Jesuiten 2020-2

Kirche im Lebensraum der Menschen Ein Priester, der alleine mit der Monstranz durch die verlassene Fußgängerzone zieht, um die Menschen zu segnen; Hostienschale und Kelch auf dem Wohnzimmertisch; Palmbuschen und Osterkerze für die Feier der Kartage in den eigenen vier Wänden: Es sind ungewohnte Bilder, die in der CoronaPandemie um die Welt kreisen. Bilder, die erzeugt werden, da es nicht mehr möglich ist, so Kirche zu sein, wie man das bisher gewohnt war. Die Kirchengebäude als Kristallisationspunkt des gemeindlichen Lebens sind wegen der Ansteckungsgefahr nicht zugänglich. Öffentliche Gottesdienste in Gemeinschaft gar untersagt. Die Frage, die aufreißt: Welche Auswirkungen haben diese widrigen Umstände für die Kirche? Was können wir als Kirche aus dieser Krisenzeit lernen? Die Beobachtung, die sich aufdrängt, zeigt eines sehr deutlich: Kirchliches Leben und Handeln fällt nicht einfach aus, aber es erhält einen neuen Ort. Nicht mehr der Altar ist der Ort, auf dem Eucharistie gefeiert wird, sondern der Wohnzimmertisch. Nicht mehr das Kirchengebäude ist der Ort, um gemeinsam zu beten, sondern die eigene Wohnung wird zur Hauskirche, in der man miteinander auf Gottes Wort hört und es wirken lässt. Der Gottesdienst findet nicht mehr an einem dafür vorgesehenen Ort statt. Die Kirche lernt, die pluralen Orte des menschlichen Zusammenlebens für sich zu entdecken. Hier, mitten in den Lebensräumen der Menschen, gewinnt die Kirche an konkret erfahrbarer Gestalt. Diese Erfahrungen verändern die Kirche. Sie machen deutlich, dass Grenzen von Pfarreien fluide sind, Pfarrgemeinden zerfließen in einer prekären Lage, in der das Kirche-Sein nicht mehr über eine territoriale Struktur gefasst werden kann. Kirche, 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER]

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