Jesuiten 2020-2

5 JESUITEN n JUNI 2020 n KIRCHENBILD[ER] SCHWERPUNKT Kirche der Verbündeten – Mehr als eine Utopie Als zu Beginn der Coronakrise einige Bischöfe verkündeten, die Sonntagspflicht sei nun aufgehoben, waren so manche bitteren Kommentare zu hören. Der Erlass erweckte den Eindruck, als gebe es noch so etwas wie ein Kirchenvolk, das seinen Gottesdienstbesuch von oberhirtlichen Anweisungen abhängig mache. Längst suchen sich Menschen, die dies überhaupt noch für wichtig halten, die Kirche ihrer Wahl aus. Weil ihnen ein bestimmter Kirchenraum gefällt oder ihnen der Stil der Liturgie oder die Theologie des Predigers zusagen. Immer häufiger entscheidet die subjektiv empfundene Qualität der sonntäglichen Eucharistie darüber, ob Menschen zur Kirche kommen oder nicht. Viele gehen mit ihrer Kirchenmitgliedschaft um wie mit ihrer Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Sie fühlen sich irgendwie verbunden, zahlen ihre Beiträge, gehen aber nicht hin. Sogar das schlechte Gewissen regt sich in ähnlicher Weise wie bei einer passiven Mitgliedschaft im Fitnessclub. Das Kirchenverständnis, das seine Strukturen in der frühen Christenheit in Anlehnung an das Prinzip der Mitgliedschaft in antiken Vereinen ausbildete, ist ein Auslaufmodell. Und mit ihm stirbt die klassische Volkskirche. Dies kann man nun beklagen, gewissenhaft zu Ende verwalten oder mit eher hilflosen Selbstbehauptungsgesten künstlich am Leben erhalten. Optimistischer wäre, nach einer Kirche Ausschau zu halten, die längst am Wachsen ist. Zugehörigkeit definiert sich in dieser Kirche nicht mehr vorrangig über die formale Mitgliedschaft, sondern über tatsächlich empfundene und gelebte Verbundenheit. Es ist eine Kirche der Bündnisse, zu denen sich Menschen selbstbestimmt zusammenfinden. Zu Gottesdiensten, weil sie sich in der christlichen Spiritualität zu Hause fühlen oder weil sie gerade an Lebenswenden in der Kirche für sich kompetente Begleitung erwarten. Zu sozialen Projekten, weil sie sich mit ihren Wertvorstellungen in der christlichen Nächstenliebe wiederfinden. Auch für dieses Modell einer Kirche von Menschen, die mit christlichen Werten sympathisieren ohne Kirchenmitglieder zu werden, gibt es neutestamentliche Vorbilder. So erwähnt die Apostelgeschichte die „Gottesfürchtigen“, die sich der jüdischen Ethik aber auch dem monotheistischen Gottesbild und damit den konkreten Synagogengemeinden verbunden fühlten, ohne aber selbst Jude oder Jüdin zu sein (Apg 10, 2; 13, 26). Diese Kirche, die keine Utopie ist, weil sie jenseits der verfassten Kirche bereits existiert, gilt es zu entdecken. Burkhard Hose © Christian Huhn

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