Jesuiten 2020-3

Kinder sind mehr als Schule Der Lockdown hatte auf viele Menschen immense Auswirkungen: Kurzarbeit, Homeoffice, Homeschooling. Es wurde auf Lehrer geschimpft, Eltern fühlten sich überfordert – wie ging es den Kindern? Die Frage wurde viel zu selten gestellt. Jürgen Strohmaier ist Referatsleiter im Kommunalverband für Jugend und Soziales in Baden-Württemberg. Wie haben Sie die Corona Krise mit den Kindern erlebt? Jürgen Strohmaier: Mit Blick auf unsere Einrichtungen wurden die Heimkinder gut und sicher versorgt. Gegenüber Kindern, die bei Ihren Eltern leben, waren sie aber im Nachteil, weil sie während des Lockdowns ihre Eltern nicht bzw. nur unter erschwerten Bedingungen besuchen konnten. Kinder, die bei ihren Eltern leben, haben in der Krise die notwendige soziale und emotionale Zuwendung von ihren Eltern bekommen können, unsere Kinder eben nicht. Umso mehr musste das pädagogische Personal in den Einrichtungen diese Notwendigkeit kompensieren. Das war und ist eine große Herausforderung. Zum Teil wurde in der Zeit der eine oder andere psychosoziale Konflikt wieder aktiviert, aufgrund dessen die Kinder überhaupt in die Einrichtung gekommen sind. Der Jesuitenorden betreibt die Internatsschule Kolleg St. Blasien. Es war ein enormer Kraftakt, den Schulausfall mit einem adäquaten Freizeitprogramm zu kompensieren. Teilweise war eine schulische Unterforderung spürbar. Wie sind Ihre Einrichtungen damit umgegangen? Strohmaier: Die Herausforderung, Kinder zu beschäftigen, hat sehr viel Fantasie gefordert: Verloren geglaubte Qualitäten bzw. Spielkulturen wurden reaktiviert. Zum Beispiel Kartenspiele und Spiele – von ‚Mensch ärger dich nicht‘, ‚Siedler‘ bis hin zu ‚Monopoly‘ - haben wieder an Bedeutung gewonnen, ebenso Tätigkeiten wie Häkeln, Stricken, Tonen oder Basteln. Den pädagogischen Fachkräften ist aufgefallen: Kommunikation, die nicht nur über neue Medien verläuft, sondern über althergebrachte Formen, hat eine andere Qualität für das Miteinander. Wenn ich dem anderen wieder mehr in die Augen schaue und nicht nur auf mein Smartphone, verändert sich meine Aufmerksamkeit. Aber das sind Themen, die in der Corona-Zeit die gesamte Gesellschaft betreffen. Um die Situation in den Schulen ist viel gesprochen wurden, aber wie steht es um die anderen Aspekte im Leben eines Jugendlichen? Schließlich sind auch die vielfältigen 14 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2020 n APOKALYPSE

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==