Jesuiten 2023-2 (Deutschland-Ausgabe)

(H)eilige Kirche – Ein Schweizer zwischen den Fronten Die eine Heilige Kirche, die ewig fest und beständig bleibt? Oder Last Chance Saloon, um alles unter Dach und Fach zu bringen, was wir verändern müssen beziehungsweise wollen? In diesem Spannungsfeld fühlt man sich als Schweizer in Rom manchmal wie zwischen zwei Fronten. Dieser Eindruck eines Zwei-Fronten-Angriffs entsteht, weil ich einerseits als Schweizer automatisch dem deutschen Sprachraum und damit Deutschland zugeordnet werde. Andererseits wird mir ebenso automatisch die Verteidigung des Synodalen Wegs zugewiesen. Aufgaben respektive Zuschreibungen sind so nicht ganz richtig. Meist antworte ich entlang dreier Gedankenlinien. Die erste betrifft meine Swissness. Die Schweiz ist nicht Deutschland. Wir haben zwar viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele Unterschiede, gerade im kirchlichen Bereich. Wir sind ein viel kleinräumigeres Land, in dem das Zusammenleben nur mittels einer ständig neu ausbalancierten Machtteilung funktioniert. Die Lust an der Auseinandersetzung (Entschuldigung: klar benennen, was Sache ist), die wir unseren nördlichen Nachbarn gerne nachsagen, liegt uns nicht. Unser System beruht auf dem Kompromiss. Das ist nicht immer einfach, aber wir können es uns schlicht nicht leisten, die Menschen vor den Kopf zu stoßen, auf die wir morgen wieder angewiesen sind. Im Sinne eines Kompromisses mit dem jungen Schweizer Nationalstaat akzeptierte die Katholische Kirche im 19. Jahrhundert ein duales System. Darin hat die kirchliche Hierarchie zwar die Leitungsfunktion inne, die Kirchensteuern und damit ein erheblicher Machtfaktor liegen aber in den Händen der Laien. Der Bischof selbst erhält nur einen Anteil für die Priesterausbildung und die Finanzierung der zentralen Dienste. Dieses Zusammenleben erfordert ein großes Maß an Demut und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen und zuzuhören. Das funktioniert zwar auch in der Schweiz nicht immer, aber da auch unsere Bischöfe mit dem dualen Weg aufgewachsen sind, finden wir meistens eine gute Lösung. Die zweite Argumentationslinie betrifft den Vorwurf der Kirchenspaltung, wobei der Häresie-Vorwurf gegen andere der Volkssport Nummer eins unter den römischen Klerikern ist. Leider hat auch der Satz von Papst Franziskus nicht geholfen: „Wir brauchen keine zweite protestantische Kirche in Deutschland“. Denn erstens muss man sich fragen, ob wir nicht schon längst eine Kirchenspaltung haben, mit all den Gläubigen, die ausgetreten sind, sich aber nach wie vor als katholische Christen verstehen. Und zweitens glaube ich, dass gerade der Synodale Weg wie auch der Synodale Prozess der Weltkirche helfen können, eine Spaltung zu verhindern, indem zum ersten Mal wunde Punkte offen besprochen werden. Auch die Schweizer Katholiken nehmen aktiv am Synodalen Prozess teil. Ihre Postulate nach Prag deckten sich übrigens fast zu 100 Prozent 4 SCHWERPUNKT

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