Jesuiten 2022-4 (Deutschland-Ausgabe)

SCHWERPUNKT Stefan Rohrer: Carrera (Gulf), 4_2022 – Foto: Archiv Galerie Scheffel Das Spiel der Welt Ist das Universum ein großes Spiel, vom Zufall geprägt, oder vielmehr eine große Maschine, rational gesteuert vom Menschen? Dieser Frage spürt François Euvé nach. Die meisten traditionellen Kosmologien stellen den Ursprung der Welt als ein großes Spiel dar. Das soll ausdrücken, dass der Lauf der Welt nicht vorherbestimmt ist. Es kann auf zwei Arten verstanden werden: Entweder wird der Zufall betont und die Kreatur kann zum „Spielball“ der Götter werden, oder die gemeinschaftliche Dimension wird betont und die Menschen werden aufgefordert, ihren Teil beizutragen und gemeinsam zu spielen. Das moderne Denken verdrängt das Spiel oder beschränkt es auf den Bereich der Kindheit. Es hebt die Kontrolle des Menschen über die Natur hervor. Das Universum ist dann eine große Maschine mit einer bestimmten Funktionsweise, die der Mensch zu steuern hat. Heute versuchen wir, uns von diesem Modell zu befreien und die kreative Spontaneität wiederzufinden. Wie der belgische Theologe Adolphe Gesché schreibt: „Der Mensch braucht Absicherungen, aber ebenso sehr diese Art von `Spiel´, bei dem nicht alles im Voraus gesagt wird.“ Das Spiel ist zweckfrei. Es enthält zwar Regeln, das verhindert aber nicht den Ausdruck von Initiative und Freiheit. Die ersten christlichen Denker waren für die spielerische Dimension der Beziehung zu Gott im Sinne des Buches der Sprüche (8,22– 36) empfänglich. Die vernunftorientierte Theologie hat sie später vergessen. Das Spiel blieb nur in der Mystik bestehen, wo der Schwerpunkt auf der Hingabe an Gott liegt, wie bei Theresia vom Kinde Jesu: „Ich hatte mich dem Kinde Jesu hingegeben, um sein kleines Spielzeug zu sein.“ Wie sieht es in der ignatianischen Tradition aus? Sie ist ein interessanter Ort, um die Widersprüche der Moderne zu beobachten. Eine erste Linie des Denkens bemüht sich, den aufsteigenden Rationalismus mitzuvollziehen. Viele Jesuiten schließen sich der neuen Wissenschaft an. Das Verschwinden des Spiels geht einher mit der immer wichtigeren Rolle, die der Vernunft zugewiesen wird. Die Theologie gleicht sich an die Methode der Naturwissenschaften an. Das Beispiel des großen Philosophen und Theologen Francisco Suarez (1548–1617) ist bezeichnend: Seine rationale Metaphysik ist losgelöst vom schöpferischen Handeln Gottes. Dieses wird gewissermaßen einer herrschenden Vernunft untergeordnet. In Gott gibt es keine Phantasie mehr. Parallel dazu entsteht jedoch eine mystische Strömung, die sich dagegen wehrt, in den starren Rahmen des Rationalismus gepresst zu werden. Hierzu möchte ich auf einen Zeitgenossen von Suarez eingehen, Bruder Alonso Rodríguez (1533–1617). Seine Schrift „Spiele Gottes mit der Seele (Juegos de Dios con el almo)“ spiegelt eine Mystik wider, die eher experimentell als rational war. Er schrieb insbesondere: „Dieses Spiel ist eine sehr hohe und ganz spirituelle Sache; die Seele gibt großzügig ihren ganzen Rest auf und Gott den seinen, und das alles aus Liebe, denn es ist ein Spiel der Liebe. Schließlich gewinnt Gott den Rest, denn der Rest der Seele ist sie selbst; und die Seele gewinnt, denn indem sie verliert, verliert sie nicht; denn indem sie sich nicht mehr selbst gehört, gehört sie Gott.“ Um uns von den Auswüchsen des Rationalismus zu befreien, müssen wir diese spielerische Dimension wiederfinden, die einen Beziehungsaspekt beinhaltet: Spielen bedeutet, sich 4

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