Jesuiten 2023-4 (Deutschland-Ausgabe)

Was beim Altwerden in Ordensgemeinschaften Leben spendet Wie ist das so, das Altwerden in einem Orden? Was bewegt die Menschen und woraus schöpfen sie Kraft? Mit diesen Fragen hat sich Dr. Ruth Mächler in einer Studie befasst. Ruth, du hast dich mit 21 hochbetagten Ordensleuten lange unterhalten und damit weißt du einiges über das Altwerden im Orden. Was ist das Lebenselixier, das Menschen Kraft gibt, dass sie im Orden gut alt werden können? Zunächst ist es natürlich die Spiritualität. Ich habe mit vielen Ordensleuten gesprochen, die ganz große Kraft aus ihrem Glauben schöpfen, und es ist wunderschön zu sehen, wie sie es genießen, dass sie nun auf einmal so viel Zeit für ihre Spiritualität haben. In den beiden Orden, die ich untersucht habe, also euch Jesuiten und die Sacré-Cœur-Schwestern, wird sehr viel gearbeitet. Umso schöner scheint es dann zu sein, wenn man im Alter viel Zeit hat. Zum Beispiel hat eine Schwester mir erzählt, dass sie betet: „Lieber Gott, es tut mir leid, dass ich wenig Zeit gehabt habe, aber ich war doch immer bei den Armen und den Kindern und dort warst du ja auch. Aber jetzt habe ich Zeit für dich!“ Das fand ich sehr schön. Oder ein Pater hat davon gesprochen, dass diese Zeit jetzt wie ein neues Noviziat ist, weil er so viel über den Glauben dazu lernen kann. Man spürt da, dass ein persönlicher Glaube wirklich ein Lebenselixier sein kann, weil da Lebendigkeit drin ist und immer wieder Neues passiert, auch wenn man alt ist. Das gelingt natürlich nicht immer und nicht in jeder Phase. Ein Gespräch ist ja eine Momentaufnahme. Und bei manchen spürt man Nöte oder eine Leere, dort, wo man ihnen die Spiritualität wünscht. Das Alter bringt ja Einschränkungen, Gebrechen und Krisen mit sich. Gibt es auch andere Ressourcen, die du gefunden hast? Eine weitere große Ressource kann die Gemeinschaft sein, wenn die Beziehungen gut sind, was naturgemäß nicht immer der Fall ist. Aber wo gute Beziehungen sind, sind sie eine starke Ressource. Dies gilt natürlich auch da, wo Beziehungen zu Menschen außerhalb bestehen, also zu Geschwistern, Nichten und Neffen oder zu Freunden. Ebenso kann es die Natur sein. Auch aus ihr wird Kraft geschöpft, das ist dann schon wieder geradezu eine spirituelle Ressource. Inwieweit ist die Natur eine spirituelle Ressource, gerade für Ordensleute? Nun ja, auf der Basis eines Glaubens an einen Schöpfergott die Natur zu erfahren, die Schönheit der Natur, das lässt sich ja ganz stark mit dem Glauben verbinden. Es kann den Glauben stärken, diese Dinge zu sehen, die sich ja auch im eigenen Leben widerspiegeln, so wie der Winter, bei dem nach der Zeit der Erstarrung wieder der Frühling kommt. Ein persönlicher Glaube kann wirklich ein Lebenselixier sein. 8 SCHWERPUNKT

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==