Jesuiten 2010-3

September 2010/3 Jesuiten 11 leben dramatisch.Wir älteren Kerle konnten irgendwie leichter damit umgehen.Aber die Leute,die das mittendrin in der Ausbildung erwischte,die waren sehr verunsichert. Manche empfanden es vermutlich einfach angenehmer,das als eine neue Berufung zu erleben,„Gott ruft mich jetzt zu etwas anderem.“ Aber viele haben einfach kalte Füße bekommen oder eine Frau getroffen. Der Höhepunkt der Mitgliedszahlen war um 1964,nicht später als 1966.Dann setzte bereits der Rückgang der Mitglieder ein. Heißt das, dass die Gründe für die Austritte schon in der „alten Gesellschaft“ lagen? Anfang der Sechziger waren die Leute völlig überrascht vom Beginn des Konzils:„Wozu brauchen wir ein Konzil? Es läuft doch alles gut!“ Die Orden wuchsen alle,die Schulen waren gefüllt ...Aber ich kann mich daran erinnern,dass ich so um 1967 Schwestern Exerzitien gegeben habe.Es war eine grauenhafte Erfahrung! Da war in der großen Kapelle der ganze Haufen.In den ersten Reihen saßen die Oldtimer und dann ging das nach Alter nach hinten.Und ganz hinten konnte man in der Ferne die weißen Schleier der Kandidatinnen gerade noch sehen.Glücklicherweise erzählte mir eine Schwester mittleren Alters von der Unzufriedenheit der jungen Generation.Ich hätte nichts davon erfahren.Das war 1967,am Beginn der sinkenden Zahlen. Vor allem das Konzil war unvermeidlich.Ich war glücklich in Innsbruck zu studieren.Und so konnte ich selbst erleben, wie die Theologie von Karl Rahner eben nicht eine persönliche Zurückweisung der Theologie der Vergangenheit war.Aber sie zerschmetterte die Selbstverständlichkeit der Kategorien der Vergangenheit.Es war die kritische Intelligenz, die sich der Quellen der Theologie versichert.Und das eben nicht im Stil der alten Textbücher,sondern sehr lebendig.Die liturgische Bewegung in Deutschland und Österreich war zur selben Zeit allem weit voraus.Da war so ein Geschmack in der Luft, man fühlte sich eingeengt von den Rubriken und Regeln ...Das Geschehen in den Orden lief parallel dazu. In Deutschland war eine der wichtigen Triebfedern der 68er-Bewegung die Auseinandersetzung mit der Rolle der Väter im Nationalsozialismus. Gab es in den USA etwas Vergleichbares? Hier in den USA war ein Antriebsmotor für die 60er-Bewegung die Frage der Gerechtigkeit und die Diskriminierung der Afroamerikaner.Die „Saint Louis University“ z.B.hatte die ersten afro-amerikanischen Studenten zugelassen.Und dann gab es den Abschlussball in einem sehr hübschen Hotel in der City. Aber das Hotel erlaubte Afroamerikanern nicht den Zutritt.Der Rektor und die Universitätsleitung entschieden,dass er dennoch stattfinden solle.Einer der Jesuiten,Pater Heithaus,schrieb daraufhin eine ätzende Kritik in einem Studentenblatt.Das erboste den Rektor sehr.Pater Heithaus musste also im Speisesaal niederknien und „culpa“ sagen, wegen „Ungehorsams“.Kaum war er aufgestanden,kam der Rektor in die Mitte des Speisesaals geschossen,schüttelte Pater Heithaus die Hand und gratulierte ihm. Welche Rolle spielte die sexuelle Revolution? Da gab es in den Sechzigern einen Artikel in einem Magazin des Instituts in Saint Louis,der darüber sprach,wie gesund es für Ordensmänner sei,eine Beziehung von tiefer Intimität mit einer Frau zu kultivieren.Es ging dabei nicht um die Frage tiefer Freundschaften auch zwischen Männern und Frauen, die ja in derTat wichtig sind, sondern um eine weit speziellere Beziehung,den so genannten „dritten Weg“. Das wurde dann zu einer Art

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