Jesuiten 2020-4

Hören 2020/4 ISSN 1613-3889 Jesuiten

Titelbild © Philipp Shuruev, Shutterstock Wann beginnt eigentlich der Vorgang, den wir »Hören« nennen? In dem Moment, in dem die Schallwellen auf das Trommelfell treffen? Oder dann, wenn das Gehirn die akustischen Signale verarbeitet? Das ist gar nicht so leicht zu bestimmen. Was jedoch klar ist: Hören braucht Offenheit, also einen Raum und eine Haltung, in der Dinge von außen ihren Platz bekommen und eine Leerstelle vorfinden. Solche Leerstellen zeigen die Bildmotive in dieser Ausgabe: Freiräume und Unbesetztes – mitten im Alltag, mitten im Trubel, mitten im Hinundher. Wenn Sie möchten: Lassen Sie sich einladen, auf die Leerstellen vielleicht Stichworte oder Notizen zu schreiben; also Dinge, die Ihnen beim Lesen kamen und von Ihnen Gehör fanden. Stefan Weigand Diese Druckerzeugnis wurde klimaneutral hergestellt, d.h. die mit der Produktion quantifizierten CO2-Emissionen werden durch Klimaschutzzertifikate kompensiert. Ausgabe Dezember/2020 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Die Aussage des anderen retten 4 Wer nicht hört, ist wie ein Götze 6 Im Chat zuhören?! 8 Von außen angesprochen – innerlich ergriffen 11 Anamnese und das zweite Hören 12 H ören mit fliegenden Händen 14 Listening is loving 16 Heilende Musik – Gespräch mit dem Komponisten Wilfried Hiller 16 Zuhören und Redlichkeit 18 Gesucht: Eine US-Präsidentschaft der American Grace 20 Papst Franziskus, das Zuhören und die Sendung Geistlicher Impuls 22 Werdet Täter des Wortes, nicht nur Hörer Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 28 Verstorbene Medien/Buch 29 Michael Bordt SJ -„Die Kunst, unserer Sehnsucht zu folgen“ Dag Heinrichowski SJ – „Gott mitten im Leben entdecken“ Vorgestellt 30 Jugendliche begleiten und Mensch für andere werden 33 Die besondere Bitte 34 In dieser Ausgabe schrieben 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, wie hört sich die Weihnachtsbotschaft für Sie an? Für die Hirten auf den Feldern um Betlehem sang ein Chor der Engel: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden, den Menschen seiner Gnade! Sie hören da vielleicht unmittelbar Bachs Weihnachtsoratorium oder Händels Messias. In diesem Jahr, in dem wir mit der Corona-Pandemie zu kämpfen haben, in dem Krieg und Gewalt nicht weniger wurden und auch das Miteinander in unserer Gesellschaft nicht immer leicht war, braucht es wirklich, so scheint es, einen strahlenden Chor der Engel, der uns die weihnachtliche Botschaft jubelnd und deutlich vernehmbar verkündet. In diesem Heft wollen wir Ihnen zum Jahresabschluss einige Gedanken rund um das Thema „Hören“ mitgeben, die zu einem eher besinnlichen Hineinlauschen in verschiedene Erfahrungen und Lebensräume einladen. Die Redaktion dieses Heftes haben Pia Dyckmans, Sebastian Maly SJ, Matthias Rugel SJ und Stefan Weigand übernommen. So hören wir zum Beispiel, welche Auffassung Ignatius von Loyola von einem hilfreichen Gespräch hat oder welche Bedeutung das Zuhören als Haltung für die Kirche in den Worten von Papst Franziskus gewinnt. Wir folgen der Bedeutung des Hörens und des Klanges in der jüdischen wie auch muslimischen Tradition und bekommen Eindrücke davon, wie ein Gehörlosenseelsorger und eine Chatberaterin damit umgehen, dass Zuhören auch auf andere Weise als durch den Gehörsinn geschieht. Wir lauschen den Erfahrungen einer Politikerin, eines Komponisten und eines Arztes mit dem Zu- und Hinhören auf Welt und Menschen und lesen, wie sich im amerikanischen Kontext aus dem Hören auf die Unterdrückten eine Dynamik zur gesellschaftlichen Versöhnung entwickeln könnte. Schließlich vernehmen wir etwas vom Gebet, das, wie jedes gute Gespräch, vom Wechsel von Wort und Schweigen lebt. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit, in der die Weihnachtsbotschaft, laut oder leise, still oder in vollem Klang, so zu Ihnen dringt, wie sie sich für Sie in diesem Jahr vernehmen lässt. Ihr Pater Jan Roser, Provinzial der Deutschen Provinz 1 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

Die Aussage des anderen retten Ignatius hat seine „Geistlichen Übungen“ als Handbuch zum Begleiten von geistlichen Übungen oder Exerzitien geschrieben. Und so findet sich folgende Stelle in seinem Werk (GÜ 23): „Damit sowohl der, welcher die geistlichen Übungen gibt, wie der, welcher sie macht, sich gegenseitig mehr helfen und nützen, müssen sie voraussetzen, dass jeder gute Christ mehr dazu bereit sein muss, die Aussage des Nächsten für glaubwürdig zu halten, als sie zu verurteilen. Vermag er sie nicht zu rechtfertigen, so forsche er nach, wie jener sie versteht […] und wenn das nicht genügt, so suche er nach allen angemessenen Mitteln, damit jener zu ihrem richtigen Verständnis gelange und so sich rette.“ Bemerkenswert ist, welche Perspektive Ignatius hier auf das Geschehen von Begleitung einnimmt. Beide, Begleiter*in und Begleitete*r, helfen einander mehr, wenn sie sich wertschätzend statt bewertend zuhören und so die Gefühle und Gedanken des anderen erst einmal stehen lassen, egal, ob mir gefällt, was der andere sagt oder nicht. Dann ist es für Ignatius wichtig, Fragen zu stellen, nicht nur, wenn ich als Zuhörer*in etwas nicht verstehe, sondern auch, um das Gegenüber anzuregen, die eigene Gefühls- und Gedankenwelt noch mehr zu erforschen. Und es geht letztlich nicht darum, dass ich als weiser Zuhörer*in mein Gegenüber verstehe, sondern dass ich ihn unterstütze, dass er seine Aussagen und sich selbst besser versteht – und so sich rettet. Diese Hinweise entwerfen ein Verständnis von Begleitung, bei dem es nicht um Ratschläge oder um Belehrung geht. Begleiter*in und Begleitete*r sind vielmehr auf Augen- und Ohrenhöhe. Ziel ist, dass das Gegenüber selber dahin findet, sich zu retten. Ignatius formuliert hier Grundsätze der Gesprächsführung, die bis heute aktuell sind. Für die „Rettung“ der Aussage des anderen gibt es ein wunderbares Werkzeug in der Gesprächsführung, das sogenannte „Reframing“. In einen anderen Kontext oder Rahmen („Frame“), in ein anderes Licht gestellt, hört sich eine Aussage plötzlich anders an. Ein paar Beispiele: „Ich gebe meiner Partnerin immer zu schnell nach.“ „Sie können ihr also zeigen, dass Sie sie lieben, wünschen aber, das auch noch auf andere Weise zu tun.“ – „Mein Sohn ist in der Schule immer so zappelig, er ist der Klassenclown.“ „Wie wunderbar, er kann andere zum Lachen bringen!“ Ein solcher Kommentar kann einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Ein solches „Reframing“ unterbricht den Strom vorgefertigter und festgefügter Meinungen, die jemand über sich hat. Plötzlich sieht meine Welt anders aus, ein bisschen heiler als sonst. 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN © Halfpoint iStock.com

Am Ende der Erzählung der Begegnung von Jesus mit dem Zöllner Zachäus sagt Jesus: „Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ (Lk 19,10). Jesus meint damit zunächst konkrete Menschen, die sich in ihrem Leben von Gott scheinbar ganz abgewandt haben. Bevor diese Abwendung geschieht, verlieren solche Menschen oft den Blick für ihren Lebenskontext. Ihnen fehlt eine rettende Perspektive auf ihre Gedanken, Gefühle, Aussagen – auf ihr Leben. So einfach könnte also das Reich Gottes manchmal unter uns sichtbar werden. Das Heil kommt uns nahe, wenn wir im Gespräch das Leben unseres Gegenübers in ein anderes Licht rücken. Und in diesem Licht schaut er dann vielleicht das Licht, das von Gottes unbedingter Liebeszusage her auf sein Leben scheint. Wer so zuhört, hilft dem anderen, den Boden seiner Seele umzugraben, um dort neu einzusäen oder vielleicht den Schatz, der erstrebenswerter ist als alles andere, mitten im eigenen Leben zu finden. Sebastian Maly SJ JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN 3

Wer nicht hört, ist wie ein Götze Der Exodus ist die zentrale Erzählung der hebräischen Bibel: Gott führt das Volk Israel aus der Gefangenschaft in die Freiheit, aus dem Schattendasein zur Fülle des Lebens. Der größte Teil der Geschichte ist dem Weg durch die Wüste gewidmet. Es ist ein Weg, auf dem Gott sein Volk erzieht. Erziehung zu mündigem Leben aber bedeutet Schulung der Sinne. Die Götzen Ägyptens haben nämlich Augen und sehen nicht, Ohren und hören nicht, eine Nase und riechen nicht, Hände und können nicht fassen (Ps 115,5ff). Der lebendige Gott aber sieht das Elend der Israeliten; er hört auf ihren Schrei (Ex 3,7). Mit starkem Arm greift er ein. Das Antlitz, wo vier der fünf Sinne zu Hause sind, wendet er den Israeliten zu. Der Mensch soll das lebendige Antlitz Gottes suchen. (Ps 27,8) Er soll die Sinne verwenden wie Gott. Das Antlitz verbergen, hester panim wie es die jüdische Theologie sagt, lässt hingegen den destruktiven Kräften den Lauf. 4 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN © 279photo Studio shutterstock.com

5 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN Die Ursünde gemäß dem Judentum besteht darin, an Götzen verfallen zu bleiben. Adam und Eva, die im Garten Eden vom verbotenen Baum der Erkenntnis essen, begehen für Juden nicht die Ursünde. In Gen 3 gibt es keinen Sündenfall. Nicht einmal eine Frucht fällt zu Boden. Der Mensch muss zu erkennen versuchen, auch wenn er sich dabei schuldig macht. Die Urschuld ereignet sich vielmehr in der Wüste, auf dem Weg der Erziehung, wenn die Israeliten das goldene Kalb verehren. (Ex 32) Gold und Glanz täuschen die Sinne. Der Mensch bleibt im Vordergründigen stecken. Er verdinglicht Gott, stößt nicht zum Lebendigen vor. Wie kann Schulung der Sinne gelingen? Schmecken, Riechen und Tasten sind die drei Nahsinne; für das Kleinkind sind sie ganz wichtig. Alles muss in den Mund genommen werden. Archaisch ist das Riechen. Wird der Mensch erwachsener, werden die Fernsinne zentraler, das Sehen und das Hören. Das Sehen eröffnet den Raum, bis hin zu den Sternen im All. Still verweilend, kann man etwas anschauen, ein Bild, eine Landschaft. Kontemplari heißt verdichtet sehen. Die platonische Tradition legt den Akzent auf die Schulung des Schauens: In der theoria das Wesen des Kosmos schauen; zur visio beatifica, zur glücklichen Schau, finden. Das Judentum geht von der schmerzhaften Erfahrung der Ungerechtigkeit aus. Es ist nicht in erster Linie auf das Jenseits ausgerichtet, wo der Mensch vielleicht ewig schaut wie im Paradies. Es wendet sich dem Diesseits zu. Juden wollen zuerst die Welt gestalten, sie zu mehr Freiheit führen. Die hebräische Tradition legt daher den Akzent aufs Hören. Dieses ist eng ans Gespräch und somit ans Zwischenmenschliche gebunden. Es eröffnet die Zeit. Jedes Wort ist einen Augenblick später wieder vergangen. Das Gehörte geht sofort in die Erinnerung ein. Und doch ereignet sich im Dialog wahre Begegnung. Wer spricht, bereichert den Anderen. Wer hört, lässt den Andern bei sich eintreten. Der Hörende nimmt seine Begrenztheit an. Er lässt sich etwas sagen. Er horcht und gehorcht. Gott ruft seinem Volk zu: „Hört und werdet ihr leben.“(Jes 55,3) Dia logos, durch das Wort, ist sein Programm. Auch der jüdische Wanderprediger aus Nazareth kann nicht anderes: „Wer Ohren hat, der höre!“ (Mk 4,9) Hören, Gespräch und Handeln sind miteinander verknüpft. Darin ist das Hören auf Gott, den Herrn der Geschichte, der Angelpunkt. Daher rezitierten Juden und Jüdinnen drei Mal täglich im Gebet: „Höre Israel, der Herr unser Gott, der Herr ist einer!“ (Dtn 6,4) Dem lebendigen Anderen Zeit schenken, damit er eintreten kann, geschieht in besonderer Weise am Schabbat. Er ist ein Ruhetag zum Feiern und Hören. Er ist ein Tempel in der Zeit, ein Tag, an dem Freiheit und Fülle des Lebens schon im Hier und Jetzt erfahrbar werden. Christian M. Rutishauser SJ

6 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN Im Chat zuhören?! Im Frühjahr dieses Jahres nahm ich eine ehrenamtliche Tätigkeit bei krisenchat.de auf. Gegründet wurde das Projekt von drei ehemaligen Schülern des CanisiusKollegs. Sie riefen damit ein bundesweites, kostenloses und Rund-um-die-Uhr erreichbares Hilfsangebot für Kinder und Jugendliche ins Leben. Die Kontaktaufnahme erfolgt über WhatsApp und SMS. Die Anonymität dieser medienvermittelten Kommunikation erleichtert es vielen Jugendlichen, sich mitzuteilen und anzuvertrauen. Sie ermöglicht auch sehr ängstlichen, vorsichtigen Jugendlichen sich in einem geschützten, virtuellen Raum Unterstützung zu suchen oder sich „alles“ von der Seele zu schreiben und dabei inneren Druck loszuwerden. Das kann bereits für eine erste Entlastung sorgen, insbesondere bei mit Scham besetzten oder emotional aufgeladenen Themen. Für mich war das Chatten als Instrument der Beratung ein Novum; denn der Dialog geschieht über das Schreiben und nicht über das Reden. Weder visuelle noch auditive Eindrücke – Mimik, Körpersprache, Stimmfarbe, Atemgeräusche – beeinflussen die gegenseitige Wahrnehmung. Das kann durchaus herausfordernd für den Einstieg und den Verlauf des Gesprächs sein, aber auch sehr entlastend. Meine ungeteilte Aufmerksamkeit gilt dem Text meines Gesprächspartners. Diesen Text lasse ich auf mich wirken, um ihn zu „verkosten“. Wenn ich mich darauf einlasse, und mein Gegenüber im Chat mich lässt, bekomme ich einen Geschmack davon, was mein Gegenüber bewegt und ich kann ihn oder sie sogar an ihre „dunkelsten“ Orte begleiten. Und tatsächlich kann so auch Nähe trotz der Distanz, die das Medium schafft, entstehen. Wie tragfähig diese Nähe ist, hängt auch von meiner inneren Haltung ab und der Bereitschaft, diese zu reflektieren. Gut am Chat ist, dass dieses Medium mir dies erlaubt. Wenn ich spüre, dass ich auf einen Text auf eine Weise reagiere, die zu sehr von Eigenem gefärbt ist, wenn mich da etwas beängstigt oder wenn ich merke, dass ich zu zügig einen diagnostischen oder lösungsfokussierten Blick bekomme, obwohl dieser gar nicht gefragt ist, dann ermöglicht mir das Medium Chat innezuhalten. Ausgerechnet das Internet, das heutzutage so vieles beschleunigt, bietet mir in diesem virtuellen Raum die Möglichkeit, mich und das Gespräch zu entschleunigen. Gerne nehme ich diese Erfahrungen mit in meinen Berufsalltag und übe mich weiter im so wichtigen Zuhören! Christiane Suckow-Büchler © Olha Kozachenko shutterstock.com

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Von außen angesprochen – innerlich ergriffen. Zur Eigenart der Koranrezitation Wenn es feierlich sein soll, dann darf eine Koranrezitation nicht fehlen. So habe ich es häufig bei muslimischen Bekannten erlebt: Durchaus nicht nur im liturgischen Gebet, sondern auch bei privaten Feiern wie bei der Hochzeit, bei der Trauer oder anlässlich der Geburt eines Kindes wird aus dem Koran rezitiert. Das ist festliche Dekoration, aber auch mehr – es ist die eigentliche Form, in der der Koran gegenwärtig ist. Der Koran ist kein Lesebuch: Das Buch aufzuschlagen und einfach eine Passage vorzulesen, wie Christ*innen es mit der Bibel tun, ist für Muslime eher unvertraut. Das passt übrigens auch gut zum literarischen Genre des Textes, denn der Koran ist anders als die Bibel wenig erzählend. Kurz: Gehört werden wollen beide, aber doch auf unterschiedliche Art. Die Rezitation ist, schaut man näher hin, ein ziemlich originelles Hörgeschehen. Zum einen ist ganz klar, dass es sich nicht um die eigenen Worte der Rezitierenden handelt: Der Text muss wortgetreu wiedergegeben, die grammatischen Formen müssen genau beachtet werden. Auch der Vortrag ist alles andere als Ausdruck spontaner Kreativität oder subjektiver Stimmungen. Die Rezitation ist eine eigene Kunst, taǧwīd genannt, die genauen Regeln folgt. Gelernt müssen nicht nur die Melodieführung, sondern vor allem die genaue, kunstvolle Artikulation, die Längen von Konsonanten und Vokalen und die Pausen, die den Rhythmus ausmachen. Zum anderen aber ist die Rezitation auch keine mechanische Wiederholung von Auswendiggelernten. Die Rezitation ist eine einmalige Aufführung, die Modulationen und der Rhythmus ergeben sich jeweils neu. Deshalb genießen begabte Rezitatoren ein hohes Ansehen, die Stimme der berühmten ägyptische Sängerin Umm Kulṯūm war geschult an der Koranrezitation. Der – oder außerhalb salafistischer Kreise auch die – Vortragende ist dabei involviert und persönlich gefordert. Die Rezitation soll im Zustand äußerer und innerer Reinheit geschehen und oftmals ergreift die emotionale Präsenz des Korantextes auch die Rezitierenden selbst. Tränen sind kein Manko für starke Männer und Frauen, wenn es um Gottes Wort geht. So ist das Wort des Koran in der Rezitation zugleich ganz äußerlich, objektiv unverfügbar, und ganz innerlich, subjektiv ergreifend. Die Rezitation führt auf, immer neu, dass Gottes Wort einmalig ist, von außen dem Menschen zugesprochen wird und als solches von ihm gehört werden soll. Und wie höre ich nun als Christ eine Koranrezitation? Nachdem ich durchaus 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN © voyata iStock.com

auch unterschiedliche Qualitäten und Begabungen kennengelernt habe, höre ich zunächst auf künstlerischer Ebene gerne zu. Tatsächlich ist die rhythmische Präsenz und die klangliche Qualität des Arabischen berückend. Das gläubige Erleben, dass hier ein Wort von außen an mich herantritt und zugleich innerlich ergreift, ist mir ästhetisch nachvollziehbar. Zugleich kann ich die künstlerische Qualität nicht vom Inhalt trennen. Und da weiß ich natürlich schon gerne, was gerade rezitiert wird. Nicht zu allem kann ich Ja sagen – mein Hören ist eben nicht nur Überwältigtwerden, sondern auch eine eigenständige Antwort, die ich verantworten muss. Aber natürlich gibt es Passagen des Koran, die ich auch als Christ bejahen kann. Und wenn diese mit Liebe und Aufmerksamkeit rezitiert werden, warum sollte ich dann nicht auch hier zum mitbetenden Hörer des Wortes werden? So gilt auch für dieses Hören ein jesuitisches Je nachdem. So wie es der Islamwissenschaftler und katholische Theologe Hans Zirker einmal schrieb: Es gilt, „die Rede aufmerksam zu hören, die den Muslimen Ereignis von ,Gottes Wort‘ ist und vielleicht auch christliche Leser − unter ihren Voraussetzungen, in bestimmten Hinsichten − als ,Gottes Wort‘ ansprechen kann.“ Tobias Specker SJ 9 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

Anamnese und das zweite Hören Bereits im 1. Semester ihres Studiums konfrontiert man angehende Ärzte mit der essenziellen Grundlage des von ihnen angestrebten Berufes: vor der Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt und 70 % der Diagnose sind Anamnese. In der Beziehung zwischen Ärzt*in und Patient*in geht es also um das Gespräch, das mit der Erwartung an eine besondere Fähigkeit des ärztlichen Zuhörens verknüpft ist. Im öffentlichen Diskurs wird allerdings bezweifelt, ob Patient*innen heute wirklich gehört werden. Das Zeitfenster für ein Miteinander im Dialog scheint kleiner zu werden. Objektive Messwerte sollen die subjektive Bewertung des Gehörten ersetzen. Das kann soweit gehen, dass das Zuhören einfach an den Psychologen delegiert wird. Wie man es im Share-Holder-Value-getriebenen Kapitalismus gewohnt ist, wird das zeitaufwendige und mühevolle Zuhören „outgesourct“. Aber durch den Verlust des Zuhörens wird die Medizin selbst zum Krankheitsfall. Ich behandle als Arzt vor allem Menschen mit chronischem Schmerz. Die Weltgesundheitsorganisation definiert solchen Schmerz als „unangenehme Empfindung, die ihre ursprüngliche Warnfunktion verloren hat“. Der Schmerz als Symptom hat sich verselbständigt und erfasst alle Dimensionen der menschlichen Existenz. Wenn neben der biologischen auch die psychische und die soziale Domäne einbezogen sind, wird aus dem Symptom Schmerz ein Zustand des Leids. Eine erfolgreiche Therapie setzt die Fähigkeit des Arztes voraus, Schmerz und Leid gut zu unterscheiden. Gelingen kann dies nur in einem empathischen Duett aus zugewandten Fragen und offenem Zuhören. Aber auch die Fähigkeit des Zuhörens ist eine zweifache. So wird der Therapeut*in das von ihrem Gegenüber Gesagte hören und aktiv reflektieren. Um allerdings auf die Ebene des Leides gelangen zu können, muss sich die Ärzt*in während dieses Gesprächs in einem zeitgleich stattfindenden zweiten, inneren Dialog mit sich selbst befinden, um die Dimensionen seiner Patienten zu erspüren, die den höchsten Leidensdruck erzeugen: Sei es die durch die Schmerzproblematik hervorgerufene Krise in der Partnerschaft oder der schmerzbedingte Arbeitsplatzkonflikt. Dieser innere Dialog ist die Voraussetzung, um das vom Patienten während des Gesprächs entwickelte Selbstbild zu hinterfragen und einen Blick hinter die Kulisse eines Lebens zu ermöglichen. Hört die Ärzt*in ihre eigene innere Stimme, wird Schmerz und Leid gleichermaßen erfasst. Diese Fähigkeit des äußeren wie inneren Zuhörens macht gute Medizin aus. Claudius Gall SCHWERPUNKT 11 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN © xantuanx iStock.com

Hören mit fliegenden Händen Generationen von Theologiestudierenden haben in Sankt Georgen Fundamentaltheologie mit P. Peter Knauers Buch „Der Glaube kommt vom Hören“ gelernt. Der Titel, der Bezug auf Röm 10,17 nimmt, hat eine eher leidvolle Geschichte mit Menschen geschrieben, die taub sind, denn lange wurden gehörlose Menschen lediglich für (passive) Empfänger von Seelsorge gehalten in dem Sinn, dass sie nicht hören und damit behindert und unfähig zum Glauben seien. Es ist eine moderne Haltung, dass man durchaus das Wort Gottes auch in Gebärdensprache vermitteln kann und soll – ja mehr noch: Dass gehörlose Getaufte und Gefirmte Anteil haben am (aktiven) Sendungsauftrag der Kirche. In der heutigen Pastoral spielt Inklusion eine wichtige Rolle; und so sucht man nach Teilhabe- und Teilgabemöglichkeit auch hörgeschädigter Menschen, was mich auf Ebene von Bistum, Deutscher Bischofskonferenz und Weltkirche sehr freut. SCHWERPUNKT © golibo iStock.com

13 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN Die Kirche hat sich zwar schon lange um Gehörlose gekümmert und sie gefördert, aber Perikopen wie die „Heilung des Taubstummen“ (Mk 7,35) und die Verheißungen vom Himmel (z.B. Jes 35,5f) wurden zu einem Bild gemalt, das Menschen (erst und nur dann) als „normal/gesund/ heil/ganz/OK“ zeigt, wenn sie hören können. Wie dankbar bin ich daher meinem Vorgänger, dem Kapuzinerpater Amandus Hasselbach aus der Frankfurter Liebfrauen-Kommunität, der sich vor über dreißig Jahren für das Selbstbewusstsein gehörloser Menschen eingesetzt hat, dass sie sich nicht minderwertig vorzukommen brauchten. Mich fasziniert schon seit Studienzeiten, mit Gehörlosen zu tun zu haben, und ich merke immer wieder, wie herausfordernd und reizvoll es ist, etwa biblische Texte in die Welt und Kultur der „Augenmenschen“ zu übertragen, in ihre Richtung zu erden“. Das fängt schon bei der Frage nach einer passenden Bibelübersetzung an, die Grundlage für einen gebärdeten Vortrag sein kann. Bei Texten in Bibelstunden und Gottesdiensten werde ich immer wieder darauf gestoßen, dass die Spiritualität hörgeschädigter Menschen offenbar eine sehr eigene ist, zum Beispiel das Gleichniserzählungen Jesu eine größere Transferleistung benötigen, als ich es mir vorgestellt hätte. Wie „hören“ Menschen (anders) auf das Wort Gottes, wenn ihnen physisches Hören gar nicht oder nur sehr schwach möglich ist? Es gibt (leider) nicht sehr viele „Selbstbetroffene“, die in der Hörgeschädigtenseelsorge tätig sind. Zu unserer großen Freude gibt es aber seit wenigen Monaten eine junge Ordensschwester in Berlin, die eben nicht als „außerirdische Missionarin“ daherkommt, sondern als Gehörlose selbst in der Welt der fliegenden Hände lebt. Wenn Sr. Judith etwa Videos postet oder Gebärdenlieder zeigt, dann kommt das sicher besser an als wenn ich es – quasi als „Ausländer“ – tue. Als Hörender zu Gast in der gehörlosen Welt erlebe ich häufig schmerzliche Missverständnisse und erdulde, dass ich verdächtigt werde, ein Vertreter von „Kolonialisten“ zu sein, der ihnen seine Kultur überstülpen will. Ich bin daher sehr dankbar, dass ich in vielen Jahren Beziehungsarbeit ein Vertrauen aufbauen konnte, dass wir einander „ganz Ohr zuhören“ wollen. Als abschließenden kleinen „Werbeblock“ einen Hinweis auf unsere Deutschlandweite Homepage www.taub-und-katholisch.de und die herzliche Einladung, mal zu einem Gehörlosengottesdienst mit Gebärdensprache und Gebärdenliedern zu kommen! Christian Enke

Listening is loving „Du hörst mir ja gar nicht zu.“ Wie schnell kann das passieren: Eine WhatsApp-Nachricht wird angezeigt, oder etwas anderes, das unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, funkt dazwischen – und schon ist es vorbei mit dem aufmerksamen Hören. Dann gehen die Worte des Gegenübers an uns vorbei ins Leere. Das passiert ganz ohne böse Absicht. Möglicherweise gilt das auch für die Gottesbeziehung. Hören im Gebet? Wie geht das? Was muss ich tun, um „Gottes Stimme“ zu hören? Müssen wir eine neue Sprache lernen, wenn wir Gott hören und verstehen wollen? Eine junge Frau, auf der Suche nach ihrer Berufung und ihrer Lebensform sagt: „Ich hätte gerne eine klare Ansage von Gott, aber ich hör‘ nichts.“ Und wie muss ER zu Dir „sprechen“, dass Du hören kannst, frage ich zurück? Sie schweigt eine Weile, „weiß nicht“, antwortet sie. Wer hören will, in welcher „Sprache“ Gott spricht, der benötigt Stille, Schweigen und ein hörendes Herz. Der Alltagslärm überfordert. Wir können uns schlecht schützen vor dem, was zu laut, zu viel oder einfach unangenehm, unbequem zu hören ist. Wir haben Augenlider, aber keine Ohrenlider (Fulbert Steffensky). Nach biblischem Verständnis ist das Herz das Organ des Intellekts, wo alle Sinneswahrnehmungen zusammenlaufen, gespeichert und verarbeitet werden. Gott kommt uns durch die Sinne in den Sinn. Das erlebe ich immer wieder in der Begleitung von Exerzitien. Ein hörendes, fühlendes, sehendes, denkendes Herz, will ersehnt, erbetet sein. Ob wir uns im Alltag oder in Exerzitien zum Gebet sammeln, immer geht es darum, die Sinne zu öffnen und zu entschlacken von den Bildern und Vorstellungen, die wir uns von uns selbst und von Gott machen. Dieser Prozess ist bei den biblischen Menschen zu erleben und nicht minder bei uns heute. Gott selbst hat ein Herz für alles, was Atem hat. Gottes Stimme wird vielfach als sprachlos erfahren, als verschwebendes Schweigen (Martin Buber). Es kann auch wie ein Atemholen Gottes erlebt werden, das leicht überhört werden kann, ein „hauchdünnes Schweigen Gottes“ (Wilhelm Bruners). Gott kann schweigen aus Liebe und in Liebe (Zef 3,17) und wird oftmals nach langem Schweigen „hörbar“ und zwar so individuell, so spezifisch, wie es Menschen gibt. Gott kann im Schweigen sprechen, sanft und freundlich. Um Gottes Stimme von den eigenen Projektionen zu unterscheiden, braucht es Zeit, Übung und Geduld. Es ist wie ein inneres Erspüren einer Stimmigkeit, einem Zusammenspiel von Gefühlen, Gedanken und Reflexion. Ich kann Gottes Stimme hören in dem Schrei der Unterdrückten und Armen dieser Erde, in dem Seufzen der Traurigen, in dem Lachen der Kinder. 14 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

Nikolaus von Kues hat Gottes Stimme so erfahren: „Und wie ich im Schweigen der Betrachtung ruhe, antwortest du mir, Herr in der Tiefe meines Herzens. Und du sagst: So sei du dein, so werde ich dein sein!“ Gott spricht menschlich mit dem Menschen, auch heute noch. Er spricht nicht in Sondersprachen, die wir zu lernen hätten, um ihn zu verstehen. Das erlebe ich immer wieder in den vielen Begleitungen. An uns liegt es, uns auf Gottes Frequenzen einzustellen. Das geht nicht ohne intensives langes Zuhören, Nachlesen, Nachfragen, Hinschauen, Suchen und Finden. Mit der wachen Aufmerksamkeit beginnt eine vitale Beziehung zwischen Finden und wieder verlieren, zwischen Verstehen und Nichtverstehen, zwischen Hören und Nicht-Hören, zwischen Schweigen und Reden. Es ist ein Gespräch wie mit einem Freund oder einer Freundin (Ignatius). Listening is loving. Hören geschieht, wo es Offenheit für neue Erfahrungsräume gibt. Gottes Schweigen ist nicht leer, wir können es erlauschen. Gabriela Grunden 15 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN © imagefactory shutterstock.com

SCHWERPUNKT Heilende Musik Gespräch mit dem Komponisten Wilfried Hiller über die heilende Kraft von Musik. Hiller ist besonders bekannt für seinen Bühnenwerke für Familien, Kinder und Jugendliche. Sie haben einmal mit Michael Ende eine Oper zum Rattenfänger von Hameln geschrieben. Wie hört sich eine Musik an, die eine Pandemie vertreibt? Hiller: Was war der Trick, mit dem der Musikant die Ratten aus der Stadt Hameln vertrieben haben könnte? Der Pfeifton der Ratten ist das dreigestrichene g, einer der höchsten Töne, die die Klarinette spielen kann. Der Klezmer Giora Feidman, Rattenfänger in der Uraufführung 1993 in Dortmund, spielte vor dem Einfangen der Tiere den Ton der Ratten in die vier Himmelsrichtungen und entwickelt dann einen wilden Tanz in einem bulgarischen Rhythmus, der nur von einer Schlagzeuggruppe begleitet wird. Bulgarien, das frühere Thrakien, war die Heimat des Sängers Orpheus, der mit Gesang und Leyer die Götter der Unterwelt verzaubern konnte. Das Trommeln hat einen rituellen Charakter wie in der traditionellen Musik Asiens und Afrikas. Am Schluss der Oper, wenn der Rattenfänger die Kinder aus der Stadt lockt, spielt er eine geheimnisvolle Melodie, die dem bulgarisch orthodoxen Gesang nachempfunden ist. Anders als bei den Brüdern Grimm verführt er die Kinder nicht, sondern rettet sie vor ihren Eltern. Wie geht es Ihnen beim Komponieren? Ist das Vertonen mehr ein Hören oder ein Erfinden? Hiller: Ich gehe lange mit einem Thema schwanger, bis ich die ersten Töne niederschreibe. Das ist dann immer der Schluss, dann kann ich „Fine“ (Ende) schreiben, obwohl noch zwei Stunden Musik fehlen. Das Gute daran ist, dass ich dann immer mein Ziel vor Augen habe. Wichtig ist beim Komponieren die totale Stille. Deshalb hat meine Frau auch auf einer einsamen griechischen Insel ein Haus gebaut, wo ich in aller Ruhe schreiben kann. Ich höre nur das Rauschen des Meeres, die Schreie der Ziegen und das permanente Zirpen der Zikaden. Können Sie an einem Beispiel beschreiben, was passiert, wenn das Hören von Musik das Herz berührt? Hiller: Es gibt zweierlei Arten des Hörens: Die erste ist rein analytisch. Man hört beispielsweise den Bolero von Ravel in der Originalfassung für 2 Klaviere. Da hat man nur die 18 Variationen der beiden Themen ohne Klangfarbenveränderung und Steigerung in der Dynamik, kann also die 350 Takte intellektuell genießen. Die Orchesterversion steht dazu wie das Gemälde zur Zeichnung, hat also viel mehr Möglichkeiten der Klanggestaltung, da kann man regelrecht berauscht werden. Ich bin danach ein anderer Mensch. Es ist die Aufgabe der Musik, den Menschen zu helfen, ihn zu heilen und zu harmonisieren. Wie haben Sie Ihr Gehör trainiert? Hiller: Ich habe das nicht trainiert, ich habe einfach hingehört. Matthias Rugel SJ 16 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

Zuhören und Redlichkeit Politik ist nicht gerade das Geschäft des Zuhörens – erst recht nicht im ignatianischen Sinne des wohlwollenden Zuhörens, bei dem es darum ginge, „die Aussage des Anderen zu retten“, wenn dieser Andere sich ungeschickt ausdrückt oder Behauptungen nicht belegen kann. Zumindest in der Auseinandersetzung mit der politischen Konkurrenz auf der öffentlichen Bühne – egal ob im Parlament oder bei einer Podiumsdiskussion – ist das Zuhören oft eher ein Lauern auf die Gelegenheit zum Angriff, auf die Steilvorlage, die der Andere beim Sprechen womöglich bietet, um ihm dann in die Parade zu fahren. Ganz anders ist die Situation im Gespräch mit Bürger*innen jenseits der öffentlichen Bühne, in der Sprechstunde im Wahlkreisbüro oder auch am Wahlkampfstand auf der Straße. Gerade zur Bürgersprechstunde kommen Menschen mit dem berechtigten Anspruch, dass ich als gewählte Abgeordnete ihnen zuhöre, offen für ihre Anliegen bin, Kritik anhöre und aushalte. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Menschen voller Vorwürfe und Misstrauen gegen „die Politik“ oder „die Grünen“ ins Gespräch gegangen sind – und am Ende gesagt haben „Na, mit Ihnen kann man immerhin reden, Sie scheinen wirklich zuzuhören“. Ich glaube nicht, dass diese Menschen unbedingt am nächsten Wahltag ihr Kreuz bei meiner Partei gemacht haben, darauf kommt es in diesen Gesprächen auch nicht an. Ich möchte vielmehr verstehen, welche Erfahrungen mein Gegenüber zu seinen Positionen geführt haben. Sehr oft stecken hinter kruden Sätzen, hinter Allgemeinplätzen gegen „die da oben“ Erfahrungen, die ernst zu nehmen sind. In der Krise wird die Auseinandersetzung insgesamt schärfer und auch schriller. Zwar ist auch in der Auseinandersetzung mit Teilnehmer*innen an den CoronaDemos Zuhören wichtig, um zu unterscheiden, ob es dem Gegenüber um legitime Kritik an Corona-Maßnahmen geht oder um das Verbreiten von Verschwörungsideologien. Aber es gibt auch ein unredliches Zuhören, das Verständnis heuchelt, wo Widerspruch angebracht ist. Das ist der Fall, wenn Demonstrant*innen aus der Tatsache, dass ihre Meinung keine Mehrheit findet, ableiten, dass ihre Meinung unterdrückt würde. Oder wenn sie nichts dabei finden, neben Nazis zu marschieren, aber gleichzeitig behaupten, mit Rechten nichts zu tun zu haben. Zuhören muss eben nicht immer mit Zustimmung enden. Es kann in manchen Gesprächen redlicher sein zu sagen: „Ich habe Dir zugehört, und ich glaube zu verstehen, was du meinst. Aber ich teile Deine Meinung ganz und gar nicht.“ Bettina Jarasch 17 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

18 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN Gesucht: Eine US-Präsidentschaft der American Grace Gregg Rosenberg lebt in dritter Generation in den USA. Durch ein Gespräch mit einer befreundeten Afroamerikanerin vor einigen Jahren ist er beunruhigt über die gesellschaftliche Situation in den USA. Seine Freundin habe ihm klar gemacht, dass sie und ihr Umfeld nicht den amerikanischen Traum teilen können. Statt in dem Land zu leben, wo sie in Freiheit ihr Glück finden konnten, verbinden sie mit den USA eine manifeste und anhaltende Gewaltgeschichte. Rosenberg schreibt am 2. Juni 2020, kurz nach dem Tod von George Floyd in einem Internetblog, was ihm seit Jahren im Kopf herumgeht. Sein Text will provozieren und zur Diskussion anregen. Hier einige Auszüge: Wie kann der amerikanische Traum in Menschen geweckt werden, auf deren Familiengeschichte der amerikanische Albtraum lastet? Durch Gnade. Die 85% von uns, die den Traum teilen, sollten Gnade suchen bei denen, für die unser Traum ein Albtraum war. Wir müssen Vergebung suchen, die wir in Jahrhunderten voller Unrecht nicht verdienen konnten. Ohne Gnade keine Erneuerung. Ohne Gnade gibt es nur Menschen, die durch brennende Straßen getrennt sind, einen nie endenden Zirkel von Schuldzuweisung, Enttäuschung und Gewalt. Aber Gnade ist nicht einfach zu haben. Sie kann weder verdient noch gefordert wer- © photodonato shutterstock.com

den. Wer sie sucht, muss demütig sein vor denen, die sie geben. Gnade und Stolz gehen nicht zusammen. Gnade und Verleugnen gehen nicht zusammen. Gnade und Unaufrichtigkeit passen nicht zusammen. Wer Gnade gewährt, muss wählen. Gnade kann nicht verdient, aber sie kann gewährt werden. Wer sie sucht, erkennt die erhobene Position des Gebers an … und hofft. Dies ist die Gabe der Gnade: Wenn sie gewährt wird, heilt sie beide Seiten. Unsere Sünden sind kollektiv und ihre Folgen systematisch. Wir können solche Ungerechtigkeiten, die in Handlungen und Unterlassungen von Jahrhunderten wurzeln, nicht durch individuelle Tugend reparieren. Um Amerika zu heilen müssen wir tief, nachhaltig, systematisch und kollektiv tätig werden. Wir brauchen eine Präsidentschaft mit dem Namen: „American Grace“. Wie würde eine solche Präsidentschaft aussehen? In den vier Jahren dieser Präsidentschaft bräuchte es vier Schritte zur Verwirklichung dieser Gnade, vier nationale Initiativen. Im ersten Jahr: Anerkennung. Medien, Bundesstaaten, Kommunen und Schulen sollten die Ungerechtigkeiten gegenüber den Afroamerikanern und Indigenen dokumentieren und anschaulich machen. Es geht darum, dass alle begreifen, dass diese Sünden unsere Handlungen sind, für die wir verantwortlich sind und die unseren Charakter widerspiegeln. Wir müssen kollektiv bekennen. Im zweiten Jahr: Würdigung. Eine Bildungsinitiative auf den genannten Ebenen, die verdeutlicht, wie Afroamerikaner und Indigene an unseren Taten leiden, früher und heute. Wir werden nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für deren Folgen Verantwortung übernehmen. Die ersten beiden Jahre sollten nicht einfach ein erweiterter Geschichtsunterricht sein. Es geht nicht darum, Minderheiten eine Stimme zu geben. Im Gegenteil, den Weißen muss eine Stimme gegeben werden, die sagt: „Wir haben es getan. Wir haben es Euch angetan. Es kam aus einem dunklen Ort, einem Ort des Bösen, es ist eine Dunkelheit, die noch in uns ist. Wir können diese Dunkelheit nicht bekämpfen, ohne sie ans Licht zu bringen.“ Amerika hat dies nie wirklich gemeinschaftlich getan. Im dritten Jahr: Abbitte. Hier geht es nicht um Kommunikation, sondern um sinnvolle Reformen und Gesetzgebung, die ein Handeln vorbereitet: Reparationen, Justizreform, Bildungsreform, Armutsbekämpfung. Im vierten Jahr: Wiedergutmachung. Die Abbitte des dritten Jahres muss umgesetzt und die Einheit durch Gnade gesucht werden. Die Führer von Afroamerikanern und Indigenen und ihre Gemeinschaften müssen entscheiden, ob das vierte Jahr ausgedehnt werden muss. Gregg Rosenberg (Übersetzung von Matthias Rugel SJ) 19 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

SCHWERPUNKT Papst Franziskus, das Zuhören und die Sendung Als Erzbischof von Buenos Aires predigte einst Jorge Mario Bergoglio bei einer Messe zum „Tag der Taxifahrer“: „Ihr seid Männer und Frauen, die zuhören. Wie oft haben Sie schon Beichten gehört! Wie oft haben Sie vom Steuer aus Menschen ermutigt oder Therapien angeboten. Wie oft haben Sie Tore der Hoffnung geöffnet ... Ihre Arbeit besteht nicht nur darin, Auto zu fahren. Sie lassen die Menschen an sich heran, nähern sich mit Ihren Ohren und Ihrem Herzen dem Mann oder der Frau oder der Familie, die ins Auto gestiegen ist. Und Sie helfen der Gesellschaft, indem Sie so mit Ihren Fahrgästen sprechen - auch wenn Sie Gott nicht erwähnen …“ Aber das Zuhören ist wichtig nicht nur für Taxifahrer, sondern auch für Bischöfe. 2015 sprach Papst Franziskus während der Synode über Ehe und Familie von „eine(r) Kirche des Zuhörens, in dem Bewusstsein, dass das Zuhören mehr ist als Hören… ein wechselseitiges Anhören, bei dem jeder etwas zu lernen hat: das gläubige Volk, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom.“ Jenseits der Autoritätsfrage Das autoritäre Kirchenbild stirbt nur langsam. Ein Kardinal, der beteuert, dass Taxi- fahrer, auch ohne von Gott zu sprechen, dessen Werk tun, oder ein Papst, der darauf besteht, dass seine eigene Autorität vom Zuhören abhängt – dies kann bloß als Korrektiv der Übertreibungen der Vergangenheit empfunden werden. Einige traditionalistische Geister werden dann empört. Aber wir müssen diese Anliegen beiseitelegen, wenn wir verstehen wollen, warum Papst Franziskus jetzt auf das Zuhören besteht. Es ist nicht so, dass er glaubt, die Kirche habe keine Botschaft mehr zu verkünden. Die Verkündigung bleibt – nach seiner Pfingsthomilie 2020 – „das erste Werk der Kirche“. Aber es geht um mehr als die Übermittlung einer Botschaft. Das Anliegen ist existentiell. Die ganze Kirche ist gerufen „aus sich selbst herauszukommen und an die Peripherien zu gehen“ – so erklärte Bergoglio während der Diskussionen vor seiner Wahl. So wird Zuhören mehr als ein Zeichen der Freundlichkeit. Nur vom Zuhören – im weitesten Sinn – auf das was über sie hinaus liegt kann die Kirche ihr Leben entfalten und ihre Sendung erfüllen. In gemeinsamer Sendung unter Gott Wir hören zu, weil Gott uns in die Mission ruft. Ja, die Autoritäten der Kirche müssen auf die Gläubigen hören. Das bedeutet nicht, dass sie bloß die Mehrheitsmeinung der Gläubigen feststellen und ihr folgen wie in einem Parlament. Vielmehr sind wir ständig von Gott dazu berufen, uns gemeinsam auf etwas Neues zuzubewe- 20 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

gen. Unser gegenseitiges Zuhören soll immer „im Hinhören auf den Heiligen Geist, den ‚Geist der Wahrheit‘“ umfasst werden. In seiner diesjährigen Pfingstpredigt betont Franziskus, dass echte missionarische Jünger nicht planen; sie gehen vielmehr hinaus, sie hören der Realität zu und sie unterscheiden. „Der Geist will nicht, dass die Erinnerung an den Meister in geschlossenen Gruppen gepflegt wird, in Kreisen, in denen man sich gerne ,sein Nest baut‘ … Er öffnet, er erhöht, er drängt über das bereits Gesagte und Getane, er drängt über die Einfriedungen eines schüchternen und zurückhaltenden Glaubens hinaus.“ Schon in seiner programmatischen Schrift Evangelii Gaudium hatte Franziskus das Prinzip ausgedrückt. Nur auf der Grundlage eines achtungsvollen, mitfühlenden Zuhörens „ist es möglich, die Wege für ein echtes Wachstum zu finden, das Verlangen nach dem christlichen Ideal und die Sehnsucht zu wecken, voll auf die Liebe Gottes zu antworten und das Beste, das Gott im eigenen Leben ausgesät hat, zu entfalten“ (n.171). Quelle: Dieser Beitrag schöpft aus Austen Ivereigh, Wounded Shepherd: Pope Francis and his Struggle to Convert the Catholic Church (New York: Henry Holt, 2019). Zitate wurden überwiegend von www.vatican.va übernommen. Philip Endean SJ © photodonato shutterstock.com 21 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN Werdet Täter des Wortes, nicht nur Hörer Eine etwas andere Zachäus-Betrachtung: „Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein“. Deutlich hörte er die ermutigende Stimme Jesu, ließ sich von seinem Blick treffen und einladen, ja fast umwerben. Welche Freude, welcher Stolz. „Zachäus, komm!“ Wenn doch Jesus nur nicht weiterginge. Wenn alles so bliebe – er würde eine Hütte auf diesem Maulbeerfeigenbaum bauen. „Zachäus, komm herunter und komm in ein neues Leben!“ Und er würde Kurse geben, wie man am besten auf einen solchen Baum steigt. Von Jesus gerufen und eingeladen – vielleicht ein Buchtitel. „Zachäus, ich brauche dich, und die Menschen brauchen dich – anders als bisher!“ In eigene Gedanken vertieft sah er nicht, wie Jesus seine ausgestreckte Hand senkte und mit traurigem Blick weiterzog. Jeden Tag kletterte Zachäus fortan auf diesen Maulbeerfeigenbaum, immer flinker und erfahrener. Und er schaute aus und wartete und hoffte, dass dieses Glücksgefühl noch einmal in ihm aufstiege. Aber es passierte nichts. Und den Rest des Tages ging sein Leben weiter: ausbeuten, kein Mitleid haben, betrügen. Schade. Und dabei hatte er die Stimme doch deutlich gehört. Ähnlich wäre eine solche Betrachtung von Simon und Andreas, wie sie als Juniorchefs die Alltagsarbeit machen. „Kommt her, folgt mir nach!“. Ja, das ist eine schöne Vorstellung, ein wenig kühn, fast verwegen. Aber ein Leben ohne Fischerei ist eben doch nicht vorstellbar. Das wäre unvernünftig. Alles geht erst einmal alles weiter wie bisher: Die Schwiegermutter des Simon würde nicht von Fieber befreit – aber das wäre noch das Geringste, das nicht passierte. „Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst. Wer das Wort nur hört, aber nicht danach handelt, ist wie ein Mensch, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet“ – so heißt es im Jakobusbrief. Wenn wir über das Hören nachdenken, müssen wir auch die Folgen des Hörens miteinbeziehen. Hören wäre fruchtlos und sinnlos, wenn es keine Konsequenzen hätte. Es wäre wie ein perspektivloser Blick in den Spiegel: Wir freuen uns, angesprochen zu sein, und kosten es aus. Aber wir lassen dem Gehörten keine Möglichkeit, sich in uns kraftvoll zu entfalten und uns dabei zu verändern, zu läutern, neu zu formen: Zachäus bliebe der Alte, Simon und Andreas bei ihren Netzen. Alles wie immer. Fridolin Stier hat dieses Motiv auf eindrucksvolle Weise in der Skizze zu einer Erzählung „Das Wort Gottes kommt in die Stadt“ ausgemalt. Da bringen sich Menschen vor dem Wort Gottes in Sicherheit! 22 GEISTLICHER IMPULS

Stattdessen haben Zachäus und die Fischerei-Brüder die Ermutigung wirklich in sich eindringen lassen, Gott sei Dank! Nur so wurden sie zu konkreten Schritten fähig, die sie sich vorher nie zugetraut hätten. Simon Petrus wird sogar noch als Antwort auf ein gehörtes „Komm!“ aus dem Boot aussteigen und auf dem Wasser gehen. Wenn Gott sich selbst mitteilt, kann das in einem Menschen etwas völlig Neues bewirken – wenn der Mensch ihm denn Raum gibt und diesem Impuls tatsächlich folgt. Mehr Geduld kann entstehen, mehr Ausdauer, ein erster Schritt, eine letzte Klarheit, Entschiedenheit zum Handeln, … Die häufige Schwierigkeit dabei: Dieses Neue, zu dem Gott ruft und lockt, schmeckt nicht selten nach Kontrollverlust und Risiko, nach Ungewissheit und Wagemut. „Wie soll das geschehen?“ fragt Maria, bevor sie zustimmt, dass ihr Leben aus den vorstellbaren Bahnen katapultiert wird. Im Spiegel sehen wir nur unser eigenes Gesicht. Im Hören können wir ahnen, wen Gott in uns sieht. Ob das wahr wird, überlässt er uns: Im Evangelium hört der Reiche die Einladung, sich zu befreien und mitzukommen, spürt vielleicht sogar den liebevollen Blick Jesu, aber er geht weg. So bleibt er die Antwort schuldig. Er hängt noch zu sehr im Alten, das Risiko ist ihm zu groß, der Schritt unvernünftig. Gott ruft und ermutigt, aber lässt uns unsere Freiheit. Hören ruft nach einer Antwort. Und auch wenn diese Antwort unscheinbar ist oder Zeit braucht, bleibt das Kriterium des Ignatius, „dass die Liebe mehr in die Werke gelegt werden muss als in die Worte“. Groß ist die Gefahr des Selbstbetrugs. Axel Bödefeld SJ © Joachim Heller iStock.com 23 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN

NACHRICHTEN 24 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN Neues aus dem Jesuitenorden Dankbarkeitskampagne als Antwort auf Krisenstimmung Jesuiten starten die Kampagne „Trotzdem dankbar!“. Damit geben sie mitten in der Corona-Pandemie mit Hilfe der Ignatianischen Spiritualität eine Antwort auf die derzeitige Stimmung. Die Krise offenbart unsere Probleme wie unter einem Brennglas; die Verunsicherung und die Ängste verändern unsere Gesellschaft. Gründe zu verzagen, gäbe es genug. Dagegen gibt es Studien, die unterstreichen, dass eine dankbare Lebenshaltung Menschen krisenresistenter machen kann. Bereits der Hl. Ignatius von Loyola war von der Wirkung der Dankbarkeit überzeugt und übte diesen Lebensstil in seinem Tagesrückblick ein. Mit der Kampagne „Trotzdem dankbar!“ bringen die Jesuiten den Menschen den Ignatianischen Tagesrückblick näher. „In unzähligen Gesprächen erleben wir, dass es für viele momentan schwierig ist, das Positive in ihrem Leben zu entdecken. Dabei wollen wir den Menschen helfen. Die Kampagne ‘Trotzdem dankbar!‘ fordert dazu auf, gerade im Angesicht der Pandemie bewusst einen Perspektivwechsel vorzunehmen,“ erklärt Pater Martin Stark SJ, Leiter Kommunikation & Fundraising. Daher haben die Jesuiten ein Dankbarkeitstagebuch kreiert. In diesem wird der Tagesrückblick erläutert und findet man freie Seiten, um Tagebuch darüber zuführen, wofür man dankbar ist. „Durch das Aufschreiben werden Dinge deutlicher erkennbar, das verstärkt den Effekt,“ weiß Pia Dyckmans, Öffentlichkeitsreferentin der Deutschen Provinz der Jesuiten. „Wir geben den Menschen mit dem Dankbarkeitstagebuch ein Hilfsmittel an die Hand, ihren Blick auf das Wesentliche zu lenken und somit besonders in diesem besonderen Jahr positiv auf Weihnachten zugehen zu können.“ Gerne schicken wir Ihnen ein Dankbarkeits-Paket zu und danken Ihnen für die Erstattung der Unkosten. Bestellen können Sie unter folgender Adresse: www.jesuiten.org/dankbarkeitstagebuch Online-Magazin „Sinn und Gesellschaft“ ist online Eine Gruppe von Menschen, die daran glauben, dass die Vision einer humanen Gesellschaft gelingen kann, hat das On- © SJ-Bild

line-Magazin „Sinn und Gesellschaft“ ins Leben gerufen. Es gibt so viele Menschen, die sich aktiv für eine humane Gesellschaft einsetzen, für die Bewahrung der Schöpfung und dafür, dass Zusammenleben und Dialog auch in einer von kultureller und sozialer Diversität geprägten Gesellschaft gelingen. Ohne diese idealistischen Menschen gäbe es in unserer Gesellschaft heute schon keinen Raum mehr für Versöhnung. „Wir wollen diesen Menschen aus den verschiedenen Generationen, Milieus, Kulturen und Weltanschauungen eine Plattform geben, um in einen Diskurs darüber zu finden, wie Zusammenleben gelingen kann, wie Menschen in der heutigen Zeit den Sinn ihres Lebens finden können, und darüber in eine Debatte eintreten, wie eine humane Gesellschaft realisiert werden kann, ohne der Umwelt nachhaltigen Schaden zuzufügen“, erläutert Tobias Zimmermann SJ. Der Direktor des Heinrich Pesch Hauses gehört zu den Initiatoren des Magazins mit Debattenportal. Diese haben sich in Netzwerken rund um den Jesuitenorden gefunden, ohne dass alle Christen oder gar Katholiken sind. Das Magazin „Sinn und Gesellschaft – Weil wir an eine bessere Welt glauben“ erscheint nur online. Autoren aus Kirche, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft schreiben über Zusammenleben, Nachhaltigkeit, Sinn und Versöhnung. Zu finden ist das Magazin unter der Domain www.sinnundgesellschaft.de Priesterweihe: „Priester fallen nicht vom Himmel“ Die zwei jungen Jesuiten Martin Föhn SJ und Moritz Kuhlmann SJ sind im Oktober vom St. Galler Bischof Markus Büchel in Zürich zu Priestern geweiht worden. In der Liebfrauenkirche waren aufgrund der Corona-Beschränkungen nur rund 100 Menschen präsent, dank Livestream und Radioübertragung jedoch konnten alle teilnehmen, die den beiden Jesuiten verbunden sind (auf YouTube nachzusehen). „Wenn ein Virus uns den Atem nehmen will, so müssen wir umso mehr den großen Atem feiern, den Geist Gottes – er hat das letzte Wort“, sagte P. Christian Rutishauser SJ, Provinzial der Schweizer JesuAnwesende Priester, wie hier P. Soyer SJ und P. Rutishauser SJ (r.), legen den Kandidaten die Hände auf. © SJ-Bild/Christian Ender

iten in seiner Begrüßung. Zuvor hatten Alphornklänge den Gottesdienst eröffnet – eine Reminiszenz an Martin Föhns bergige Heimat im Muotathal. „Ich hab mich sehr gefreut über diese Eröffnung“, sagte Moritz Kuhlmann nach der Weihe. „da denke ich unweigerlich an den guten Hirten. Und nun wird mir und Martin anvertraut, Hirten sein zu dürfen“. P. Moritz Kuhlmann SJ, 1990 in Los Angeles geboren, trat 2013 in die Gesellschaft Jesu ein. Nach dem Philosophiestudium folgte ein zweijähriger Aufenthalt im Kosovo, wo er das Sozialzentrum Tranzit aufbaute. Seine theologischen Studien schloss er in Innsbruck ab und bereitet sich seit einem Jahr für weitere Studien im chinesischen Raum vor. P. Martin Föhn SJ, 1982 im Muotathal in der Schweiz geboren, absolvierte zunächst die Ausbildung zum Landwirt und einem Studium der Religionspädagogik, bevor er 2010 in die Gesellschaft Jesus eintrat. Nach dem Philosophiestudium und seiner Tätigkeit als Hochschulseelsorger in Zürich, studierte er in Paris Theologie. Aktuell arbeitet er in Basel im Bereich Bildung, Spiritualität und Hochschulpastoral. Der eindrücklichen liturgischen Feier in besonderer Zeit stand Bischof Markus Büchel vor. „Priester fallen nicht vom Himmel, aber sie sind ein Geschenk des Himmels“, eröffnete der Bischof seine Predigt. Zum Abschluss der Messe erteilten die beiden Neupriester allen Mitfeierenden den Primizsegen. Am 31. Oktober wurden außerdem noch Max Heine Geldern SJ, Leiter der ISG Berlin, und Sebastian Ortner SJ, Socius des Novizenmeisters in Innsbruck von Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof der Erzdiözese Wien, zu Priestern geweiht. Zwei Mitbrüder legen ihre Ersten Gelübde Zwei junge Männer haben im September in Nürnberg nach einer zweijährigen Noviziatszeit ihre Ersten Gelübde in der Gesellschaft Jesu abgelegt und sich damit lebenslang mit dem Versprechen, sich voll für andere einzusetzen, an den Orden gebunden. Für die Deutsche Provinz legte Philipp Rode SJ die Gelübde ab und für die Österreichische Provinz Daniel Weber SJ. Der österreichische Provinzial Bernhard Bürgler SJ hielt die Predigt; und der deutsche Provinzial Provinzial Jan Roser SJ stand der Feier vor. Philipp Rode, der 1989 in Göttingen geboren ist, hat vor dem Ordenseintritt in Münster (Westfalen) studiert und war im gehobenen Zolldienst des Bundes in Frankfurt am Main tätig. Er ist in die Ausbildungskommunität Aloisius Gonzaga nach München umgezogen, wo er sein Philosophiestudium fortsetzt. Daniel Weber wurde 1989 in Rum in Tirol geboren. Vor dem Ordenseintritt hat er in Innsbruck und Berlin Philosophie und Politikwissenschaft studiert. Er wird nun im Jesuitenkolleg in Innsbruck im mk-Jugendzentrum sowie in der Zukunftswerkstatt mitarbeiten. 26 JESUITEN n DEZEMBER 2020 n HÖREN ©SJ-Bild P. Bernhard Bürgler, Philipp Rode, Daniel Weber und P. Jan Roser (v.l.).

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