Jesuiten 2022-4 (Deutschland-Ausgabe)

das Wort „Spiel“ gehört zu jenen faszinierenden Wörtern der deutschen Sprache, die enorm viele Bedeutungen haben. Der Duden gibt zwölf Hauptbedeutungen mit jeweils verschiedenen Untergruppen an. Die erste Hauptbedeutung ganz oben in der Liste lautet: „Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, aus Freude an ihr selbst und an ihrem Resultat ausgeübt wird“. Es gibt aber auch Wettkampfspiele, das „falsche Spiel“ eines Betrügers oder Spiel als Bewegungsfreiheit von Teilen in der Mechanik. In der Jägersprache ist es die Bezeichnung für den Schwanz von Birkhahn, Fasan und Auerhahn. Es gibt außerdem eine Fülle von Redewendungen wie das „Spiel mit dem Feuer“. Sobald man näher hinschaut, sieht man das Wort überall. Es durchzieht unsere Sprache, so als hätte es sich überall heimlich – und spielerisch – eingeschlichen. Sind es dabei v. a. wir Menschen, die das Spiel in die Welt bringen, als unsere stärkste Antriebskraft zur Schaffung von Kultur, politischen Institutionen, Wirtschaft und Religion? Das war schon die These von Johan Huizinga in seinem Buch Homo ludens (Der spielende Mensch) aus dem Jahr 1938. Oder ist unsere Sprache eher ein Hinweis auf die Welt selbst, die dem freien Spiel viel mehr Raum gibt, als uns gemeinhin bewusst ist? Vielleicht sogar ein Hinweis auf Gott, der selbst spielt und uns augenzwinkernd zum spielerischen Dasein einlädt? Zumindest können wir Heftredakteure uns den kindgewordenen Gott kaum anders vorstellen als dem Spiel hingegeben, egal ob allein, versunken, in eine Ecke gekauert – oder freudvoll lachend mit anderen, Eltern oder Spielgefährten. Liebe Leserinnen und Leser, für dieses Heft haben wir einer Bandbreite von Autorinnen und Autoren das Wort überlassen, um einige dieser überraschenden Unterwanderungen unserer Lebenswelt näher zu erkunden. Sie nehmen uns mit in die Zeit der Bibel, des Humanismus oder der Zukunft und an so unterschiedliche Orte wie eine Schulkapelle, eine Theaterbühne oder die Welt des Internets. Überall und zu allen Zeiten wird von Menschen allerlei gespielt, leidenschaftlich, kreativ, entdeckungsfreudig. Und Sie, würden Sie sich selbst als spielenden Menschen bezeichnen? Mit diesen Worten entlassen wir Sie nun in das „freie Spiel der Kräfte“ Ihrer Lektüre (denn wir können in keiner Weise kontrollieren, was sie in Ihnen auslösen wird!). Wir wünschen Ihnen im Namen des gesamten Redaktionsteams Wachsamkeit im Advent, eine gesegnete Weihnacht und Inspiration für Ihr eigenes Lebensspiel. Sebastian Maly SJ Fabian Moos SJ Matthias Rugel SJ Liebe Leserinnen und Leser, 1 EDITORIAL

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