Jesuiten 2021-1

Veränderung ist möglich Das Theater der Unterdrückten nach Augusto Boal Wie erreicht man Veränderung? Einen interessanten Ansatz bietet das „Theater der Unterdrückten“ des brasilianischen Theatermachers Augusto Boal. Ausgangspunkt waren Boals Erfahrungen in den Militärdiktaturen in Brasilien und Argentinien in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. In schwierigen Zeiten entwickelte Boal eine Reihe von spielerischen Formaten, die bis heute in der ästhetischen und politischen Bildung wirksam sind. Im „Bilder- und Statuentheater“ formen die Teilnehmenden Statuen aus ihren Gegenübern oder aus der ganzen Gruppe und entwerfen so Bilder, wie sie bestimmte Aspekte ihres Lebens sehen. Ein solches „Realbild“ zeigt zum Beispiel, wie man sich gerade fühlt, wie man sich beruflich einschätzt oder welchen Blick man auf Familie hat. Das Realbild bildet Subjektivität ab. Gesucht wird nach Verhältnissen, mit denen man nicht einverstanden ist, die man verändern möchte, – Boals Definition von „Unterdrückung“. Im nächsten Schritt ist es erlaubt zu träumen: Geformt werden „Wunschbilder“. Wie würde ich mich gerne fühlen? Wie möchte ich beruflich stehen? Wie erträume ich mir Familie? Dieser Schritt fällt vielen schwer. Oft erlaubt man sich nicht, den Wunsch überhaupt abzubilden. Innere Gedanken wie „das ist unrealistisch“ stehen der Utopie im Weg. In einem dritten Schritt entstehen „Übergangsbilder“, also Schritte zwischen dem Real- und dem Wunschbild. Was müsste man tun, um den Wunsch zu erreichen? Die konkrete körperliche Arbeit lässt hier oft andere Ergebnisse entstehen, als dies bei einem Gespräch der Fall wäre. Dabei ist wichtig, dass niemand die Richtung vorgibt, die Teilnehmenden selbst entscheiden, welche Schritte für sie die richtigen sind. Das Forumtheater geht noch einen Schritt weiter. Zunächst wird eine Szene vor Publikum gespielt, in der eine Hauptfigur an etwas gehindert wird, was sie sich wünscht. Dabei können sowohl reale Personen als auch innere Gedanken auftreten und durch Darsteller*innen verkörpert werden. Danach wird die Szene wiederholt. Jetzt darf jede/r aus dem Publikum die Szene anhalten und selbst in die Rolle des Protagonisten schlüpfen. Die Gegenspieler der Szene können nicht ausgetauscht werden – wie im echten Leben auch. Aber was könnte die Protagonistin in dieser Situation tun? Was dann passiert, ist reine Improvisation. Man probiert Veränderung, sammelt Lösungen, springt in der Szene vor und zurück, kreiert, wenn nötig neue Figuren, erlebt Rückschläge und überraschende Wendungen. Eine Szene handelte zum Beispiel von einem Jungen mit einer arabischen Mutter. Obwohl er gute Noten hat, wird er nach der vierten Klasse auf die Hauptschule ge- 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK © time photocase.com

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