Jesuiten 2021-3

SCHWERPUNKT 12 Erneuertes Zusammenleben in Wuppertal Wie kann es gelingen, eine Stadt in die Zukunft zu führen? Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Transformationsforscher und neuerdings Oberbürgermeister von Wuppertal, über zahlreiche Aufbrüche der Stadt im Ruhrgebiet. Herr Schneidewind, was hat sozialökologische Transformation mit dem Zusammenleben zu tun? Für mich ist das eine Weise, „nachhaltige Entwicklung“ zu konkretisieren, und die ist ja kein technologisches Projekt, sondern die Frage, wie wir unser Zusammenleben in einer Welt mit bald 10 Milliarden Menschen organisieren wollen. Dahinter steht eine faszinierende Vision: dass jeder Mensch den gleichen Wert hat und die Chance haben sollte, sich zu entfalten und ein gutes Leben mitzugestalten. Können Sie uns dazu einige konkrete Projekte in Wuppertal beschreiben? Am berühmtesten ist die Utopia-Stadt. Auf fast 30.000 m2 Fläche entsteht dort eine Fülle von Bottom-up-Initiativen, und die Selbstbeschreibung ist: „Wir sind ein andauernder Gesellschaftskongress mit Ambition und Wirkung“. Ich finde das wunderschön, denn es geht um eine Form des Zusammenlebens, die demokratisches Aushandeln ins Zentrum rückt. Dann die „Nordbahntrasse“, eine über 20 km lange ehemalige Bahntrasse, die nun als Radtrasse über viele Viadukte und durch Tunnel führt und völlig neue Einblicke in die Stadt ermöglicht. Dadurch entsteht ein Naherholungsraum, und auch manche abgehängten Stadtviertel werden erschlossen. Auf den Weg gebracht wurde dieses Projekt durch die zivilgesellschaftliche „Wuppertal-Bewegung“. Ein drittes Projekt ist das Klimaquartier Arrenberg, ursprünglich eher ein Problemviertel, wo sich unternehmerisch und sozial engagierte Akteur*innen ein hochambitioniertes Ziel gesteckt haben: ein klimaneutrales Quartier zu schaffen. Dazu muss man ganz viele mitnehmen, und entscheidend sind dann gerade die Begegnungsorte, z. B. eine umgebaute Hauptschule mit einem wunderbaren Hinterhof, der ein zentraler Anlaufort für die ist, die im Stadtquartier wohnen. Wie kann hier Stadtpolitik unterstützend wirken? Eine der wichtigsten Aufgaben von Politik ist, Freiräume für solche Initiativen zu schaffen, denn es sind ja Bereiche, die klassischerweise nach ganz anderen Planungs- und Verwertungslogiken funktionieren. Es war z. B. für die Utopia-Stadt entscheidend, in einem Schulterschluss zwischen Stadt, Verwaltung, Sparkasse und gemeinwohlorientierten Privatinvestor*innen eine solche Fläche dauerhaft zu sichern, auch wenn sich viele Immobilienunternehmen vermutlich die Hände reiben würden, wenn sie auf diesen Flächen hochwertigen Wohnungsbau machen dürften. Und dann sind wir natürlich auch Vernetzungsplattform. Denn die Organisationskapazitäten solcher Initiativen reichen ja meist gerade aus, das eigene Projekt voranzutreiben, aber wenn man Erfahrungsaustausch or- © fotografixx iStock.com

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==