Jesuiten 2010-2

16 Jesuiten Schwerpunkt: Religionsfreiheit Schwerpunkt Im Spannungsbogen der Freiheit Seit Oktober 2009 arbeite ich drei Tage pro Woche in dem christlichen Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“ in Potsdam mit.Die Arche befindet sich in einem umgebauten Getränkemarkt neben einer Grundschule inmitten der Plattenbauten von Drewitz.In Kooperation mit dieser Schule bietet die Arche in deren Kellerräumen Mittagessen an für Familien,die an der Armutsgrenze leben. Wir von der Arche begleiten das Mittagessen. Wir setzen uns zu den Kindern,um mit ihnen über den Schulalltag zu sprechen,für einen reibungsarmen Ablauf zu sorgen,Beziehungen aufzubauen und auch das „Mahl halten in Gemeinschaft“ mit den Kindern zu leben. Eines Tages holt mich ein Mädchen aus der 4. Klasse zu einem anderen Tisch und sagt: „Ich möchte dich meinem Bruder vorstellen. Er geht in die 2.Klasse!“ Ich begrüße den Jungen und die darum herum sitzenden Kinder.„Bist du eine Nonne?“ ist die gewohnte erste Frage.Wir kommen schnell miteinander ins Gespräch.Die Klassenlehrerin kommt mit ihrem Essen und ich nicke ihr begrüßend zu. Sie sagt unvermittelt:„Ich verbiete Ihnen,mit meinen Kindern zu sprechen! Als Ordensfrau haben Sie an dieser Schule nichts zu suchen!“ Ich bin überrascht,mein Herz beginnt schneller zu schlagen und ich antworte:„Das Mittagessen ist ein Projekt der Arche,deren Mitarbeiterin ich bin.Ich denke,wir haben ein gemeinsames Ziel:diese hungrigen Bäuche satt zu bekommen!“ Dabei schaue ich ihr freundlich in die Augen.Der Abstand schmilzt. Ich habe ihr Herz erreicht.Wir kommen ins Gespräch und sie erzählt mir einiges aus ihrer DDR-Lebensgeschichte. Einige Wochen später, auf dem Weg in den Keller zur Essensausgabe,laufe ich wieder durch die Schule.Als ich durch das Foyer komme, höre ich leise Weihnachtsmusik. Ich bleibe stehen und lausche,ja ich höre das Lied „Herbei,oh ihr Gläubigen“! Bei einem Mittagessen komme ich mit der Schulleiterin ins Gespräch.Ich erzähle ihr von meinen Wahrnehmungen und Erfahrungen. Sie schmunzelt,breitet die Arme aus,schaut von einer Hand zur anderen und sagt:„Ja,so groß ist der Spannungsbogen an unserer Schule,was Religion betrifft.An dem einem Ende befinde ich mich und an dem anderen diese Lehrerin! Da hilft nichts anderes,als ins Gespräch zu kommen,aber auch manche Dinge einfach nur zu tun.“ Dieses Erlebnis hat mich berührt und beschäftigt:Es kamen Fragen in mir auf:Lebe ich nicht täglich in diesem Spannungsbogen? Ist er nicht auch in mir? Der Spannungsbogen zwischen Macht,Angst,Verwirrungen und Liebe? Ganz oft kämpfe ich um diese Freiheit von außen.Wie sieht es jedoch mit der Freiheit in mir aus? Die Freiheit in mir ist genauso wenig selbstverständlich wie die Freiheit von außen.Es bleibt immer ein Ringen,ein täglich neues Sich-Entscheiden bis hin zum bedingungslosen Ja.Für meine Freiheit innen muss ich im Gespräch,in der Beziehung mit Gott bleiben, mich von Seiner Liebe berühren lassen. Die Freiheit von außen verlangt ein authentisches Zeugnis,das Gespräch mit den Menschen,Toleranz und Achtung vor dem gelebten Glauben des anderen (gleich welcher Religion). Was in mir lebt,möchte außen Zeugnis geben,verlangt nach Zeichen und Konsequenzen.

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