Jesuiten 2022-2

SCHWERPUNKT 5 Guter Hoffnung? Fast jede sechste schwangere Frau verliert ihr ungeborenes Kind in den ersten zwölf Wochen: Wie lässt sich als Christin mit diesem Leid umgehen? Die deutsche Redewendung „guter Hoffnung sein“ spiegelt sehr gut die freudige Erwartungshaltung und den emotionalen Aspekt einer Schwangerschaft wider. Doch viele Schwangerschaften enden unerwartet vorzeitig bereits vor der 12. Woche. Das statistische Risiko für Fehlgeburten liegt laut Publikationen bei circa 15%, es wird aber von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgegangen. Im gesellschaftlichen Umgang wird das Thema früher Fehlgeburten häufig bagatellisiert oder einfach totgeschwiegen. Die Betroffenen haben aber einen hohen Leidensdruck und die fehlende Sichtbarkeit einer frühen Schwangerschaft und deren Verlust erschweren die persönliche Trauerarbeit. Die Nähe von Leben und Sterben bei einer Fehlgeburt löst sehr ambivalente Gefühle aus und konfrontiert mit existenziellen Fragen zu Leben und Tod. Persönlich blicken mein Ehemann und ich in den letzten Jahren auf drei Fehlgeburten zurück. Trotz fortgeschrittener Diagnostik konnten in unserem Fall keine eindeutigen medizinischen Ursachen gefunden werden. Auf die ausbleibende Antwort auf das „Warum“ folgte dann das Hadern im Glauben und die Frage „Meint es Gott überhaupt gut mit mir?“. In diesen dunklen Lebensstunden fanden wir Hoffnung in dem Beweis Gottes bedingungsloser Liebe in der Bibel: Gott wird uns seine Liebe nicht vorenthalten, denn er gab für uns sein Kostbarstes – seinen Sohn Jesus –, damit wir leben und eine persönliche Beziehung zu ihm haben können (Joh 3,16). Wie in zwischenmenschlichen Beziehungen bietet Gott uns auch in geistlicher Hinsicht eine belastbare Beziehung an, die uns Stabilität und Ambiguitätstoleranz über die Lebensstürme hinaus vermittelt – bedingungslose Liebe, Vergebung, Trost und Akzeptanz des Leides, Sicherheit trotz Ungewissheit und Hoffnung angesichts des Todes. „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken“ (Mt 11,28). Wenn wir die ausgestreckte Hand Jesu ergreifen und ihm im persönlichen Gebet und Bibellesen unsere Herzen ausschütten, dann gibt er uns das, wonach wir uns alle zutiefst sehnen, und einen erstarkten Glauben nach dem Leid (Hiob 42,5). Das persönliche Leid und das Erleben, mit Gott durch diese Krisen zu gehen, sind für jeden Einzelnen in seiner/ihrer Gottesbeziehung sehr individuell. Mir hat neben den vielen Gesprächen mit meinen Vertrauenspersonen jene Beziehung zu Gott geholfen: er gibt mir Kraft für den Alltag, hilft mir Ängste zu überwinden, gerade bei meiner letzten geglückten Schwangerschaft, bis hin zu einer Korrektur meines eigenen Gottesverständnisses. Ob die drei Kinder, die ich nicht lebend gebären durfte, für Gott Kinder sind, ist eine Frage, die ich hier nicht beantworten mag und kann. Mir und meinem Mann bleiben die Hoffnung und die Liebe für die drei in unserem Herzen. Sandra M. ist eine junge Ärztin aus Österreich, deren Namen wir anonymisiert haben. Text zu lang

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