Jesuiten 2023-1 (Deutschland-Ausgabe)

Geistlicher Impuls Nie krank ist auch nicht gesund Hugo Enomiya Lassalle erzählte mir einmal, ein Mitbruder hätte bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gesagt: „Hauptsache gesund.“ Lassalle pflegte zu antworten: „Dafür bin ich nicht in den Orden eingetreten.“ Hauptsache gesund. Diese zwei Worte gehen uns wie selbstverständlich über die Lippen. Kein Grund, sie zu hinterfragen. Gesundheit ist uns teuer, buchstäblich. Die entsprechenden Kosten steigen, und die Diskussion, wie sie einzudämmen sind, nimmt kein Ende. Gesundheit ist so etwas wie ein goldenes Kalb, um das wir tanzen und dem wir gesellschaftlich und privat viel zu opfern bereit sind. Hauptsache gesund! Stimmt das? Ist dieser Spruch, genauer besehen, nicht lebensfeindlich und ist die Haltung, die dahintersteckt, nicht ungesund? Ich wage jedenfalls die Behauptung: Nie krank ist auch nicht gesund. „Es tut weh, es lebt!“ so rief kürzlich mein Zahnarzt schon fast begeistert, nachdem er meinen Zahn abgeklopft und ich das Gesicht verzogen hatte. Schmerzen und Krankheit gehören zum Leben. Mehr noch: Sie sind Zeichen des Lebens. Angefangen von den Kinderkrankheiten über schmerzvolle Wachstumskrisen bis zu den Altersbeschwerden. Nicht Gesundheit und Schmerzfreiheit sind das höchste Gut, sondern ein sinnvolles, erfülltes Leben. Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, sagt es so: Um zu seinem Lebensziel zu gelangen und also glücklich zu werden, sei es notwendig, sich allen Dingen gegenüber gleichmütig zu verhalten und Gesundheit nicht mehr zu verlangen als Krankheit, langes Leben nicht mehr als kurzes … Dabei wusste Ignatius, dass dies ohne Übung nicht geht. Und darum schrieb er die „Geistlichen Übungen“, bekannt als Exerzitien. In der Schule des Ignatius (und für mich auch in der Übung des Zen) lerne ich mehr und mehr, dass es zum Glück nicht die Erfüllung aller Wünsche braucht, dass ich glücklich sein kann auch dann, wenn ich Schweres erlebe, wenn ich zum Beispiel liebe Menschen verliere oder eben krank bin. Vor mir liegt der Brief einer Frau, die eine schwere seelische Krankheit durchgemacht hatte. Sie schreibt: „Durch die Krankheit bin ich ein anderer Mensch geworden, toleranter, gelassener und zufriedener. Ich möchte nicht mehr so sein wie vor der Krankheit.“ Mit anderen Worten: Krankheit kann ein Segen sein. Gesundheit ist, wenn auch nicht das höchste, so doch ein hohes Gut. Darum empfehle ich: Tun Sie etwas für die Gesundheit und gegen krankmachenden Stress. Für mich sind Schmerzen und Krankheit gehören zum Leben. Mehr noch: Sie sind Zeichen des Lebens. Angefangen von den Kinderkrankheiten über schmerzvolle Wachstumskrisen bis zu den Altersbeschwerden. 22 GEISTLICHER IMPULS

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