Jesuiten 2023-2 (Deutschland-Ausgabe)

Lust auf Kirche in zerbrochenen Welten Kirche kann lebendig sein: Ein Glaubenszeugnis einer jungen Frau, das Mut macht, die eigene Rolle in der Kirche zu hinterfragen. Ich bin in einer wunderbaren Pfarrei in Italien aufgewachsen und könnte stundenlang von dieser lebendigen Kirche und Gemeinschaft erzählen. Mein Wunsch war es, für meine Pfarrei zu leben und Verantwortung für sie zu übernehmen. Aber dieser Wunsch hätte mit der Zeit all die Menschen gestört, die mich zwar von Kindheit an kannten, aber in mir eine Ehefrau, Mutter oder Nonne suchten. Sie hätten mich nicht einordnen können, denn die Rolle, die ich mir wünschte, gab es nicht. Als ich vor fünf Jahren in die Schweiz kam, begegnete mir ein anderes Bild von Kirche. Ich sah Laien, oder besser: getaufte Männer und Frauen, die zusammen mit Priestern Gemeinden leiteten im ökumenische Feiern, und hörte vom dualen System. Es war schwierig zu fassen, dass „einfach“ getaufte Menschen die Verantwortung für Gemeinden übernehmen können/dürfen. Man bot mir an, als Katechetin zu arbeiten und dafür bezahlt zu werden. Ich konnte es kaum glauben, dass mein Wunsch, den Glauben zu verkünden, plötzlich zu einer Einkommensquelle werden konnte. Jetzt arbeite ich seit zwei Jahren als pastorale Mitarbeiterin in einer italienischsprachigen Mission und besuche eine Ausbildung zur Gemeindebildnerin in Luzern. Wenn ich auf meine Erfahrungen in Italien zurückblicke, bin ich dankbar dafür, dass ich erfahren habe, was es bedeutet, wenn man sagt, dass die Kirche lebendig ist. Wenn ich die gleiche Freude auch in anderen Gemeinden erlebe, dann weiß ich, dass ich vor der lebendigen Kirche stehe. Eine noch wichtigere Erfahrung in der Schweiz war der wachsende Glaube, dass, selbst wenn eine Form der Kirche zusammenbricht, das Reich Gottes bleibt. Es wird immer weiter blühen und Mitarbeiter*innen brauchen. Ein Wendepunkt war die Begegnung mit der ignatianischen Spiritualität, insbesondere den Exerzitien. Sie sind das Wertvollste, das ich erlebt habe. Durch die geistlichen Übungen habe ich entdeckt, dass es ein Zentrum gibt, das alles antreibt. Ein Fundament, zu dem ich immer wieder zurückkehren kann. Je besser ich dieses Fundament in mir kenne, desto mehr bin ich in der Lage, seine Präsenz in der Welt zu erkennen. Dieses Fundament und Zentrum heißt Gott. Die ignatianische Spiritualität hat mir die Angst genommen, meine Kirche zu verlieren, und mir die Gewissheit zurückgegeben, dass die Kirche des Herrn immer existieren wird. Ich sehe meine Aufgabe darin, mich immer mehr in ihm zu verwurzeln, um ihn auch außerhalb von mir und dort, wo er seine Kirche sprießen lässt, erkennen zu können. Gabriella Guglielmi ist seit zwei Jahren als Pastorale Mitarbeiterin in der italienischen Mission in Aarau tätig. Ein weiteres Glaubenszeugnis eines jungen Menschen finden Sie im Online-Magazin „Sinn und Gesellschaft“. 6 SCHWERPUNKT

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