Jesuiten 2023-1 (Deutschland-Ausgabe)

Gelebte Gebetsgemeinschaft „Gäste und Mönche sollen miteinander beten“ (vgl. RB 53,4), so mahnt der heilige Benedikt seine Mönche. Im Kloster feiern wir Brüder jeden Abend in Verbindung mit der Vesper Eucharistie – gemeinsam mit vielen Gästen aus unserem Gäste-, Bildungs- und Jugendhaus. Die Fürbitten nehmen dabei eine ganz besondere Stelle ein. Denn nie werden vorformulierte Bitten vorgetragen, sondern direkt aus dem Volk Gottes heraus werden Dank und Bitten – so, wie sie den Menschen im Herzen liegen – vor Gott gebracht. Ein wertvoller Moment. So verbinden wir Mönche uns mit den Gästen und unserem Schöpfer noch einmal intensiv und nehmen Anteil an persönlichen Schicksalen, am Weltgeschehen oder an freudigen Ereignissen in Kirche, Gesellschaft und Nachbarschaft. „Wir danken dir für 50 gemeinsame Ehejahre und bitten dich für unsere Kinder und Enkelkinder!“ – „Steh den Menschen in der Ukraine bei und schenke deinen Frieden!“ – „Bitte sei unserem Sohn bei seiner bevorstehenden Operation nahe und segne das Werk der Ärzte und des Pflegepersonals.“ – „Bitte begleite unsere Tochter bei der bevorstehenden Prüfung und schenke ihr Geduld und Ruhe.“ Diese freien Fürbitten sind nah am Leben der Mitfeiernden, sie sind persönlich, konkret und aktuell. Das ist ihre Stärke. Auch ist es nicht nur Gebet für andere, sondern auch Gebet anstelle anderer. Das stellvertretende Gebet. „Meine Enkelkinder haben das Beten verlernt. Im Kloster Nütschau habe ich die Möglichkeit, an ihrer Stelle öffentlich für sie zu beten, weil sie es nicht können – aus welchen Gründen auch immer!“, so eine ältere Dame, die oft bei uns zu Besuch ist. Der paulinische Gedanke „Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen ...“ (Röm 8,26) kommt hier zum Tragen. Im Kloster Nütschau wird seit dem Gründungsauftrag von vor über 70 Jahren großer Wert auf Gebetsgemeinschaft gelegt. In der norddeutschen Diaspora waren von Anfang an die Mönche beim Stundengebet auf die Einheimischen angewiesen. Beim Bau der Klosterkirche Mitte der 1970er Jahre wurde architektonisch die Gebetsgemeinschaft begründet – alle versammeln sich im Rondell um den Altar: Mönche und Gäste. Kein Chorraum oder Chorgestühl stehen dazwischen. Klar, dass die Gemeinschaft in Nütschau zu den ersten Benediktinerklöstern gehört, die die deutsche Sprache in der Liturgie und im Psalmengesang eingeführt haben. So sind die freien Fürbitten nicht zuletzt eine Konsequenz gelebter Gebetsgemeinschaft. Sie sind Ausdruck der intensiven Verbindung zwischen Gott und den Menschen und uns Menschen untereinander. Dafür sind wir sehr dankbar und nehmen gerne die Anliegen der Menschen, die uns anvertraut sind, mit ins Gebet – nicht nur bei den Fürbitten in der täglichen Eucharistiefeier. Br. Lukas Boving OSB ist seit 2010 Benediktiner im Kloster Nütschau (Schleswig-­ Holstein) und Pastor in der Pfarrei Heilig Geist, Hamburg. Der gebürtige Rheinländer wurde 2020 zum Priester geweiht. 16 SCHWERPUNKT

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