Jesuiten 2021-2

SCHWERPUNKT 9 Seit Beginn meiner Sendung nach Sambia komme ich immer wieder an meine Grenzen. Das ist schmerzhaft und anstrengend, aber es ist auch der Ort, wo ich Jesus begegne. Ich muss oft an eine Bemerkung von P. Adolfo Nicholas SJ denken, die er in einem Interview zum Ende seiner Zeit als Generaloberer der Jesuiten gemacht hat. Er greift dabei das Wort Jesu auf: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ und wendet es auf die Kontinente an: Für Asien ist der Weg bezeichnend, Europa und Nordamerika geht es um die Wahrheit, während Afrika und Lateinamerika das Leben in den Vordergrund stellen. Wir brauchen alle, um zur Fülle Christi zu gelangen. Ich bin ein Kind Europas: Anfangs war es irritierend, wenn ich den Eindruck hatte, dass die Menschen mir Sachen sagen, wovon sie denken, dass ich es hören möchte. Dann wurde ich zunehmend aggressiv, als ich merkte, dass das auch benutzt wird, um Dinge zu kaschieren. Mein Geduldsfaden ist in diesen Momenten extrem dünn. Ich fühle mich dann Jesus nahe, wie er verraten wurde. Er hat aber bis zuletzt nicht aufgehört, für Judas zu hoffen. Auf der anderen Seite, werde ich immer wieder selbst evangelisiert, wenn ich sehe wie die Menschen trotz so vieler Probleme glücklich sind, die Hoffnung nicht verlieren und geduldig bleiben. Da ist die Freude und das Leben Jesu spürbar. Mir selbst gelingt das nicht so gut. Diese Begegnungen flößen Demut ein. Ich bin ein Sünder unter Sündern. Wir sind auf das Erbarmen Gottes angewiesen. Als City-Seelsorger in der Schweiz würde ich meine Christus-Beziehung wahrscheinlich nicht viel anders leben. Auch dort macht man Grenzerfahrungen, aber die Grenzlinien verlaufen anders. Die Kirche in Europa ist in einer Zeit der Bedrängnis von Innen und von Außen und viele Menschen leben unter extrem viel Druck. Wie würde sich Jesus positionieren? Ich bete immer wieder für die Kirche und die Menschen in Europa, dass sie in dieser Zeit Jesus nicht aus den Augen verlieren und dass er hilft. In meiner Arbeit in Sambia geht es um das Spannungsfeld zwischen Ökonomie, Ökologie, sozialer Gerechtigkeit und Versöhnung der Kulturen. Gemeinsam mit den Menschen hier versuchen wir eine Lebensweise zu finden, die Jesus gutheißen würde. Wir haben immer wieder eine unterschiedliche Perspektive und manchmal versteht man nicht warum. Jesus war demütig aber gleichzeitig klar und entschieden – manchmal auch emotional. Er hat aber nie aufgehört auf die Menschen zuzugehen und sie einzuladen. zu Jesus verändert P. Claus Recktenwald SJ Agrarwissenschaftler im Kasisi Agricultural Training Center in Sambia. Arbeitet mit Kleinbauern im Bereich Ökolandbau. Ich bin ein Kind Europas

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==