Jesuiten 2023-1 (Deutschland-Ausgabe)

orat pro ecclesia et societate „Er betet für die Kirche und den Jesuitenorden.“ – Das ist der letzte Auftrag, den der Provinzial einem Mitbruder gibt, wenn dieser in ein Alten- oder Pflegeheim umzieht; und so steht es auch im „Katalog“, in dem alle Jesuiten mit ihren Tätigkeiten aufgelistet sind. Zwei- oder dreimal im Jahr schreibt der Provinzial jedem, wofür er beten möge: zum Beispiel für Frieden in Kriegsgebieten, für Menschen in schwierigen Situationen, dafür, dass es Ordensberufungen ins Noviziat gibt. So unterstützen die alten Jesuiten mit ihrem Beten diejenigen, die aktiv in diesen Feldern tätig sind. Wandelt sich das Gebet im vorgerückten Alter? „Als Kind habe ich auswendig gelernte Gebete gesprochen“, erzählt mir einer. „Als Jugendlicher habe ich mich mit all meinen Gefühlen an Gott gewandt, egal ob ich schrecklich verliebt oder schrecklich zornig war. Als junger Erwachsener habe ich die Meditation des Lebens Jesu schätzen gelernt. Jetzt im Alter wird mein Beten immer einfacher und ich muss nicht mehr viele Worte machen.“ Ein anderer berichtet: „Ich habe erst jetzt so richtig entdeckt, dass es in den Exerzitien nach der zweiten ja noch eine dritte und vierte Woche gibt.“ Damit hat er im „Jesuiten-­ Wording“ darauf hingewiesen, wie sich Ignatius den Prozess der Exerzitien idealtypisch vorstellt: In der Nachfolge Jesu will ich nach der Versöhnung mit meiner Biografie meine Gottesbeziehung vertiefen (erste ExerzitienPhase) und dann Mitarbeiter Christi werden und mit ihm und an seiner Seite für die Menschen da sein (zweite Phase). Dabei bleiben mir – wie Jesus – Ratlosigkeit und Scheitern nicht erspart. Ich hoffe und bitte darum, diese Lebenszumutungen annehmen und im Licht der Auferstehung leben zu können (dritte und vierte Phase). Was dies für ihn bedeutet, drückte ein weiser alter Pater so aus: „Jetzt, wo ich vor der Tür zur Ewigkeit stehe, bitte ich Gott, dass er selbst sich mir mitteilt und dass ich vorbereitet bin, einmal ganz bei ihm zu sein.“ Die Erfahrung zeigt aber, dass nicht alle alten Jesuiten zu einer solchen geistlichen Haltung gelangen. Für sie wie für viele spirituell suchende und übende Menschen bleibt oft nicht viel mehr, als die persönliche Lebenssituation im vorgerückten Alter auszuhalten und zu versuchen, sie mit Gott in Berührung zu bringen. Und auf dem Weg der Suche nach Gott heißt das steilste Stück Einsamkeit. P. Hermann Kügler SJ ist ausgebildeter Pastoralpsychologe und Lehrbeauftragter für Themenzentrierte Interaktion (TZI) im Ruth Cohn Institut. Seit Sommer 2020 ist er Seniorendelegat der Zentraleuropäischen Provinz. „Den nächsten Umzug in Richtung Himmel organisiert dann der liebe Gott“, sagte mir scherzhaft ein alter Mitbruder. 21 SCHWERPUNKT

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