Jesuiten 2021-4

SCHWERPUNKT 21 im Begleitprozess gefragt. Wenn wir diese Art von Schlaf als eine verstehen, die uns wecken will, um genauer hinzuschauen, haben wir viel gewonnen. Dann kann aus dem Schatten ans Licht kommen, was dran ist. Das dient der Selbstwahrnehmung und der Wahrnehmung der Gegenwart Gottes. Der Epheserbrief beschreibt das so: „Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten und Christus wird dein Licht sein.“ (Eph 5,14) Der Schlaf gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Nicht umsonst hat Franz Jalics SJ, der Gründer von Haus Gries, den Schlaf an Platz 1 seiner Prioritätenliste gesetzt. Das überrascht und erheitert Exerzitanten, die sich am liebsten sofort den Gebetszeiten widmen wollen. Mit Vollgas in die Kapelle, mit dem Grieser Credo: Hellwach, interessiert und dranbleiben. Und dann kommt der Ärger, weil nicht Wachheit, sondern Müdigkeit da ist: die Augen fallen zu, aber man versucht sich mit Disziplin auf dem Meditationshocker zu halten. Franz pflegte zu sagen: „Schlaft lieber im Bett als auf dem Meditationshocker.“ Der erste mühsame Schritt für viele ist ihre Müdigkeit anzuerkennen, als sei Müdigkeit ein Tabu. Daher ermutigen wir gerade in den ersten zwei bis drei Tagen, sich auszuruhen. Viele Menschen kommen aus einem hoch getakteten Alltag. Nicht wenige überfordern sich chronisch, ohne dies wahrzunehmen. Manchen rauben die Sorgen des Alltags sogar den Schlaf. Wenn im Rahmen der Exerzitien nichts zu tun und äußere Stille gegeben ist, entsteht auf einmal wieder Raum, sich wahrzunehmen. In den Austauschrunden unserer Kurse hört sich das so an: „Ich bin völlig erstaunt, dass ich so müde bin, das habe ich vorher überhaupt nicht gemerkt.“ Oder: „Das kann doch gar nicht wahr sein. Ich habe 10 Stunden geschlafen und noch zwei am Nachmittag.“ Unter Zeitdruck fällt es schwer, sich Zeit für den Schlaf zu gönnen. Daher sind die zehntägigen Exerzitien in Gries unser Kernformat. Der Zeitgeist würde kürzere Exerzitien fordern. Der kontemplative Weg bürstet den Zeitgeist gegen den Strich. Der Mensch braucht Ruhe, um mit wachem Interesse im Gebet und in seinem Leben gegenwärtig zu sein. Unser Körper assistiert uns in den Exerzitien und der Körper lügt nicht. Wenn wir auf seine Signale achten, führt er uns in Kontakt mit uns selbst, mit Gott und dem Nächsten. Dann können wir sagen: „Ich erwachte und blickte umher und mein Schlaf war süß gewesen.“ (Jer 31,26). Annette Clara Unkelhäußer & Joachim Hartmann SJ leiten zusammen das Exerzitienhaus Gries in Wilhelmsthal.

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