Jesuiten 2023-4 (Deutschland-Ausgabe)

haben mich fasziniert und dazu geführt, 1972 um Aufnahme in den Jesuitenorden zu bitten. Seitdem ist die Heilige Schrift meine treue Begleiterin, selbst im Urlaub. Eine besondere Gnade war, dass der Provinzial mich 1980 dazu bestimmte, Altes Testament zu studieren. So ist die Bibel mein Lebensinhalt geworden. „Gott! Mein Gott bist Du! Nach dir morgenröte ich …“ (Ps 63,2) Mit diesem Gebet beginne ich seit Jahrzehnten jeden Sonntagmorgen, auswendig, auf Hebräisch, die Woche. Für jeden Tag, früh und abends, sind es meist zwei oder ein längerer Psalm, die mich mit Gott verbinden und von ihm her tiefe Ruhe schenken. Morgens stärkt es für die Arbeit, und abends ist das Beten dieser herrlichen Gedichte erfüllt von großer Dankbarkeit. Über die Jahre ist die Sehnsucht – das Verb „morgenröten“ (so im Original) steht dafür – immer mehr gewachsen und eine innige Nähe zu Gott entstanden, die Vertrauen und Zuversicht gibt. Die auswendige Kenntnis dieser Psalmen hat ein „Heimatgefühl“ entstehen lassen. Es hat auch den Vorteil, sie jederzeit, im Dunkeln, beim Warten, auf Reisen oder bei anderen Gelegenheiten beten zu können und zu spüren, bei Gott geborgen zu sein. „Nicht vom Brot allein … sondern von allem, was aus dem Mund Jhwhs kommt, lebt der Mensch“ (Dtn 8,3), lehrt Mose das Volk vor dem Einzug. Er deutet damit die Erfahrung des Wanderns in der Wüste. Tatsächlich brauchen wir Menschen auf unserem Weg durch das Leben, der oft auch einsam ist und durch „dürre Gegenden“ führt, mehr als nur Nahrung für den Körper. Gottes Wort ist stärkend, unaufhörlich, für alle Pfade und Steige; es gibt sogar auch Licht dafür (Ps 119,105). Viele Menschen begleitet Psalm 23 „Jhwh ist mein Hirte“ auf ihrem Weg durch die letzten Lebensjahre und in den Tod hinein. Er schenkt ihnen Vertrauen und Trost. „Süßer als Honig“ (Ps 19,11) Was geistig nährt, verbraucht sich nicht wie das, was wir essen; es macht zudem nicht dick. Die Heiligen Schriften übersättigen auch nicht. Nach über 50 Jahren intensiver Beschäftigung mit ihnen verspüre ich noch immer den Wunsch, sie besser kennenzulernen. Sie sind für mich köstlicher als exquisite Schokolade. Ein Satz wie „Ich will singen für meinen Liebsten, das Lied meines Freundes“ (Jes 5,1), der mir Gott als geliebten Freund nahebringt, liefert Freude ohne Ende. Gerne vergleiche ich die Bibel auch mit Sirup: Sie ist eine extrem verdichtete Kostbarkeit mit unzähligen geistlichen und menschlichen Erfahrungen. Wie man gewöhnlich Sirup nicht pur trinkt, muss sie ebenso „verdünnt“, in kleinen Dosen genossen werden, gemischt mit Beten, Nachdenken, Bezügen zu unserem Leben. „Kostbarer als viel Gold“ Diese Einschätzung gibt Psalm 19,11 der Weisung Gottes. In vielen Bibelrunden durfte ich erfahren, wie die biblischen Texte Teilnehmende beschenken, ihnen Orientierung, Motivation, Einsicht geben und uns untereinander verbinden getreu Psalm 133,1: „… wenn Geschwister in Eintracht zusammensitzen“. Ich konnte erleben, wie Schriftstellen Blindheiten heilten, Versöhnung auslösten und Menschen im Guten wachsen ließen. Gelobt sei Gott für sein Wort! P. Georg Fischer SJ absolvierte eine Spezialausbildung am Päpstlichen Bibelinstitut. Er hat die Erfahrung gemacht, zweimal ganze drei Jahre zu zwei biblischen Kapiteln (Ex 3–4; Jer 30–31) zu forschen und dabei von Gottes Geist geführt zu werden. Bergsteigen ist neben der Bibel für ihn ein weiteres Lebenselixier. Bild: © Martin Weis – Halt gelb 3 SCHWERPUNKT

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