Jesuiten 2021-1

Ignatius – seine Verletzlichkeit und Schwäche Wenn wir Ignatius von Loyola um ein Wort des Trostes oder um einen Rat bitten könnten, was würde er uns Frauen und Männern des 21. Jahrhunderts sagen? Was würde er uns mit auf den Weg geben, die wir von einer Mentalität geprägt sind, dass die eigene Verletzlichkeit und Schwäche zu verstecken sind? Was würde uns Ignatius mitteilen, da uns die Pandemie unsere Verletzlichkeit und Schwäche deutlich vor Augen hält? Ignatius gab zu seiner Zeit Regeln wie z.B. „Almosen zu verteilen“ sind oder zu den „Verhaltensweisen beim Essen.“ Würde er uns heute „Regeln für das Verhalten in der Zeit der Verletzlichkeit“ anbieten? Möglich. Ignatius empfahl für viele erdenkliche Situationen auch Übungen. Würde er uns heute eine Übung vorschlagen, um durch die Zeit der Verletzlichkeit hindurch zu kommen? Möglich. JedenfallswürdeerunskeineVorlesungüber die Verletzlichkeit halten. Er war kein Mann großer Vorträge; er bevorzugte einfache Ge- spräche. Wahrscheinlich würde uns Ignatius einfach seine Geschichte von Schwäche und Verletzlichkeit vortragen. Genau dies tat er, als die ersten Gefährten ihn eindringlich um einen schriftlichen Bericht baten, wie es zu seiner Bekehrung gekommen war. Es ist leicht vorstellbar, dass Ignatius erzählen würde, wie mit seiner eigenen Verwundung alles begonnen hatte; nämlich wie während der Schlacht von Pamplona sein Bein von einer Kanonenkugel zerschmettert wurde. Er könnte berichten, wie er sich in den Monaten der Rekonvaleszenz verloren fühlte, als er die üblichen Freuden – das Spiel, die Damen, die Waffen – nicht mehr genießen konnte. Er könnte davon erzählen, wie er zu befürchten hatte, dass er den Rest seines Lebens hinken würde und sein Leben an den Höfen der Adeligen beeinträchtigt wäre. Kurz gesagt, es war nicht nur sein Bein, das zerfetzt worden war, sondern seine ganze Identität. Vielleicht würde Ignatius sogar eingestehen gelegentlich von einer Welle der Verzweiflung überwältigt gewesen zu sein. Wenn sich Ignatius an solche Momente aus seinem Leben erinnerte, nahm er eine ernste Miene an, aber er strahlte zugleich eine große Gelassenheit aus und seine Stimme war ruhig. Für Ignatius war diese Verwundung kein Ende, sondern ein Anfang: Es war genau diese Verwundung, die ihn dazu zwang, andere um Hilfe zu bitten und angebotene Hilfe anzunehmen. Es war diese Verwundung, die ihn dazu zwang, viele Stunden in Stille und Einsamkeit zu verbringen und das Leben Christi und das Leben der Heiligen zu lesen und zu meditieren, da keine anderen Bücher vorhanden waren. Nicht ohne einige Tränen SCHWERPUNKT 10 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

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