Jesuiten 2021-3

SCHWERPUNKT 15 Das „Drumherum“ für die innere Transformation In Frankreich gibt es südlich von Paris einen ganz besonderen Ort: den Campus de la Transition. Hier treffen sich Ökonomie, Ökologie und Humanismus. Fabian Moos SJ gibt Einblicke in den Alltag. Der Campus de la Transition ist ein alternativer Hochschul-Campus 70 Kilometer südlich von Paris. Seit 2018 kommen Studierende und Young Professionals für mehrere Tage oder Wochen zu Ausbildungskursen und machen dabei eine „Immersion“-Erfahrung: Vorlesungen, angewandte Forschungsprojekte, aber auch einfaches vegetarisches Essen, Mithelfen beim Kochen, Putzen, Gemüseanbau, ein offenes Abendprogramm, Austausch- und Arbeitsgruppen. Das eigentlich Besondere ist aber die Tatsache, dass der Campus auch ein vielfältiger Lebensort ist. Es wohnen etwa 30 Menschen in dem alten Schloss des AssumptionistinnenOrdens. Rundherum gibt es einen Gemüsegarten, eine Obstplantage, eine große Wiese für Zelte von Kursteilnehmenden oder für weidende Schafe. Neben den „Schlossbewohner*innen“ sind je nach Kurs und (Corona-) Saison noch Dutzende oder Hunderte andere Menschen da. Persönlich habe ich mich zwei Jahre lang auf dem Campus engagiert und seit Kurzem wohne ich auch selbst als Teil der zehnköpfigen Stammkommunität dort – das ist die Gruppe derjenigen, die für mindestens ein Jahr bleiben. Was mich fasziniert, sind vor allem die zahlreichen Elemente, die dafür sorgen, dass die Menschen sich auf einer tieferen Ebene begegnen. Für alle beginnt beispielsweise jeder Tag mit dem „Wort am Morgen“: Nach einem Gongschlag gibt es eine kurze Stille zur Besinnung, dann ein „Check-in“, wo jede*r in einem Satz sagt, wie es ihm oder ihr gerade geht, und darauf wird ein weisheitlicher, religiöser oder poetischer Text vorgelesen, auf den nochmals eine Stille folgt. Die Zusammenkunft wird mit einem Gruppenspiel beendet (Evolutionsspiel oder Ähnliches), wodurch der Tag nicht selten mit einem herzlichen Lachen beginnt. Die akademischen Inhalte der Kurse sind auf höchstem Niveau. Entscheidend ist für die meisten aber wohl eher das „Drumherum“. Viele, die hier ankommen, haben den Kopf bereits voller Ideen, wie sie die Welt retten wollen. Das, was der Campus bietet, ist ein Anstoß zu einer „inneren Transformation“, hin zu einer anderen Weise, in Beziehung zu treten. Dazu braucht es Orte und Zeiten der Begegnung, aber auch der persönlichen und gemeinschaftlichen Reflexion. Ich will nichts idealisieren, es gibt auch Konflikte und Schwierigkeiten, und nicht alle lassen sich auf eine solche ganzheitliche oder spirituelle Erfahrung ein. Unterm Strich aber erlebe ich, dass Wachstum stattfindet, wo Menschen sich begegnen. Als Christ glaube ich, dass genau da auch Gott seine Finger im Spiel hat. Fabian Moos SJ studiert Theologie in Paris. Neben seinem Studium engagiert er sich für die sozialökologische Transformation. Er ist ausgebildeter Gymnasiallehrer für die Fächer Französisch und Spanisch. © boonsom iStock.com

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