Jesuiten 2010-2

18 Jesuiten Schwerpunkt: Religionsfreiheit Schwerpunkt Religionsfreiheit – auch für „Scientology“? Die Scientology-Organisation mit ihren etwa 6.000 Mitgliedern in Deutschland nennt sich „Kirche“, ist aber nur ein eingetragener Verein. Ob sie rechtlich als Religions- bzw.Weltanschauungsgemeinschaft gelten kann,wurde von deutschen Gerichten unterschiedlich beurteilt,doch haben gerade die höchsten Gerichte,insbesondere das Bundesverfassungsgericht,diese Frage offen gelassen.Das Bundesarbeitsgericht befand hingegen 1995,Scientology sei keine ReligionsundWeltanschauungsgemeinschaft, sondern eine „Institution zur Vermarktung bestimmter Erzeugnisse“:Bücher,Nachhilfestunden und Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung.Die Bundesregierung anerkennt sie nicht als Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft, und das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet sie seit 1997 wegen desVerdachts, verfassungsfeindliche,totalitäre Ziele zu verfolgen.Scientology behauptet nun, ihre Anhänger würden in Deutschland diskriminiert und verfolgt – unter Missachtung des Rechts auf Religionsfreiheit. Was ist von diesem Vorwurf zu halten? Von einer Einschränkung der Religionsfreiheit kann hier deshalb keine Rede sein,weil die Organisation ungehindert arbeiten kann.Ihr Anspruch,eine Kirche zu sein,zielt jedoch auf Steuerprivilegien für die hohen Gebühren („Spenden“),die sie für ihre Dienstleistungen verlangt, und derVorwurf, ihr werde die Religionsfreiheit verweigert,soll bewirken,dass die Beobachtung durch denVerfassungsschutz aufgehoben wird. Der Grund, weshalb Scientology vom Verfassungsschutz beobachtet wird,hat aber nichts mit der umstrittenen Frage zu tun,ob sie eine Religionsgemeinschaft ist oder nicht.Vielmehr gibt es – so das Verwaltungsgericht Köln (2004) – konkrete Anhaltspunkte dafür,dass sie dazu tendiert,die Menschenwürde und Gleichbehandlung einzuschränken oder aufzuheben.Tatsächlich werden Kritiker der Organisation durchweg als Geisteskranke, „Aberrierte“ und Verbrecher betrachtet, die man mit Strafanzeigen,Verleumdung undTelefonkampagnen zermürben darf.Auch kritische Familienmitglieder werden als „unterdrückerische“ Personen abgestempelt,und die pauschale Stimmungsmache gegen die wissenschaftliche Psychiatrie hat Züge einer Hetze gegen eine ganze Berufsgruppe. Der Verdacht ist also begründet,dass Scientology eine demokratische Gesellschaft mit gleichen bürgerlichen Rechten,einschließlich Opposition, ablehnt.Das aber wäre verfassungsfeindlich, selbst wenn die Organisation bis ins Mark religiös wäre. Ist sie religiös? Ihre spärlichen Riten sind es kaum.Beispielsweise besteht die „Taufe“ einfach aus einer Namensgebung.Das Ziel der angebotenen Kurse ist die Befreiung von psychosomatischen Beschwerden und die Steigerung von Intelligenz und Leistungsfähigkeit bis hin zum Bewusstsein,als „Thetan“ Ursache des materiellen Universums zu sein – unsterblich und in vielen Reinkarnationen. Dies wird als Nähe zum Buddhismus gedeutet.Allerdings hat sich die Deutsche Buddhistische Union deutlich abgegrenzt und erklärt, dass das „Menschenbild der Scientology nichts gemein (hat) mit dem buddhistischen“ und zwischen Scientology und Buddhismus keine Gemeinsamkeiten bestehen. ■ Bernhard Grom SJ

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