Jesuiten 2023-3 (Deutschland-Ausgabe)

Sr. Stefanie Strobel sa gehört zur Kongregation der Helferinnen. Sie war neun Jahre lang Novizenmeisterin und Provinzoberin. Jetzt ist sie Geistliche Direktorin der katholischen Journalistenschule, dem ifp. Als gebürtige Belgierin ist ihr Lieblingsgericht Moules-frites. Dem Heiligen Ignatius wird nachgesagt, dass er das Radikale suchte. Die Zeit vor seiner Bekehrung und die Phase danach waren von extremer Lebensführung geprägt. Er wollte etwas von Gott und sich selber erzwingen. Ignatius war weit davon entfernt, sich tatsächlich von Gott und seiner Barmherzigkeit führen zu lassen. Eine Kehrtwende kam nur ganz langsam. Dieser Weg zeigt sich in den Exerzitien. Die Person auf dem Exerzitienweg prüft ihr Leben und möchte es neu ganz auf Gott hin ausrichten. Jede Gebetszeit beginnt mit dem Vorbereitungsgebet: Herr, schenke mir die Gnade, dass all meine Absichten, Handlungen und Beschäftigungen auf deinen Dienst und Herrlichkeit hin ausgerichtet seien (vgl. GÜ Nr. 46). Aufgrund seiner eigenen Lebenserfahrung wusste Ignatius, dass Leib und Seele einander bedingen. So gibt es im Exerzitienbuch die „Regeln um sich künftig im Essen zu ordnen“ (GÜ 210–217). Diese Regeln stehen zwischen der dritten und vierten Woche des Exerzitienweges. Ignatius hat sie nicht als Bußregeln gedacht, sonst stünden sie bei der ersten Woche. Sie verstehen sich in der Dynamik der Exerzitien. Sie wollen dem Exerzitanten, der Exerzitantin helfen, das ganze Leben auf Gott hin auszurichten. Die Nahrung ist etwas Grundlegendes, sie berührt den Leib. Auch der Leib soll auf Gott hin „ausgerichtet“ werden, soll „evangelisiert“ werden. Die Frohe Botschaft gilt auch dem Leib. In den Regeln spricht Ignatius das alltägliche Essen an. Er empfiehlt, darauf zu achten, wo jemanden die Essenslust packt und was er, sie dann isst und trinkt. Zudem kann es von Nutzen sein, sich im Vorfeld zu überlegen, wie viel man essen möchte (vgl. GÜ 217). Im Blick auf die Nahrungsmittel empfiehlt Ignatius, mehr von den „einfacheren“ Speisen zu nehmen und von den „besonderen“ eher weniger (vgl. GÜ 212). In unserer westeuropäischen Gesellschaft dreht sich seit einiger Zeit sehr viel um die Nahrungsmittel. Fast schon ein Hype, der sich verselbständigt. Unterscheidung ist also angesagt! Was hilft dem Menschen und dem Ziel ökologischer Umstellung? Wie viel Fleischkonsum ist von Nutzen, welches Maß an veganer Ernährung ist gesund, und wann wird etwas, was gut gemeint war, auf einmal weniger hilfreich? Ignatius sagt, dass das, was von Nutzen ist, genommen werden soll, und was schadet, gelassen werden soll. Es geht um die Suche nach dem gesunden Maß. Ignatius gibt auch Vorschläge, dieses Maß zu finden. Er rät, man solle „entfernen“, so viel es braucht, um die Mitte zu finden, nicht um darin zu verharren, sondern um zu finden, was richtig ist. Diese Ratschläge sind nicht das Ziel an sich, sondern sind da, um sich zu „ordnen … fortan … für den Lobpreis und den Dienst unseres Herrn“. Die Regeln sprechen von der Nahrung, haben aber auch eine symbolische Bedeutung. Es gibt Redewendungen, die das Symbolhafte dieser Regeln aufzeigen und erweitern: „Ich verschlinge ein Buch.“, „Das habe ich satt.“ oder „Ich fresse meinen Kummer in mich hinein.“ Vieles im Leben kann in Unordnung geraten und von einem erfüllten Leben wegführen. Die Suche nach dem richtigen Maß betrifft viele Lebensbereiche: die Beziehung zur Arbeit, zu Freunden, im Blick auf die Nutzung des Internets und der sozialen Medien. Auch politisches Engagement braucht das richtige Maß, um nicht gefährlich ideologisch zu werden. Ebenso kann es durch ein „zu wenig“ zu Unordnung oder Ungleichgewicht kommen: Wenn ein Mensch sich nichts mehr gönnt und dadurch immer ungenießbarer wird. Das rechte Maß muss gefunden werden, damit wir in einem gesunden Gleichgewicht leben. Foto: © Hanna Hoffmann 21 SCHWERPUNKT

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