Jesuiten 2023-4 (Deutschland-Ausgabe)

Bernd Goebel ist Vater zweier erwachsener Kinder und als Kaufmännischer Angestellter berufstätig. Seit 2005 ist er trockener Alkoholiker und engagiert sich ehrenamtlich in der AlkoholPräventionsarbeit an Schulen sowie in Firmen und Vereinen. Alkohol als Lebenselixier?! Bernd Goebel erfuhr am eigenen Leib, wie ein vermeintlicher Genuss in die Abhängigkeit führen kann und zum schleichenden Selbstmord wird. Ein Lebenselixier soll uns Kraft zum Leben oder neue Energie geben. Ist das Elixier jedoch eine suchtfördernde Substanz, kann es zu einem Gift werden, das einen umbringen kann. Nach dem Genuss eines Elixiers geht es einem besser, man fühlt sich gut und hat positive Gedanken. Mir ging es nach dem Genuss von Alkohol auch besser, aber nur für einen kurzen Moment, danach fühlte ich mich schlecht und hatte negative Gedanken. Aus dem vermeintlichen Genussmittel wurde in kurzer Zeit eine Substanz, die Macht über mich ergriff, die Mittelpunkt in meinem Leben wurde und mich zu einer Marionette ohne eigenen Willen werden ließ. Sie hat mich manipuliert, so dass es am Ende nur noch die Flasche und mich gab. Ich trank mich in meine Isolation und blendete alles aus, was mir vorher wichtig gewesen war: meine Familie, meinen Beruf, meine Freunde, meine Ehrenämter. Ich habe den Alkohol missbraucht, ihn gezielt eingesetzt, zum Beispiel als Problemlöser. Er hat kein einziges Problem gelöst, sondern ganz viele neue geschaffen. Meine erste Erfahrung mit Alkohol hatte ich mit sechs Jahren, mein erstes offizielles Bier mit 16 Jahren und 23 Jahre später, mit 39, musste ich mich entscheiden, zu sterben oder aufzuhören und ein neues Leben zu beginnen. Das war ein Weg vom ersten Bier bis hin zu sechs bis sieben Flaschen Bier und zwei Flaschen Wodka am Tag. Es war ein schleichender Selbstmord. Es gibt nur diese 50:50-Chance aufzuhören, und es gibt sie nur einmal. Ich habe mich für ein neues Leben entschieden. Das war am Anfang nicht einfach und hat mich sehr viel Kraft und Tränen gekostet. Im Laufe der Zeit kristallisierten sich drei Begriffe heraus, an denen ich mein Leben festmachte und immer noch festmache: Akzeptanz, Mut, Ziele. Akzeptanz, dass ich die Tatsache nicht ändern kann, Alkoholiker zu sein; den Mut, mein Leben ändern zu wollen und in die richtigen Bahnen zu lenken; und Ziele, auf die ich in meinem Leben hinarbeiten will. Mit meinen 57 Jahren habe ich noch einiges vor. So änderte sich mein Lebenselixier von einer substanzgebundenen Droge zu drei Wörtern, die mein trockenes Leben geprägt haben und weiterhin prägen. Ich betrachte meine Trockenheit und Zufriedenheit als Geschenk. Der Alkohol hat kein einziges Problem gelöst, sondern ganz viele neue geschaffen. Bild: © Martin Weis – Batterie 14

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==