Jesuiten 2023-1 (Deutschland-Ausgabe)

Vor Gott füreinander eintreten Kein Gottesdienst kommt ohne sie aus: die Fürbitten. Warum werden sie häufig noch immer vom Priester vorgetragen und nicht von Gemeindemitgliedern? Welche Bedeutung haben Fürbitten eigentlich? P. Sebastian Ortner SJ hat mit der Liturgiewissenschaftlerin Ingrid Fischer gesprochen. Frau DDr. Fischer, warum bereitet oft der Priester die Fürbitten vor, die dann vorgetragen werden, obwohl genau dort der Punkt wäre, wo Laien sich einbringen können und sollen? Schon in den Schriften des Neuen Testaments werden die Gläubigen wiederholt aufgefordert, für andere zu beten (1 Tim 2,1–4; 2 Kor 1,11; Eph 6,18f u. a.). In der gemeindlichen Tagzeitenliturgie (Vesper) sowie in der Eucharistiefeier war darum das Fürbittgebet als „Allgemeines Gebet der Gläubigen“ bald fest verankert. Allerdings geriet der offizielle Gottesdienst der Kirche im Laufe des Mittelalters immer mehr zur alleinigen Aufgabe des Klerus, während die sogenannten „Laien“ nur noch als passive Zuschauer „beiwohnen“ durften. Obwohl die Liturgiereform im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils heute wieder alle Getauften „berechtigt und verpflichtet“ weiß, ihr gemeinsames Priestertum auch im Gebet füreinander zu leben, tragen wir die Alleinzuständigkeit des Priesters in der katholischen DNA als eine Art Erblast in uns. Was heißt es und welche Auswirkungen hat es, dass eine gewisse Macht mit dem Formulieren von Fürbitten verbunden ist? Die Macht, bestimmte Anliegen anderer vor Gott ins Wort zu bringen, setzt voraus, diese überhaupt wahrnehmen zu können sowie die Bereitschaft, nach Kräften Abhilfe zu schaffen. Die Fürbitte ist nicht der Ort, die uns aufgegebene Mitmenschlichkeit an Gott zu delegieren, oder einander Moral zu predigen. Bestimmte Nöte zu nennen und andere nicht, bedeutet selbstverständlich Macht. Legitim ist eine Bitte aber nur dann, wenn sie aus der Ohnmacht erwächst: wenn wir an Grenzen kommen oder die Unheilsverstrickungen undurchdringlich werden. Dann hilft der Geist unserer Schwachheit auf – erst recht, wenn wir nicht wissen, worum wir in rechter Weise bitten sollen. Manchmal ist es praktisch, in Gottesdiensten auf fertig formulierte Fürbitten zurückgreifen zu können, zum Beispiel auf jene des Herder-Verlages. Etwas zugespitzt könnte man fragen: Beten wir dann „in den Anliegen des Herder Verlags“, statt in den Anliegen der Gemeinde vor Ort? Aus den oben genannten Gründen und wohl auch infolge der Unmündigentaufe – „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, vermisse ich also nicht – besteht nur selten das Bewusstsein von der Taufberufung zum Fürbittgebet. Auch liturgieinteressierte Gläubige engagieren sich in der Feier der Eucharistie nicht primär über die Verfassung des Gläubigengebetes. In Büchern gesammelte Fürbitten können inspirierend sein, den Blick schärfen, die Ausdrucksweise schulen. Sie ersetzen aber nicht die Verantwortung der Getauften füreinander und für die Welt. 4 SCHWERPUNKT

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