Jesuiten 2023-1 (Deutschland-Ausgabe)

#prayfor – Ist das schon Fürbitte? Nach Terroranschlägen oder anderen katastrophenartigen Ereignissen tauchen in den sozialen Netzwerken wie Twitter und Instagram schnell Beiträge auf, die mit #prayfor verschlagwortet sind. Ist der Hashtag „Gebet für” schon ein Gebet? Am 13. November 2015 ist in der 17. Spielminute des Freundschaftsspiels zwischen der deutschen und der französischen Nationalmannschaft im Pariser Stadion ein lauter Knall zu hören. Einige Minuten später ein zweiter. Zeitnah stürmen drei Attentäter ein Konzert in einem Theater in der Pariser Innenstadt. Der Terroranschlag fordert 130 Tote und 683 Verletzte. Die Trauer, Fassungslosigkeit und Solidarität sind groß. In den sozialen Medien bildet sich neben #peaceforparis oder #jesuisparis auch der Hashtag #prayforparis. Allen ist zu eigen, dass Menschen unter diesem Hashtag einen Ort finden, um ihren Emotionen Raum zu geben. Seit Paris sammeln sich unter den Hashtags #prayforXY Anteilnahmen, Solidaritätsbekundungen und Gedanken zu dem jeweiligen katastrophalen Ereignis. Wie zum Beispiel #prayforberlin, #prayforlondon, #prayfornizza oder #prayforbrussels. Fast so alt wie der Hashtag ist auch die Diskussion darüber, wie sinnvoll dieser ist. Religionskritische Vertreter*innen weisen darauf hin, dass Gebet keine relevante Kategorie für Trauer und Anteilnahme sei und eher lähme als bereichere. Und in der Theologie gibt es immer wieder die Frage, ob die Verwendung eines Hashtags überhaupt ein (Fürbitt-)Gebet sein kann. Dahinter steht die Frage, was ein Gebet eigentlich als Gebet legitimiert. Kann jemand, der ansonsten nicht als religiös gilt, trotzdem beten? Die Auffassung, dass ein Gebet eine gläubige Beterin oder einen gläubigen Beter bräuchte, halte ich für irrig. Der Glaube als Antwort des Menschen auf die Selbstmitteilung Gottes ergibt sich ja gerade erst aus der Handlung des Betens. Der Hashtag #prayfor, genauso wie geöffnete Kirchenräume nach einer Katastrophe, bietet einen Raum, um der momentanen Fassungslosigkeit über das Geschehene Raum zu geben. Beten ist das sich Öffnen hin zu einer Transzendenz und als solche Handlung stets für sich stehend. Eine Bewertung scheint mir nicht nützlich. Denn wie kann der Moment, in dem sich Menschen freiwillig unter einem Hashtag versammeln, der ihnen Raum für ihre Emotionen gibt, für das Leid, die Antriebslosigkeit etc., kein Fürbittgebet, also das Gebet der Gemeinde, sein? Eine Kirche, die vom Menschen her sich Gottesoffenbarung erschließt, kann nicht anders, als hörend auf das zu sein, was in der Welt passiert. Und egal aus welchen Gründen der Hashtag genutzt wird, so finden sich dort doch Menschen, die ihren Sorgen und Ängsten, ihrer Trauer und ihrem Leid Raum geben. Und eben diesen Raum gilt es zu öffnen und auszuhalten, in ihn hineinzuhören. Thomas Junghans: Little Abstract Head II Tobias Sauer ist katholischer Theologe und strategischer Kommunikationsberater. Seit 2017 initiiert, berät und begleitet er mit ruach.jetzt Projekte rund um die Themen Glaubenskommunikation, Verkündigung, Marketing, Digitalisierung und Theologie. 11 SCHWERPUNKT

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