Jesuiten 2023-1 (Deutschland-Ausgabe)

Trotz vieler Fragen ist es zumindest für Christ*innen grundsätzlich unbestritten, dass sie mit ihren Bitten zu Gott kommen können: Allein schon, weil Jesus es ihnen gesagt hat. Und zwar nicht irgendwo am Rande, sondern inmitten der Frage, wie zu beten sei. Jesus nennt dezidiert – das darf nicht vergessen werden – auch materielle Dinge: Unser tägliches Brot gib uns heute. Wobei er damit natürlich nicht sagt, dass wir Gott einfach um alles bitten sollen, was wir gern an Materiellem hätten. Ich habe Janis Joplins Song „Mercedes Benz“ im Ohr und wie sie singt: „Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz …“ (obwohl ich weiß, dass der Hintergrund des Lieds eigentlich Konsumkritik ist; was nichts daran ändert, dass sogar Mercedes-Benz den Song für eine Werbung benutzt hat). Theolog*innen gehen vor der Beantwortung einer Frage oft einen Schritt zurück und klären zunächst grundsätzliche Fragen – zum Beispiel, was denn ein Gebet überhaupt ist. Karl Rahner stellte einmal, nachdem er abgegrenzt hatte, was ein Gebet nicht ist, die Frage, was denn dann ein Gebet sei. Und die Antwort des großen Theologen? Sie lautet: „Das ist schwer zu sagen. Und am Ende werden wir viel davon geredet und noch immer wenig davon gesagt haben.“ Wenn ich überlege, was ein Gebet ist, helfen mir unter anderem Rahner (der letzten Endes doch sehr viel Kluges zum Gebet gesagt hat, wie ich finde) und die Kirchenlehrerin Teresa von Avila. Es gibt ein – wie ich fast sagen möchte „bodenständiges“ – Zitat von ihr, das mir sehr gefällt: „Meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“ Freund*innen, die uns lieben, können wir auch um etwas bitten. Aber: Es wäre nicht richtig, sie nur dann zu treffen und mit ihnen zu sprechen, wenn wir etwas brauchen. Und nicht jede Bitte ist richtig und vernünftig. Es gibt Bitten, die wir aus moralischen Gründen nicht stellen dürfen; es gibt Bitten, die unvernünftig sind. Und – auch das ist wichtig – es gibt Bitten, die Freund*innen uns nicht erfüllen werden. Aber grundsätzlich gilt: Wenn es echte Freund*innen sind, die uns lieben, können wir ihnen unser Herz öffnen und manchmal auch ausschütten. Wenn Teresa von Avila recht hat, gilt das gleiche für die Bitten an Gott: Es gibt Bitten, die wir nicht stellen sollten; es gibt Bitten, die unvernünftig sind; und es gibt Bitten, die Gott nicht erfüllen wird. Es ist also sehr wichtig, hier zu unterscheiden, zu differenzieren. Und zuletzt – auch das darf nicht vergessen werden – dürfen und können Fürbitten uns niemals von unserem eigenen Engagement, von unserem eigenen Handeln entbinden (auch wenn das noch so bequem wäre). Ora et labora. Oder wie der Heilige Ignatius sagen würde: „Vertraue so auf Gott, als ob der Erfolg deiner Arbeit einzig von Gott abhinge und nicht von dir. Wende aber allen Fleiß so an, als ob von Gott nichts und von dir alles abhinge.“ Portrait: © Alexander Strigl Marisa Hanna Gasteiger ist Mitarbeiterin der Theologischen Fakultät in Innsbruck und schreibt dort ihre Dissertation zum Thema „Gebet und Gottesbild“. Für Christ*innen ist es grundsätzlich unbestritten, dass sie mit ihren Bitten zu Gott kommen können. 3 SCHWERPUNKT

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