Jesuiten 2023-1 (Deutschland-Ausgabe)

Heilige als Fürsprecher? Wir sind nicht allein. Unser Gebet und unsere Gottesbeziehung sind geprägt von anderen Menschen. Die Heiligen beten mit uns. „Warum soll ich mich mit einer Bitte an meinen Vater wenden, wenn meine Mutter mir diese schneller erfüllt?“ Mit dieser Aussage versuchte ein Studierender im Gespräch mit evangelischen Theolog*innen das Gebet zu Maria als Fürsprecherin zu begründen. Dieser Aussage wurde nicht nur von den evangelischen, sondern auch von den katholischen Anwesenden widersprochen. Problematisch ist hier das Bild eines väterlichmännlichen Gottes, dessen Strenge durch eine mütterliche Nebenfigur umgangen werden muss. Schwierig ist auch die Vorstellung, dass Menschen – wie an einem fürstlichen Hof – keinen unmittelbaren Zugang zu Gott haben und deshalb eines Eintretens derer bedürfen, die Gott näher stehen. Für den christlichen Glauben ist es so, dass das menschliche Beten Gott unmittelbar erreicht, weil Gott selbst dem Menschen unmittelbar nahe gekommen ist in seinem Sohn: „Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus“ (1 Tim 2,5–6). Die Unmittelbarkeit geht von Gott aus, und sie drückt sich aus in der Menschwerdung Gottes. Sie ist somit nicht un-menschlich, nicht un-sozial oder weltlos. Sie hat eine menschliche Gestalt: in den Erzeltern, den Propheten und Prophetinnen des Alten Testaments und in Jesus. Immer ist die Welt, immer sind die anderen Menschen Ausgangspunkt des persönlichen Gottesverhältnisses. Es gibt keine Unmittelbarkeit in der Gottesliebe, die nicht die Nächsten mit einschließt, sagt das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe (Mk 12,29). Wir stehen somit nie allein vor Gott, wie wir auch nicht allein beten zu Gott. Unsere Gottesbeziehung ist geprägt und in diesem Sinne auch vermittelt durch andere Menschen. Aus diesem Grunde können wir die Heiligen um ihre Fürsprache bitten. Aber auch mit den Menschen, die für unseren Glauben wichtig waren und die verstorben sind, stehen wir vor Gott. Auch sie, die nie „offiziell“ heiliggesprochen wurden, können wir um Fürsprache bitten. Karl Rahner berichtet, dass er den großen evangelischen Theologen Karl Barth gefragt habe, ob man einen anderen Menschen bitten könne, für ihn zu beten. Barths Antwort: Man solle den anderen bitten, mit ihm zu beten. Kann man die Fürbitte der Heiligen so verstehen? Die Heiligen beten mit uns, und dieses „mit uns“ ist schon ihr „für uns“. Die Anrufung der Heiligen verursacht nicht ihre Kommunikation mit Gott. In ihrer Anrufung treten wir ein in die Gemeinschaft der Heiligen, die miteinander und in Verbundenheit füreinander vor Gott stehen und auf seine Gnade hoffen. P. Klaus Vechtel SJ studierte Theologie in Bonn und Rom, wo er 1989 zum Priester geweiht wurde. Seit 2007 lehrt er an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main, seit 2014 als Professor für Dogmatik. Wir stehen somit nie allein vor Gott, wie wir auch nicht allein beten zu Gott. 17 SCHWERPUNKT

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