Jesuiten 2021-1

Konkurrenz Eine gute Freundin von mir surft schon seit dreißig Jahren. Als ich sie kennenlernte, wollte ich unbedingt auch so toll surfen können wie sie. Es hat mich wahnsinnig motiviert, die Dinge zu lernen, die sie schon konnte. Ich bin ihr nachgefahren, sie hat mir nützliche Tipps gegeben und ich konnte mir viel bei ihr abschauen. Schritt für Schritt habe ich versucht, immer mehr an ihr Level heran zu kommen. Mit der Zeit bemerkte ich aber, dass wir einen völlig unterschiedlichen Stil bevorzugen. Sie fährt gern Boards und Segel, mit denen ich nicht gut zurechtkomme, ich mag andere Manöver als sie und setze andere Fahrtechniken ein. In mancher Hinsicht musste ich mich also von meinem Vorbild trennen und meinen eigenen Weg finden. Eine Zeitlang habe ich dies als Konkurrenzsituation erlebt, bis ich – auch mit Hilfe von anderen Vorbildern – meinen eigenen Style entwickelt hatte. Windsurfen ist eine Einzelsportart, es geht nicht darum, was richtig ist, sondern was für mich auf dem Wasser funktioniert und Spaß macht. Konkurrenz erlebe ich nicht nur beim Surfen, sondern auch an Land gerate ich immer wieder in Situationen und an Menschen, die mich herausfordern. Da spielen Gefühle von Unsicherheit, Eifersucht, Neid und Ver- sagensängste eine Rolle. Ich kenne das von beiden Seiten, aus der Perspektive der Unter- wie der Überlegenen. Beides fordert heraus, damit gut umzugehen. Das eine nicht verbittert oder intrigant, das andere nicht selbstgefällig und überheblich zu werden. Was ich hier für mein Leben vom Surfen lernen konnte, war: Mich an anderen zu orientieren und mich gelegentlich mit ihnen zu messen, tut gut – mich dauernd an ihnen zu messen nicht! Von der lateinischen Wortbedeutung concurrere her hat Konkurrenz gar nichts mit dem Kampf zu tun, an den wir schnell denken, sondern bedeutet lediglich »miteinander laufen«. Es geht eher um einen gemeinsamen Weg, um persönliches Wachstum. Sich messen mit und sich messen an ist also nicht dasselbe! − Sich mit jemandem[…] Den eigenen Maßstab zu finden, nennt man christlich die eigene Berufung entdecken. Eine Berufung haben nicht nur »besondere« oder »fromme« Menschen wie die Propheten in der Bibel oder Ordensleute. In jedem Menschen steckt tief verborgen eine besondere Berufung und eine einzigartige Leidenschaft. Wir müssen ihr nur auf die Spur kommen. Das Finden dieser persönlichen Berufung oder Bestimmung ist Lebensaufgabe, die Suche danach zugleich die beste Lebensstrategie. Vielleicht hast du dich schon mal spontan Gott nahe oder einfach am richtigen Platz gefühlt? Dann warst du wahrscheinlich schon sehr nahe an dem dran, zu dem du berufen bist und auch deine besonderen Talente und Fähigkeiten mitbekommen hast. Das kann etwas sehr Einfaches und ganz Alltägliches sein: Menschen, die ihren 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

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