Jesuiten 2020-4

den. Wer sie sucht, muss demütig sein vor denen, die sie geben. Gnade und Stolz gehen nicht zusammen. Gnade und Verleugnen gehen nicht zusammen. Gnade und Unaufrichtigkeit passen nicht zusammen. Wer Gnade gewährt, muss wählen. Gnade kann nicht verdient, aber sie kann gewährt werden. Wer sie sucht, erkennt die erhobene Position des Gebers an … und hofft. Dies ist die Gabe der Gnade: Wenn sie gewährt wird, heilt sie beide Seiten. Unsere Sünden sind kollektiv und ihre Folgen systematisch. Wir können solche Ungerechtigkeiten, die in Handlungen und Unterlassungen von Jahrhunderten wurzeln, nicht durch individuelle Tugend reparieren. Um Amerika zu heilen müssen wir tief, nachhaltig, systematisch und kollektiv tätig werden. Wir brauchen eine Präsidentschaft mit dem Namen: „American Grace“. Wie würde eine solche Präsidentschaft aussehen? In den vier Jahren dieser Präsidentschaft bräuchte es vier Schritte zur Verwirklichung dieser Gnade, vier nationale Initiativen. Im ersten Jahr: Anerkennung. Medien, Bundesstaaten, Kommunen und Schulen sollten die Ungerechtigkeiten gegenüber den Afroamerikanern und Indigenen dokumentieren und anschaulich machen. Es geht darum, dass alle begreifen, dass diese Sünden unsere Handlungen sind, für die wir verantwortlich sind und die unseren Charakter widerspiegeln. Wir müssen kollektiv bekennen. Im zweiten Jahr: Würdigung. Eine Bildungsinitiative auf den genannten Ebenen, die verdeutlicht, wie Afroamerikaner und Indigene an unseren Taten leiden, früher und heute. Wir werden nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für deren Folgen Verantwortung übernehmen. Die ersten beiden Jahre sollten nicht einfach ein erweiterter Geschichtsunterricht sein. Es geht nicht darum, Minderheiten eine Stimme zu geben. Im Gegenteil, den Weißen muss eine Stimme gegeben werden, die sagt: „Wir haben es getan. Wir haben es Euch angetan. Es kam aus einem dunklen Ort, einem Ort des Bösen, es ist eine Dunkelheit, die noch in uns ist. Wir können diese Dunkelheit nicht bekämpfen, ohne sie ans Licht zu bringen.“ Amerika hat dies nie wirklich gemeinschaftlich getan. Im dritten Jahr: Abbitte. Hier geht es nicht um Kommunikation, sondern um sinnvolle Reformen und Gesetzgebung, die ein Handeln vorbereitet: Reparationen, Justizreform, Bildungsreform, Armutsbekämpfung. Im vierten Jahr: Wiedergutmachung. Die Abbitte des dritten Jahres muss umgesetzt und die Einheit durch Gnade gesucht werden. Die Führer von Afroamerikanern und Indigenen und ihre Gemeinschaften müssen entscheiden, ob das vierte Jahr ausgedehnt werden muss. Gregg Rosenberg (Übersetzung von Matthias Rugel SJ) 19 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

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