Jesuiten 2021-2

22 Es wird schon In manchen Sätzen steckt ein ‚werden‘, das einfach nur auf die Zukunft verweist: Im Sommer werden die Museen wieder öffnen. Irgendwann werden wir wieder Hände schütteln. Aber es gibt auch ein ‚werden‘, das grundlegend und lebensvoll in der Gegenwart geschieht. Schönes Beispiel ist der Frühling. Wenn wir den Knospen beim Sprießen zuschauen können, wenn braune Büsche sich in blühende Bälle verwandeln und tot wirkende Bäume plötzlich doch grünes Leben hervorbringen, dann spüren wir die Natur in ihrer vollen Werde-Phase. Wir sprechen als Christen von Menschwerdung und dürfen den Begriff auf jede und jeden von uns übertragen: Werde, der du bist. Werde, die du bist. Immer mehr. Gott hat Leben in uns gelegt, das sich entfalten darf. Selig der Mensch, der es zulassen kann. Freilich ist werdendes Leben immer gefährdet: Wenn Blüten nochmal Frost abbekommen. Wenn Kinder Schlimmes erleben müssen. Wenn vorsichtige Aufbrüche unter Lawinen von Einwänden ersticken: weil es ja ohnehin nichts bringt, weil das Bisherige doch so gut war, weil Dämme brechen könnten, … All das schränkt ein und verhindert. Der ignatianische Begriff der Indifferenz lässt sich mit ‚innerer Freiheit‘ übersetzen. Interessant ist, dass Ignatius dieses Wort nie verwendet, sondern von ‚hacernos indifferentes‘ spricht: uns frei machen. Innere Freiheit haben wir nie fest in der Tasche. Es ist eine Haltung, die stets nur im Werde-Modus ihre Kraft entfalten kann. Immer neu freier werden wollen: vor jedem Projekt, angesichts jeder Herausforderung, um mit weniger Vorbehalten und in größerer Offenheit die Möglichkeiten sehen zu können, die sich auftun, um dann die bessere, geist-reichere zu wählen – persönlich und gemeinsam. Auch unsere Gottesbeziehung ist nicht statisch haltbar, sondern nur immer neu zu suchen. „Er will dein Gott werden … und du möchtest ein Volk werden, das ihm, dem Herrn, deinem Gott, heilig ist.“ (Dtn 26,17.19) Der Heilige Geist – gleichsam als göttliches Werde-Prinzip und Neuschaffungskraft ähnlich der Liebe, die in der Begegnung neue Frucht hervorbringt – ist über unsere Denk-Grenzen und Ist-Stand-Bemühungen hinaus immer schon am Wirken. Es wäre bitter, wenn die Kirche (wir) von heute in all ihrem berechtigten Ringen um strittige Fragen und feststeckende Probleme übersehen würde, dass dieser Geist jetzt und immer schon längst dabei ist, sanft und oft unscheinbar die Kirche von morgen entstehen zu lassen an Stellen, wo möglicherweise institutionelle und sitzungsmüde Augen nicht so leicht und lange hinschauen. Da sind auch heute junge Menschen, die nach dem Sinn in ihrem Leben fragen und das in Beziehung bringen zum Glauben oder zum Evangelium von Jesus Christus. Auch heute hoffen Menschen auf den Segen Gottes, weil er ihnen etwas bedeutet. Einzelne und Gruppen bleiben mit einer Prise Glaubens-Salz unterwegs und engagieren sich in spirituellen, pastoraWerden, das ist die Lösung! Oder am Ende gar – Erlösung. Meinrad Dufner ©Katharina Gebauer Geistlicher Impuls

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