Jesuiten 2022-2

SCHWERPUNKT 6 Antworten suchen – Mit Kindern Krankheit teilen Wie vermitteln wir Kindern und Jugendlichen eigentlich den Tod, sei es der eigene, der von fremden oder der von geliebten Menschen? Annika Bender ist Religionslehrerin und Mutter zweier Kinder. Der Frage „Wie erzähle ich es meinen Kindern“ stellte sich nach ihrer Diagnose Brustkrebs. Kinder haben feine Antennen. Sie spüren, dass es uns nicht gut geht, oft noch bevor wir es zur Sprache bringen können. Unsere ältere Tochter – zum Zeitpunkt meiner Diagnose zehn Jahre alt, sprach mich einen Tag nach dem ersten Verdacht auf meine Brustkrebserkrankung an. Sie erkannte, dass mich etwas belastete. Unser vertrauensvolles Verhältnis ließ mir keine andere Wahl, als ihr die Wahrheit zu sagen. Wie auch in den Folgemonaten bestimmte sie dabei, wie weit dieses Gespräch ging. Kinder erwarten, dass wir ehrlich zu ihnen sind, auch wenn es um den Tod geht. Unsere Aufgabe ist es dabei, so offen wie möglich zu sein und sie gleichzeitig davor zu bewahren, in lähmende Angst zu verfallen. Das ist keine leichte Aufgabe, wenn man lebensbedrohlich erkrankt ist und sich selbst immer wieder damit auseinandersetzen muss, dass das eigene Leben viele Jahre eher als gedacht zu Ende gehen kann. Wenn es um das Gespräch mit den eigenen Kindern geht, ist das besonders schwer. In einer solchen krisenhaften Lebenssituation ist es gut, wenn Kinder auf Erfahrungen im Umgang mit dem Thema Tod zurückgreifen können. Kinder begreifen die Welt im Spiel. In der Kleinkindphase haben unsere Töchter in Tier-Rollenspielen immer wieder das Versterben eines Elternteils – meist das der Mutter – eingebaut und sich dabei des gegenseitigen Mit-Fühlens und Mit-Leidens versichert. Überblickt man die Erzählungen aus der Kinder- und frühen Jugendliteratur, die für unsere Töchter prägend waren und sind, dann handeln nicht wenige von der Abtrennung der Kinder von ihren Eltern. Kinder verbinden ihre Lebenswelt mit der literarischen und integrieren die Erfahrung des gelingenden Lebens in ihr eigenes, ohne dabei den Schmerz außen vor zu lassen. Für unsere Kinder ist das Spielen im Freien zusammen mit dem Nachbarskind ein wichtiges Ventil. Eines Morgens fanden sie in unserem Garten einen toten Vogel. Ohne, dass wir Eltern einbezogen wurden, bereiteten sie das Grab vor und organisierten eine Trauerfeier. Wir wurden erst dazu gerufen, als alles fertig war: Ein Grabstein war improvisiert, ein Kreuz aufgestellt und Kerzen flackerten. Die Kinder hatten ein Ritual geschaffen, das sie tröstete. Für unsere jüngere Tochter – bei der Diagnose sechs Jahre alt – sind naturwissenschaftlich- technische Vorgänge im Zusammenhang mit der Behandlung entscheidend. Sie möchte z.B. Narben und Einstichstellen sehen und Vorgänge einer Chemotherapie, Operation oder Bestrahlung verstehen. Die Welt der Krankheit wird für sie auf diese Weise begreifbar. Manchmal erschreckt die Selbstverständlichkeit, mit © Katharina Gebauer

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==