Jesuiten 2020-3

nennen. Oder im Gegenteil, allein auf das menschliche Handeln zu vertrauen und uns wie ein Mantra zu wiederholen: „Wir werden es schaffen, wir werden es schaffen“, wobei wir aber die Erbsünde vergessen, die sich in all unseren Bemühungen in einer Art latentem „Pelagianismus“ eingenistet hat, also die Einstellung: Wir haben den Heiligen Geist und das Bewusstsein für die Probleme, also kann sich die Menschheit auch selbst erlösen. Nichts im Glauben garantiert uns aber den Erfolg unserer Bemühungen in der historischen Ordnung, und Gott hat nie gesagt oder garantiert, dass in der Geschichte alles gut ausgehen wird. Sein ganzes Vertrauen auf Gott zu setzen, bedeutet nicht, dem Handeln zu entsagen, und Handeln bedeutet nicht, an den Erfolg seiner Bemühungen zu glauben. Mehr denn je gilt die berühmte Maxime des ungarischen Jesuiten Gábor Hevenesi (1656-1715): „Vertraue auf Gott, als hinge der ganze Lauf der Dinge von dir ab, überhaupt nicht von Gott. Lege jedoch alles in deine Werke hinein, als ob nichts von dir und alles von Gott allein getan werden müsste“. Weder pietistische Resignation noch voluntaristischer Aktivismus. Es ist ein schmaler Grat, aber es ist der einzige, der es uns erlaubt, zu gehen. Jesus lädt uns ein, einerseits auf Gott zu vertrauen, weil wir wissen, dass „es für die Menschen unmöglich ist“ (Mt 19,26), und andererseits entschlossen für das Gute zu handeln: „Nicht indem sie zu mir sagen: ‚Herr, Herr‘, werden sie in das Himmelreich kommen, sondern indem sie den Willen meines Vaters im Himmel tun“ (Mt 7,21). Durch ihre kontinuierliche Akzeptanz des Lebens, insbesondere dadurch, dass sie vertrauensvoll weiter Kinder zur Welt bringen – was mehr und mehr zu einem eminent politischen und spirituellen Akt wird – und durch ihr klares und gelassenes Engagement in dem langen Ringen um eine Veränderung unserer Lebensweise legen Christ*innen hier und heute Zeugnis von ihrem Glauben ab. Bis zum Ende wird das Leben lebenswert sein, denn unabhängig von den Bedingungen, unter denen wir uns befinden, wird es möglich sein, zu lieben. Und Gott hat uns aus Liebe und zur Liebe geschaffen. Marc Rastoin SJ 11 JESUITEN n SEPTEMBER 2020 n APOKALYPSE Sein ganzes Vertrauen auf Gott zu setzen, bedeutet nicht, dem Handeln zu entsagen.

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