Jesuiten 2020-3

13 JESUITEN n SEPTEMBER 2020 n APOKALYPSE SCHWERPUNKT Ziviler Ungehorsam als gefühlte Pflicht einer Christin „Willst du bei einer Aktion des zivilen Ungehorsams mitmachen?“ Diese Frage, die zunächst einfach zu sein schien, stellte mich vor eine Möglichkeit, die mir bis dahin kaum in den Sinn gekommen wäre. Um darauf zu antworten, begann ich, mich umzuhören, zu lesen und mich ein wenig für solche Aktionen auszubilden. Ich habe zunächst an Kleingruppenaktionen teilgenommen. Die erste bestand darin, an einer Tankstelle von Total ein Transparent gegen ein Bohrprojekt an der Mündung des Amazonas hochzuhalten. Das war Teil einer von Greenpeace und „Action Non Violente Cop 21“ geführten Kampagne, einer breiten Bürgerbewegung, die sich mit gewaltfreien Aktionen für Klimaschutz und gegen klimaschädliche Projekte engagiert. Mit der Anti-Werbungs-Bewegung habe ich an der Abdeckung von Werbeplakaten teilgenommen. Wir bereiten Plakate vor, auf denen Bäume abgebildet sind oder die das Konsumverhalten anprangern, dann hängen wir sie über die Werbung am Straßenrand. Ich hatte dann die Gelegenheit, mich an einer größeren Aktion zu beteiligen: an der Blockade der Zufahrt vor der Zentralfiliale der Société Générale in Paris. Ziel war es, die Investitionen dieser Bank in fossile Brennstoffe anzuprangern. Wir waren sehr viele, und wir mussten mit einer Konfrontation mit der Polizei umgehen. Damals fragte ich mich: „Warum werde ich gerade mit Tränengas beschossen, obwohl ich mich für das Gemeinwohl einsetze?“ Jedes Mal ist die Abfolge der Ereignisse klar und präzise, jeder und jede hat eine klar zugewiesene Rolle, wir kümmern uns umeinander und Gewaltlosigkeit ist die Grundlage. Das ist sehr beruhigend. Nach und nach habe ich gelernt, den zivilen Ungehorsam als ein Ausdrucksmittel und eine politische Handlungsweise unter anderen zu sehen. Ich denke, dass es zu meiner Pflicht als Bürgerin und Christin gehört, das anzuprangern und sich dem entgegenzustellen, was unserem „gemeinsamen Haus“ schadet. In der Enzyklika Laudato si’ fordert Papst Franziskus die Bürgerinnen und Bürger auf, Druck auf die Entscheidungsträger auszuüben. Es ist komplementär zu allem anderen, was ich tue: meine Konsumweise ändern, meine Beziehung zur Schöpfung überdenken, Zeugnis geben, an Klimamärschen teilnehmen, Konferenzen und Veranstaltungen organisieren... und zu meinem Engagement gehört es schließlich auch, den Schritt des zivilen Ungehorsams zu wagen. Laure-Hélène Canette © Kallejipp photocase.com

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==