männer und Frauen, die uns achten und sich an unserem Mittun und Dabeisein freuen. Kirche hat für uns einen Ort in dieser Jesuitenkirche den der offenen Leere, die geladen ist mit den Fragen und Gebeten so Vieler, die die communio suchen und schenken. Wir wissen um das Geheimnis unserer Liebe, die wir als Geschenk erleben, seit eben jenem Abend in Köln vor 37 Jahren, wo wir uns sahen und wussten: Der ist es. Diese Liebe als geschenkt zu wissen, ein Geschenk, das lebendig gehalten und geprüft wurde, das zerbrechlich und kostbar ist, aber auch abgelehnt und unverstanden ist von Vielen, um es milde auszudrücken. Diese Liebe ist ohne unseren Glauben in dieser Kirche nicht zu denken. Kirche ist für uns der Zuspruch: Liebe, und dann tu, was du willst. 9 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER]

Anneliese-Brost-Musikforum in Bochum (ehemals St. Marien)

Erst in der Unterscheidung der Geister lernte ich, dass man jeden Satz missbrauchen kann. 11 SCHWERPUNKT Widerspruch aus Loyalität „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.“ (Lk 12, 51) Als ich zum ersten Mal auf diesen Satz Jesu stieß, verstand ich ihn nicht. Jesus ist doch gekommen, um Frieden zu bringen. Dann wurde mir der Satz auch noch suspekt. Denn ich traf auf seinen Missbrauch durch elitäre katholische Gruppen, die Jugendliche von ihren Familien entfremdeten, zum Beispiel in dem sie sie zu verfrühten Keuschheitsgelübden oder zu anderen Sondergelübden drängten. Ihre Wortführer bezogen sich dann gerne auch auf diesen Satz. Denn die Spaltung, die Jesus ansprach, vollzog sich in den Familien seiner Jünger (vgl. Lk 12, 52). Die Verführer der Jugendlichen argumentierten dann so: „Aus der Tatsache, dass deine Eltern es nicht gut finden, dass du dich bei uns engagierst, kannst du schließen, dass du auf dem Weg Jesu bist. Denn so ging es denen, die Jesus damals nachfolgten, auch.“ Erst in der ignatianischen Unterscheidung der Geister lernte ich, dass man jeden Satz im Evangelium missbrauchen kann. Also kann man jeden Satz Jesu auch richtig verstehen. Heute verstehe ich deswegen den Satz Jesu über die Spaltung, hoffentlich richtig, so: Jesus verkündete das Evangelium vom Frieden, doch diese Botschaft hatte eine spaltende Wirkung, und zwar deswegen, weil Jesus die Ursachen für Unfrieden benannte, insbesondere die Ausgrenzung der Armen und Sünder. Damit trat er einigen Leuten gewaltig auf die Füße. Konnte jedoch die spaltende Wirkung seiner Predigt ein Grund dafür sein, das Evangelium vom Frieden nicht mehr zu predigen? Natürlich nicht. Und damit sind wir genau bei dem, was ich heute Widerspruch aus Loyalität nenne: Jesus blieb seiner Sendung treu, und gerade deswegen widersprach er weiterhin denen, die wollten, dass er sich in den falschen Frieden, genauer ins Schweigen zurückzieht. Frieden ist eine Frucht der Gerechtigkeit. Auch in der Kirche gibt es Ungerechtigkeiten. Wer diese anspricht, dem wird gerne Spaltung vorgeworfen. Heute erheben angeblich romtreue Kreise gegenüber den Befürwortern des „Synodalen Weges“ den Vorwurf, sie wollten eine nationalistische Spaltung von der römischen Kirche vorantreiben. Genau solche Vorwürfe sind aber kein Grund dagegen, weiter für Gerechtigkeit in der Kirche einzutreten. Wer da den Vorwurf der Illoyalität erhebt, entlarvt sich selbst. Klaus Mertes SJ JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] © Christian Huhn

SCHWERPUNKT Meine Kirche und der Berg Es gibt viele Kirchenbilder. Mein Zugang dabei ist das Bergwandern. Ich sehe die Gruppe, die zum Gipfel will. Sechs Aspekte können (Vor-)Bild für Kirche sein. 1. Verantwortung übernimmt, wer kompetent ist. Jede Gruppe braucht Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und voranzugehen. Mal ist es eine ältere Frau, die den Weg kennt, mal ein junger Mann. Geschlecht und Alter interessieren nicht – entscheidend ist, wer jetzt kompetent ist, die Gruppe zu leiten. Beim nächsten Berg wird jemand anders übernehmen. So bleiben alle auf Augenhöhe. 2. Alle müssen zum Austausch bereit sein. Nur weil eine Person vorangeht, heißt das nicht, dass alle anderen vom Mitdenken entlastet sind. Mitdenken, zuhören, mitreden sind beim Wandern unverzichtbar! Wer nicht alle Wege kennt, entdeckt manchmal neue. Zum Austausch bereit sein müssen ohnehin alle. Einsame Entscheidungen verbieten sich. Eine solche Leitung ist mehr mit sich selbst als mit der Gruppe beschäftigt und verliert die Sorgen und Nöte der Gruppenmitglieder aus dem Blick. Wenn das passiert, wird der Weg lang – und der Berg vielleicht sogar unbezwingbar. 3. Es gibt nicht den Weg und das Tempo. Große Wandergruppen teilen sich häufig auf – gerade dann, wenn es verschiedene Wege zum Gipfel gibt. Manche gehen lieber den einfachen Weg links um den Berg herum. Andere wählen den schattigen Weg rechts herum, mit Kletterstücken. Manche zügig, andere langsamer. Richtig oder falsch? Jeder Weg ist einfach anders. „Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt.“ (Papst Benedikt) Es gibt – beim Wandern und im Glauben – nicht den einen Weg. Was richtig ist, kann häufig nur jede*r für sich selbst beantworten. Und manchmal findet man den eigenen Weg auch erst im Gehen, nach einigen Kehren. 4. Pause machen! Wer vornewegläuft und nicht immer mal wieder auf die wartet, die etwas vorsichtiger ihren Weg suchen, ist unsolidarisch. Gerade dann, wenn die Gruppe sich für einen bestimmten Teilabschnitt in kleinere Gruppen aufteilt, ist es wichtig, später wieder miteinander Pause zu machen und innezuhalten. Wir sind immer noch eine Wandergruppe, eine Kirche – und das hört nicht auf, nur weil manche schneller und andere langsamer sind. 5. Man ist nie allein am Berg Am Berg gilt es nicht nur die eigene Gruppe zu sehen, sondern auch dieje12 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER]

13 nigen, die zeitgleich oder nach einem gehen. Gerade an schmalen Wegen, kommen andere entgegen, hier braucht es Vorsicht. Es gilt Wegmarken nicht zu verschieben, auf diejenigen zu achten, die nicht zur eigenen Gruppe gehören, sich gemeinsam am Berg zu arrangieren, gegenseitig zu warnen und sich behilflich zu sein, damit auch andere gut den Gipfel erreichen. Dabei geht es auch um den Schutz der Natur. Das heißt: Meine Kirche ist verpflichtet mit anderen Religionsgemeinschaften zusammenzuarbeiten. Sie stellt sich der gemeinsamen Verantwortung für den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung und sie kämpft an der Seite der Armen und Schwachen. 6. Der Gipfel ist das Ziel, aber nicht das Ende. Wer den Gipfel erreicht hat, meint oft: geschafft! – ist aber erst die Hälfte gegangen. Der Weg ins Tal steht noch an. Auch den Abstieg muss man durchhalten. Am wichtigsten ist beim Bergwandern übrigens gar nicht, körperlich topfit zu sein – viel wichtiger ist es, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Wir müssen neue Wege suchen, wenn alte Pfade nicht mehr weiterführen. Und es lohnt sich, auf dem Weg mal zu schauen, welche Wege andere Gruppen gehen, wovon wir uns inspirieren lassen können. Es gilt, am Berg wie in der Kirche: Ein Schritt nach dem anderen! Aber bitte in Bewegung bleiben. Lisi Maier JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] © Christian Huhn Digital Church in Aachen

St. Bernardus in Oberhausen

15 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] SCHWERPUNKT Meine Kirche – ehrlich, authentisch und endlich gleichberechtigt, bitte! Kirche bedeutet Gemeinschaft. Immer. Aber ganz besonders jetzt in der Phase der Promotion tritt dies deutlich ins Bewusstsein. Als Doktorandin bin ich Einzelkämpferin. Meine berufliche Situation prägt meinen Anspruch unmittelbar und soll deshalb illustrieren, was junge Menschen wie ich, Ende zwanzig, für ein erfülltes Leben brauchen. Es ist eine verlässliche Institution gefragt, deren Angebot trägt in einer Zeit der Hochkonjunktur des Unverbindlichen und der zunehmenden Anonymisierung. Deshalb ist die Gemeinschaft im Gottesdienst und das Beisammensein danach so wichtig. Teilen des Glaubens und das Teilen unserer Zeit – das brauchen nicht nur wir jungen Erwachsenen. Dadurch kann die Kirche attraktiv und anschlussfähig bleiben. Die Kirche tritt in eine komplizierte, unsichere Lebensphase, in eine zweite (nach der Pubertät) Identitätskrise im jungen Erwachsenenalter. Schule und Studium waren noch ein Weg hin zu etwas, ein Prozess, wo in meinem Fall die KHG als Kirche zur Prozessbegleitung da war. Plötzlich aber wird erwartet, dass man angekommen ist, es herrscht vorerst Stillstand. Wo ist die Kirche, wenn wir das erste Mal angekommen sein sollen oder eben noch nicht angekommen sind? Ich möchte mich nicht als Rezipientin einer Dienstleistung fühlen, die mir ein Priester entgegenbringt. Ich möchte nicht jemandes Arbeit sein, sondern spüren, dass Glaubenspraxis erst durch mich möglich wird. So verstehe ich Partizipation nicht als großzügiges Zugeständnis, sondern als conditio sine qua non. Das Gesamtbild der Kirche soll mir intellektuell und menschlich gerecht werden – und das geht nicht, wenn sie in Geschlechter unterteilt, statt ein Gott-Mensch-Verhältnis unabhängig davon zu denken. Kirchenbilder wie die Kirche als Braut Christi sind dabei missverständlich und wenig zeitgemäß, sogar verstörend. Es bräuchte mehr Mut, sich davon zu lösen und nach sprachfähigeren Bildern zu suchen. Vielleicht braucht es diese Bilder auch nicht mehr, weil den Menschen durch ihre Erfahrung klar ist, was Kirche bedeutet. Ich möchte, nein ich brauche, eine Kirche, die MENSCHEN sieht, den Wert des Alten anerkennt, aber es ins Heute zu transferieren vermag, die aufhört, frömmelnd und hochnäsig zu sein. Sie darf die alte Institution sein mit all ihrer Gemächlichkeit – aber ehrlich, authentisch und mit dem Guten im Blick. Ich brauche keine neue Vision von Kirche, aber möchte die ursprüngliche endlich umgesetzt sehen. Carolin Herb © Christian Huhn

Kirche im Lebensraum der Menschen Ein Priester, der alleine mit der Monstranz durch die verlassene Fußgängerzone zieht, um die Menschen zu segnen; Hostienschale und Kelch auf dem Wohnzimmertisch; Palmbuschen und Osterkerze für die Feier der Kartage in den eigenen vier Wänden: Es sind ungewohnte Bilder, die in der CoronaPandemie um die Welt kreisen. Bilder, die erzeugt werden, da es nicht mehr möglich ist, so Kirche zu sein, wie man das bisher gewohnt war. Die Kirchengebäude als Kristallisationspunkt des gemeindlichen Lebens sind wegen der Ansteckungsgefahr nicht zugänglich. Öffentliche Gottesdienste in Gemeinschaft gar untersagt. Die Frage, die aufreißt: Welche Auswirkungen haben diese widrigen Umstände für die Kirche? Was können wir als Kirche aus dieser Krisenzeit lernen? Die Beobachtung, die sich aufdrängt, zeigt eines sehr deutlich: Kirchliches Leben und Handeln fällt nicht einfach aus, aber es erhält einen neuen Ort. Nicht mehr der Altar ist der Ort, auf dem Eucharistie gefeiert wird, sondern der Wohnzimmertisch. Nicht mehr das Kirchengebäude ist der Ort, um gemeinsam zu beten, sondern die eigene Wohnung wird zur Hauskirche, in der man miteinander auf Gottes Wort hört und es wirken lässt. Der Gottesdienst findet nicht mehr an einem dafür vorgesehenen Ort statt. Die Kirche lernt, die pluralen Orte des menschlichen Zusammenlebens für sich zu entdecken. Hier, mitten in den Lebensräumen der Menschen, gewinnt die Kirche an konkret erfahrbarer Gestalt. Diese Erfahrungen verändern die Kirche. Sie machen deutlich, dass Grenzen von Pfarreien fluide sind, Pfarrgemeinden zerfließen in einer prekären Lage, in der das Kirche-Sein nicht mehr über eine territoriale Struktur gefasst werden kann. Kirche, 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER]

das ist nun nicht mehr die Gemeinde XY mit ihrem Pfarrer, Kirche, das sind die Familien, die zuhause im Wohnzimmer miteinander Beten und Singen und so Gottesdienst feiern. Kirche realisiert sich aber auch dort, wo eine Solidarität mit den Armen und Notleidenden, mit den Kranken und Sterbenden erfahrbar wird, wo Menschen dem Handeln Jesu in unserer Zeit einen sehr konkreten Ausdruck verleihen. Hier ist nicht entscheidend, zu welcher Pfarrgemeinde man gehört, hier zählt allein, dass man in dem eigenen Lebensumfeld den eigenen Glauben lebt und lebendig werden lässt. Das ist eine massive Überschreitung von bisherigen Strukturen. Schon die Würzburger Synode hat diesen Zusammenhang sehr prägnant mit dem Leitmotiv „Lebensraum der Menschen als Handlungsraum der Kirche“ auf den Punkt gebracht. Kirche muss sich verorten, Kirche erhält ihren konkreten Ort inmitten des menschlichen Lebens. Diese Entdeckung ist nicht neu. Bereits das zweite Vatikanische Konzil lenkt den Blick auf die engste Verbundenheit der Kirche mit den Menschen und nennt beispielhaft die „Armen und Bedrängten aller Art“ (Gaudium et Spes 1) mit denen sich die Kirche solidarisieren muss, um der eigenen Sendung gerecht zu werden. Der Ort der Kirche ist dort, wo Menschen angesichts der vielfältigen Bedrängnisse mit sich und mit der Welt ringen, wo ihre Sehnsucht nach Hoffnung und ihre Ängste übergroß sind. Dort kann die Kirche die Botschaft von Christus, dem auferstandenen Gekreuzigten, verkündigen und leben. Wenn die Kirche sich selbst inmitten der menschlichen Lebensräume verortet, dann gewinnt sie eine Dynamik, durch welche die Kraft des Heiligen Geistes erfahrbar wird, der sie antreibt, das Evangelium auf dem ganzen Erdkreis zu verkünden. Dann reagiert die Kirche auf die hohe Pluralität, die das Leben der Menschen birgt, und löst sie nicht vorschnell in eine uniforme Gestalt von Kirche auf. Das verändert die Gestalt der Kirche. Aber vielleicht ist diese Veränderung von bleibender Dauer. Fabian Brand © Christian Huhn St. Barbara in Duisburg

18 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] Digitale Kirche als Brücke Ein Gespräch mit P. Bernd Hagendkord SJ Was ist digitale Kirche? Bernd Hagenkord SJ: Digitale Kirche gibt es nicht. Entweder es gibt Kirche oder nicht. Egal, ob digital, virtuell, im realen Raum, in kleinen oder großen Gruppen oder auch halbvirtuell, wenn eine Pfarrei zum Beispiel einen Newsletter verschickt. Es gibt verschiedene Spielformen. Durch Corona sind viele neue Formen entstanden als Versuche, das Evangelium in die digitale Welt zu bringen. Neue, nur digitale Angebote und Formen, um mit Menschen über digitale Wege im Kontakt zu bleiben. Gleichzeitig werden analoge Formen, die körperliche Präsenz voraussetzen, einfach ins Netz übertragen – Messe als Livestream – damit Gemeinschaft entsteht. Hagenkord: Da wird Gemeinschaft überbrückt bis sie später wieder anders möglich ist. Die Überbrückung ist kein Problem, aber die Formen müssen auch anbietbar sein. Genau wie eine Liturgie ordentlich gefeiert werden will, muss sie auch ordentlich übertragen werden. Gemeinschaft wird überbrückt, aber entsteht nicht. Was braucht es, damit digital auch Gemeinschaft entstehen kann? Hagenkord: Da bin ich altmodisch. Es geht um Begegnung. Das geht auch über Briefe und virtuell gibt es da viele Hilfen und Modelle, die man nutzen kann. Alles, was virtuell geht, wie ansprechbar sein, ist wunderbar. Aber wie ich dem anderen Menschen begegne, wie ich mit ihm zusammen Gott feiere, das ist eine Frage der Realität. Wir müssen nicht nur im Netz sein, sondern lernen seine Mittel zu nutzen. Durch Corona gibt es eine ungemeine Kreativität. Und durch die Virtualität kommt eine andere Art von Partizipation ins Spiel. Einerseits kann jeder relativ gleichberechtigt kirchliche Angebote auf den Markt bringen und gleichzeitig ist das Feedback viel direkter. Hagenkord: Ich blogge ja seit fast zehn Jahren und meine Erfahrung ist, dass die meisten, die sich melden, eher mit Negativem kommen, teilweise kommentieren auch Irre und da braucht es – neudeutsch – Community-Management. Und wir müssen die technischen Möglichkeiten zu nutzen lernen, um Öffentlichkeit zu erreichen. Es reicht nicht, das Ding einfach online zu stellen. Wenn man tatsächlich ein neues Format hat, dann muss man das auch professionell begleiten. Öffentlichkeit im Netz stellt nochmal neue Herausforderungen: Einerseits fehlt der Kontext und wenn dann Priester Kinderlieder singen, wirkt Kirche schnell peinlich. Gleichzeitig gibt es flachere Hierarchien.

Hagenkord: Wer virtuell unterwegs ist, der kontrolliert nicht mehr. Wer glaubt, heutzutage Kommunikation kontrollieren zu können, der lebt in einer Wunschwelt. Den Kontrollverlust können wir im Analogen aus dem virtuellen Raum lernen. Wir müssen Leute ausbilden und ihnen ein Mandat geben. Ich könnte das jetzt theologisch überhöhen mit Taufgnade, aber das Netz funktioniert einfach so. Mit der vielschichtigen Kirche, die daraus entsteht, müssen wir leben. Die Kirche ist eh vielschichtig, vielleicht ist es jetzt sichtbarer oder anders abgebildet. Neben Gemeinschaft sind es die Rituale, die fehlen. Braucht man neue Rituale für das Virtuelle? Hagenkord: Man muss zwischen Gewohnheiten und Ritualen unterscheiden. Gewohnheiten kann man ausbilden, das braucht Disziplin, wenn sie sich nicht einschleichen sollen. Rituale brauchen etwas von Realität. Oder zumindest einen Rahmen. Was ich bei digitalen Angeboten immer schwierig finde: Die schwimmen mit allem anderen mit. Ich kann schlecht bewusst einen Schnitt setzen und sagen, jetzt mach ich etwas „Frommes“. Ich bin digital immer in einem Dazwischen. Hagenkord: Genau, wenn ich den Computer morgens anmache und gucke, was das Netz so macht, habe ich keine Sequenz von Seiten, die ich nacheinander aufrufe. Anders ist das beim Zeitungslesen morgens früh oder beim Brevierbeten. Das kann ich nicht online, das kann ich nicht auf dem Phone machen, andere machen das. Das ist eine Frage der Gewohnheit. Rituale meint eher: Wie beten wir gemeinsam bei Tisch. Wann versammeln wir uns wo? Wann mache ich meine Kerze an? Das sind Rituale und die brauchen eine Form von Realität, weil wir körperliche Wesen sind und auch körperlich glauben mit Kniebeugen, Kreuzzeichen und irgendwann hoffentlich mal wieder Händeschütteln. Es braucht eine Form von Körperlichkeit. Kerzen sind ein gutes Beispiel. Bei ganz vielen digitalen Angeboten ist es das, was man zuhause machen soll: Eine Kerze anzünden. Das scheint irgendwie eine Grenze zu sein im Digitalen: Die Kerze auf dem Bildschirm flackern sehen, ist eben nicht dasselbe, wie die Kerze neben mir stehen haben und sie selbst anzünden. Da haben wir wieder die Brücke. Hagenkord: Brücke ist ok, da sind wir dabei. Wir stehen auch auf den Balkons und klatschen, aber es ist eben nicht dasselbe wie eine Gehaltserhöhung bei der nächsten Debatte. Es braucht eine Realität dahinter. Dag Heinrichowski SJ 19 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER]

SCHWERPUNKT Exerzitien – Kirche leben lernen Menschen kommen zur Begleitung, weil sie Beten lernen möchten, weil sie die Hoffnung haben, (Exerzitien-)Erfahrungen weiterleben oder vertiefen zu können. Es gibt Menschen, die mit Hilfe der Begleitung im Alltag oder in Exerzitien ihrem Glauben und ihrer Beziehung zu Gott, zu Jesus noch eine Chance geben wollen – auch angesichts so großer Enttäuschung, die sie mit Kirche erlebt haben. Nicht wenige Menschen fragen sich, wie lange sie es in der Kirche noch aushalten. Und da sind andere, die erst vor kurzem eingetreten sind in die Kirche. Nicht zu vergessen: diejenigen, die treu kirchlich weiterleben auch in und nach der Erschütterung über Verbrechen und Treulosigkeit, die sie heute mit Kirche verbinden müssen. Oft verstecken sich auch darin Abwehr, Bitterkeit, Klage über eine Kirche, die Menschen bedrängt, nicht ernstnimmt, sich nicht ins Gespräch traut, sich existentiellen Auseinandersetzungen entzieht. Heilige Familie in Oberhausen (Oberhausener Tafel)

In jeder dieser „Gruppen“ begegne ich Menschen, die sich leidenschaftlich einsetzen für die Kirche und dass sie ein heilender Ort für die Menschen sei. Im Gang durch die eigene Glaubensgeschichte und die Phasen der Begegnung mit Gott, mit Jesus – sei es in Zeiten von Kurs-Exerzitien oder im Alltagsleben - entdecken viele Menschen (nicht selten zum ersten Mal), wieviel sie „Kirche“ verdanken. Sie haben Seelsorger*Innen erlebt, die sie ermutigt und gestützt haben, so dass sie Freiheit gewinnen konnten aus beengenden Beziehungen, dass sie ihrer Sehnsucht zu mehr Leben und Lebendigkeit, zu größerer Freiheit trauen konnten. Daraus nährt sich die Hoffnung, die Menschen mit „Leben in und als Kirche“ verbinden: dass sie sich erweist als Gemeinschaft, Volk Gottes, Heimat, Ort, an dem ich bedingungslos angenommen bin. Dass Menschen jegliche Erfahrung mit Kirche in der Begleitung aussprechen und anschauen können, ist alles andere als selbstverständlich. Schließlich nimmt die Begleitung ja ihren Auftrag gerade von dieser Kirche an und steht in gewisser Weise für sie. Ein Schlüsselmoment, dass dies möglich ist, erschließt sich wohl aus der Gewissheit und dem Glauben, dass „der Schöpfer mit seinem Geschöpf unmittelbar in Beziehung ist“ und alles, was es gibt, ohne Wertung und Beurteilung da sein darf. Die „Unterscheidung der Geister“ ist ein gemeinsames Hinhören von begleiteter und begleitender Person, aufmerksam für die Impulse, die zu mehr Leben, Freiheit und Beziehung führen – Beziehung zu sich selbst, zu Gott, zur Mitwelt und darin auch zur Gemeinschaft der Menschen, die in dieser Kirche leben, lieben, sündigen, … Und je mehr jemand die „Art und Weise Jesu“, sein Empfinden, sein Gespür entdecken und sich dahinein nehmen lassen kann, umso klarer und feiner wird die Wahrnehmung für all das Verletzende und Verletzte. Und allmählich die Bereitschaft, auch die eigene Schuld, Versagen, Vorurteile und Angepasstheit, Zerstörendes wahrzunehmen. Die Bereitschaft, weiterhin oder neu Kirche mitzuleben, wächst unter der Verheißung, dass Gott sich in Jesus der Welt und der Kirche nicht entzogen hat. Schon die Betrachtung von der Menschwerdung wie auch des verborgenen Lebens Jesu führen hin zum ‚Fühlen mit der Kirche‘. Es wachsen Liebes- und Leidensfähigkeit – auch mit, in und als Kirche. Die Perspektive der Apostelgeschichte (Apg 17, 28) kann Raum gewinnen – wohl wissend, dass Kirche und Gott nicht identisch sind! – : „in Ihr leben wir, bewegen wir uns und sind wir“. Und so kann Kirche Jesu Botschaft von der Verheißung umfassenden Segens und Glücks bezeugen. Maria Boxberg 21 © Christian Huhn

JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] Zwischen Dank und Klage Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden besteht immer aus ganz konkreten Menschen, die zusammenkommen. Sie ringen um eine gemeinsame Deutung des Lebens. Kirche geht nur zusammen mit anderen Menschen: Jesus ist nicht in der Wüste geblieben und nicht allein umhergezogen. Vielmehr hat er sehr früh andere in das Verständnis seiner Aufgabe einbezogen. Er hat Menschen in seiner Nähe geschult – mit mehr oder weniger großem Erfolg – und sie dann in die Verkündigung und Sammlung entsandt (Mk 3, 14). Paulus hat das dann ohne unmittelbare Zeitgenossenschaft mit Jesus erstmals in größeren Dimensionen realisiert: Immer wird die Frohe Botschaft unmittelbar von Mensch zu Mensch weitergereicht und bezeugt. Und sie wird gemeinsam vertieft und gefeiert. Gerade erleben wir, dass die bisherigen Formen dieses gemeinsamen Tuns zerbrechen, und wir können noch nicht erkennen, was an die Stelle von Pfarrgemeinden treten soll: Hausgemeinden? Geistliche Zentren? Vereinzelung? Digitale Communities? Wie auch immer. Welche Elemente von Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden wirklich wichtig sind, können wir im Blick auf unsere eigene Erfahrung herausfinden: Welche Menschen haben mich denn in den Glauben geführt oder gelockt? Wer hat mich im Glauben bewahrt und wer hat mich tiefer hineingeführt? Solche Erinnerungen können zu einer Danklitanei in meinem Beten werden, zu einer Art privater Heiligenlitanei: Die Schutzpatrone meiner Kirchenzugehörigkeit und meines Glaubens. Und eine zweite Frage: Wie bin ich denn diesen Menschen begegnet? Das kann mich ins Gebet darum führen, dass solche Begegnungen auch weiterhin zustande kommen mögen, auch noch in unseren Zeiten, in denen sich alles zu verändern scheint. Wie alle Menschen können auch wir nur zu Zeuge*innen und Zusammenführer*innen werden, wenn uns jemand die Frohe Botschaft bezeugt und uns zusammenführt – wie immer das auch in Zukunft aussehen wird. Die Kirche entsteht und besteht immer aus ganz konkreten Menschen, die sich als Zeuge*innen und Zusammenführer*innen in Dienst nehmen lassen. Aber spätestens hier sehen wir auch die andere Seite der Medaille: Der andere und die andere sind eben ganz konkret anders als ich. Das macht sie aus, aber das ist auch ihre Zumutung. Sie kommen möglicherweise zu anderen Einschätzungen oder Handlungsweisen als ich. Aus diesem Grund gibt es in dieser Kirche, selbst in der anfänglich kleinen Jüngerschar, von Beginn an Probleme: Die Zebedäus-Söhne beispielsweise, die im Reich Gottes vorne sitzen wollen (Mk 10, 35-45). Hananias und Sapphira, die ihre Gemeinde belügen (Apg 5, 1-11). Petrus, der wieder einmal einknickt und sich nicht mehr traut, mit Heidenchristen gemeinsam zu essen (Gal 22 GEISTLICHER IMPULS © Christian Huhn

2, 11-21). Die Spannungen rund um den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland? Und das äußerste: Menschen in unseren Reihen, die vor unterschiedlichen Verbrechen oder ihrer Verharmlosung nicht zurückschrecken. Wer sind die Menschen in unserer Kirche, die es mir persönlich schwerer machen zu glauben? Wer sind die Menschen in unserer Gemeinschaft der Glaubenden, deren Positionen oder Verhalten mir unerklärlich, unverständlich oder inakzeptabel erscheinen? Mit diesen Fragen zu beten kann mein Gebet zu einer persönlichen Klagelitanei formen: Ein Gebet für die, trotz derer ich noch glaube. Und ein Gebet, dass ich mehr vergebe als mich verbeiße. Und staunend stelle ich fest: Welch ein Wunder, dass die Kirche überhaupt die Frohe Botschaft so lange Zeit bewahrt hat, obwohl sie und der Glaube daran in so zerbrechlichen Gefäßen weitergereicht werden. Und eines dieser zerbrechlichen Gefäße bin ja sogar ich selbst. Axel Bödefeld SJ Anneliese-Brost-Musikforum in Bochum (ehemals St. Marien)

NACHRICHTEN 24 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] Neues aus dem Jesuitenorden Früherer Generaloberer Adolfo Nicolás gestorben Pater Adolfo Nicolás SJ, Generaloberer der Gesellschaft Jesu von 2008 bis 2016, ist am 20. Mai 2020 im Alter von 84 Jahren in Tokio gestorben. Adolfo Nicolás Pachón wurde am 29. April 1936 im spanischen Villamuriel de Cerrato (Palencia/Spanien) geboren. Am 15. September 1953 trat er in Aranjuez ins Noviziat der damaligen Toledo-Provinz ein. Sein Ordensleben ist mit Asien eng verbunden: Nach dem PhilosophieStudium ging er nach Tokio/Japan, wo er auch Theologie studierte. Er promovierte an der Gregoriana und lehrte ab 1971 in Tokio Systematische Theologie. 1978 ging er auf die Philippinen, wo er bis 1984 in Manila Direktor des Pastoralinstitutes war. In der Gesellschaft Jesu konnte er als Provinzial von Japan oder als Präsident der Provinzialskonferenz von Ostasien und Ozeanien viele Erfahrungen in Leitungsaufgaben sammeln. Die 35. Generalkongregation wählte ihn am 19. Januar 2008 zum Generaloberen. Schwerpunkt seiner Amtszeit als Generaloberer war die Neustrukturierung des Ordens. „Es ist Zeit, sie zu verändern, weil die Welt sich sehr verändert hat.“ Der Wandel sei notwendig, nicht weil etwas nicht mehr funktioniere, sondern um sich an neue Zeiten und Notwendigkeiten anzupassen. Als wichtige Momente seiner Amtszeit bezeichnete er in einem Interview den Amtsverzicht Benedikts XVI. und die Wahl von Papst Franziskus. Mahlze!t LU goes family! Das Heinrich Pesch Haus (HPH) bietet in der Corona-Krise jeden Tag eine warme Mahlzeit für bedürftige Menschen an. Da mit diesem Angebot aber Familien nicht erreicht werden, macht sich Mahlze!t LU nun auf den Weg: ein ehrenamtlicher Fahrdienst versorgt Familien mit einer warmen Mahlzeit. Die Essensausgabe im Wirtschaftshof des Heinrich Pesch Hauses ist täglich von 12 bis 13 Uhr geöffnet. Jeder kann ein Essen mitnehmen, das in der Küche des Tagungshauses frisch gekocht wird. Die katholi- © SJ-Bild Requiem für Pater Adolfo Nicolás SJ.

schen Gemeinden Ludwigshafens und das Heinrich Pesch Haus sind die Initiatoren. Sie möchten mit Mahlze!t LU ein Zeichen der Solidarität setzen – auch wenn die Corona-Krise das Heinrich Pesch Haus hart trifft, Tagungshaus und Hotel seit Mitte März geschlossen sind. „Aber wir wollen unsere Küche in dieser Krisenzeit nicht einfach leer stehen lassen, sondern sie wenigstens dafür einsetzen, dass auch andere Menschen, die es nun besonders hart trifft, gut durch die Krise kommen“, sagt der Direktor des Heinrich Pesch Hauses, Pater Tobias Zimmermann SJ. Radikaler Wandel in der EU notwendig Der Jesuitenorden in Europa mahnt nach den wiederholten Ausbrüchen des Coronavirus auf dem Kontinent eine Förderung „echter ethischer und sozialer Solidarität“ an. In einem gemeinsam veröffentlichten Appell fordern die Jesuitenprovinziäle die EU auf, hart daran zu arbeiten, „die existenzielle Bedrohung zu überwinden, die vom gegenwärtigen Mangel an Bereitschaft zu internationaler Solidarität ausgeht“. Die Erklärung ist von den 20 europäischen Jesuitenprovinziälen sowie dem Präsidenten der Provinziälekonferenz unterzeichnet. Die Coronavirus-Pandemie habe das Bewusstsein aller Völker Europas gestärkt, dass sie zutiefst miteinander verbunden sind. Paradoxerweise entdecken die Menschen gerade in einer Zeit, in der die Kirchen leer sind, die christliche Botschaft der Solidarität neu. Dieses Bewusstsein sei ein Motor des Wandels: „Den Menschen zu helfen, in der moralischen Tugend der Solidarität zu wachsen, ist Teil der Berufung der Kirche.“ JWL macht Lehrer fit fürs ONLINE-Lernen Digitale Lehr-Lernmethoden sind Inhalt eines neuen eEducation-Kurses, den Jesuit Worldwide Learning (JWL) in Zusammenarbeit mit der Katholische Universität (KU) Eichstätt-Ingolstadt und der Firma Seitwerk GmbH inzwischen auch für © Heinrich Pesch Haus Mahlzeit LU Übergabe an die Ehrenamtlichen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==