Jesuiten 2022-3

SCHWERPUNKT 4 Apokalyptisch hoffen Eine Krise folgt derzeit auf die andere. Die Apokalypse scheint nahe. Martin Löwenstein SJ zeigt, warum mit der Apokalypse auch Hoffnung verbunden ist. Wer Hoffnung sucht, sollte sich auf die Apokalypse einstellen, nicht den Kopf in den Sand stecken. Die Vorzeichen sind unübersehbar: Klimawandel, Artensterben, Dürren, Fluten, ver- seuchte Meere, globaler Wassermangel. Krieg in Syrien, Mali, Mexiko, im Jemen und, ja, in Europa. Millionen Menschen, die nur überleben können, wenn sie ihre Heimat verlassen. Inflation, Hungersnöte. Selbst in China schwächelt aufgrund von Corona die Wirtschaft. Die Demokratie ist in ihren Stammlanden Polen, USA und Frankreich durch autoritäre Bewegungen unter Druck. Bleibt die Frage, was das für mich bedeutet. Genauer: Macht mein christlicher Glaube einen Unterschied dabei? Oder sollte er das zumindest? Denn im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet „Apokalypse“ eine schreckliche Aussicht, in der Bibel hingegen ist die Apokalypse Grund für Hoffnung. Das griechische Wort „Apokalypse“ bedeutet „Offenbarung“. Das letzte Buch der Bibel wird so benannt. In geheimnisvollen, doch aus der jüdischen und biblischen Tradition verständ- lichen Bildern wird dort Jesus Christus offenbart: Der Gekreuzigte siegt, nicht die Ungerechtigkeit. Das Lamm, nicht der Löwe, wird herrschen. In Bezug auf Katastrophen ist die Bibel ganz nüchtern: Das ist so. Das war auch absehbar. Schaut, wie die Welt ist und wie ihr lebt: Wundert es euch? Seit Jahren ist Krieg in Syrien, Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen. Jetzt die Ukraine. Die Grenzen des Wachstums sind schon lange bekannt. Jetzt spüren wir es aller Orten. Schon das biblische Buch richtete sich an Menschen, die Furchtbares erleiden mussten. Doch inmitten ihrer „Apokalypse“ wird das Lamm offenbart, das geschlachtet ist. Gott selbst hält sich nicht fern, sondern hat sich im Kreuz unter die gestellt, deren Felder vertrocknen, deren Häuser in der Flut fortgeschwemmt werden, deren Familien vom Krieg auseinandergerissen und vertrieben werden. Macht mein christlicher Glaube einen Unterschied? Was geschieht, wenn es mir gelingt, Gott zu vertrauen, ihm zu glauben und seinem Christus? Sogenannte Prepper graben sich Bunker und horten Vorräte. Glaubende Menschen gehen raus, selbst mit leeren Händen. Zuerst ist christliche Hoffnung für mich: Es gelingt, die Situation auszuhalten. Das ist nicht wenig. Ohne Vertrauen lägen Ignoranz („Ist doch nicht so schlimm!“) oder Verzweiflung („Wir sind die letzte Generation!“) nahe. Die Fakten sind jedoch, wie sie sind. Mit Gott auch frage ich nach den am meisten betroffenen Menschen. Wer zahlt den höchsten Preis für die globale Ungerechtigkeit? Wie geht es dem Flüchtling vor meiner Tür? Ich lasse meine Angst nicht über die Aufmerksamkeit für die Anderen siegen. Und dann: Einfach das tun, was ich kann. Auch der kleinste Schritt ist nicht vergebens. Hoffnung bedeutet nicht Selbstüberschätzung, sondern zu wissen, dass immer Gott am Ende der Herr ist. Ob sich diese Verheißung innerhalb unserer Geschichte erfüllt oder jenseits, das weiß ich nicht. Die Bibel hält diese Spannung aus. Gerade weil diese Welt nicht alles ist, setze ich mich für sie ein und vertraue, dass Gott es ©TUM-Archiv

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