Jesuiten 2020-2

JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] Zwischen Dank und Klage Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden besteht immer aus ganz konkreten Menschen, die zusammenkommen. Sie ringen um eine gemeinsame Deutung des Lebens. Kirche geht nur zusammen mit anderen Menschen: Jesus ist nicht in der Wüste geblieben und nicht allein umhergezogen. Vielmehr hat er sehr früh andere in das Verständnis seiner Aufgabe einbezogen. Er hat Menschen in seiner Nähe geschult – mit mehr oder weniger großem Erfolg – und sie dann in die Verkündigung und Sammlung entsandt (Mk 3, 14). Paulus hat das dann ohne unmittelbare Zeitgenossenschaft mit Jesus erstmals in größeren Dimensionen realisiert: Immer wird die Frohe Botschaft unmittelbar von Mensch zu Mensch weitergereicht und bezeugt. Und sie wird gemeinsam vertieft und gefeiert. Gerade erleben wir, dass die bisherigen Formen dieses gemeinsamen Tuns zerbrechen, und wir können noch nicht erkennen, was an die Stelle von Pfarrgemeinden treten soll: Hausgemeinden? Geistliche Zentren? Vereinzelung? Digitale Communities? Wie auch immer. Welche Elemente von Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden wirklich wichtig sind, können wir im Blick auf unsere eigene Erfahrung herausfinden: Welche Menschen haben mich denn in den Glauben geführt oder gelockt? Wer hat mich im Glauben bewahrt und wer hat mich tiefer hineingeführt? Solche Erinnerungen können zu einer Danklitanei in meinem Beten werden, zu einer Art privater Heiligenlitanei: Die Schutzpatrone meiner Kirchenzugehörigkeit und meines Glaubens. Und eine zweite Frage: Wie bin ich denn diesen Menschen begegnet? Das kann mich ins Gebet darum führen, dass solche Begegnungen auch weiterhin zustande kommen mögen, auch noch in unseren Zeiten, in denen sich alles zu verändern scheint. Wie alle Menschen können auch wir nur zu Zeuge*innen und Zusammenführer*innen werden, wenn uns jemand die Frohe Botschaft bezeugt und uns zusammenführt – wie immer das auch in Zukunft aussehen wird. Die Kirche entsteht und besteht immer aus ganz konkreten Menschen, die sich als Zeuge*innen und Zusammenführer*innen in Dienst nehmen lassen. Aber spätestens hier sehen wir auch die andere Seite der Medaille: Der andere und die andere sind eben ganz konkret anders als ich. Das macht sie aus, aber das ist auch ihre Zumutung. Sie kommen möglicherweise zu anderen Einschätzungen oder Handlungsweisen als ich. Aus diesem Grund gibt es in dieser Kirche, selbst in der anfänglich kleinen Jüngerschar, von Beginn an Probleme: Die Zebedäus-Söhne beispielsweise, die im Reich Gottes vorne sitzen wollen (Mk 10, 35-45). Hananias und Sapphira, die ihre Gemeinde belügen (Apg 5, 1-11). Petrus, der wieder einmal einknickt und sich nicht mehr traut, mit Heidenchristen gemeinsam zu essen (Gal 22 GEISTLICHER IMPULS © Christian Huhn

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