Jesuiten 2023-4 (Deutschland-Ausgabe)

Bilder mit Worten malen Was sind Lebenselixiere junger Menschen? Wie helfen sie ihnen, mit den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft umzugehen? Wir haben eine junge Frau gefragt, die wir in der Zukunftswerkstatt SJ in Frankfurt kennengelernt haben. Manchmal wird mir alles zu viel. Manchmal könnte ich platzen vor Wut, vor Enttäuschung oder vor überfließender Freude. Und manchmal weiß ich gar nicht, was ich eigentlich gerade fühle … Das ist der normale Alltag eines jungen Erwachsenen oder genauer gesagt einer jungen Frau, deren Leben sich mit 20 gerade sehr verändert: von zu Hause ausziehen, ein Studium beginnen, eine neue Stadt kennenlernen, sich verlieben, das Herz gebrochen bekommen, unendlich viele neue Menschen kennenlernen, tiefe Freundschaften leben, Menschen verletzen, das Gefühl haben, nicht genug zu sein, und die ewige Frage: Wer bin ich eigentlich? Wenn mir all das über den Kopf wächst und nichts mehr hilft, bleibt mir immer eine letzte Möglichkeit: Schreiben. Hier beobachtet mich niemand und keiner hat das Recht, eine Meinung dazu zu haben. Das ist mein geschützter Rahmen – mein safe space. Vor allem ist es aber eine Art von Therapie und eine wichtige Form der Selbstreflexion, was vermutlich keiner zu glauben wagen würde, der Schreiben nicht genauso als Lebenselixier bezeichnet wie ich. Dann sitze ich also mit meinem Laptop auf dem Bett, lege mir eine Chillout-Playlist auf die Ohren und begebe mich auf eine kleine Reise in meinen eigenen Kopf. Zuerst betrete ich ihn wie ein Kunstmuseum und schaue mir alles an, was es zu sehen gibt. Ich schreibe alle Beobachtungen ohne Filter auf und stelle viele Fragen. Manche Gemälde sind bekannt – einige sogar zu bekannt. Wieder andere Bilder lösen eine ungeahnte Reaktion in mir aus. Ich stelle mich länger davor und versuche herauszufinden, warum das so ist. Ich wühle in den Erinnerungen an die letzten Museumsbesuche und stelle Beziehungen her. Ich vergleiche, kontrastiere, bestätige oder falsifiziere. Ich decke Muster auf, von denen manche mir gefallen und manche nicht. Zuletzt überlege ich mir, wie ich mit denen umgehen kann, die mir nicht gefallen. Immer wieder trete ich aus meinem Kopf heraus und lese laut vor. Gesprochene Worte schaffen Realität. Dieser Schritt ist unabdinglich, um frustrierende Realitäten anzuerkennen, unfassbar glückliche Momente bewusst zu konservieren, aber vor allem dem Ganzen auch äußerlich eine Struktur zu verleihen. Manche dieser Texte werden nie das Licht der Welt erblicken, andere sind nur für die Augen und Ohren einer Person bestimmt, und wieder andere schaffen es auf Bühnen. Jeder hat seinen Ort – und das ist auch ganz genau richtig so. Mareike Bruhns ist 21 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Grünstadt in der Pfalz. Momentan wohnt sie in Heidelberg und studiert im 3. Semester Sonderpädagogik. In der Zukunftswerkstatt SJ hat sie ihre ersten Exerzitien gemacht. Bild: © Martin Weis – Drei Kreuze gelb 13 SCHWERPUNKT

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