Jesuiten 2010-3

20 Jesuiten Schwerpunkt: 68 – Jahre des Umbruchs Schwerpunkt Gleichberechtigung – alles erledigt? „Wer kümmert sich denn jetzt um Ihre Tochter?“ fragten mich oft männliche Kursteilnehmer vonWochenendseminaren. Männlichen Kollegen wurde diese Frage hingegen nie gestellt.Mein Mann und ich hatten die Rollen getauscht: während er die Tochter erzog,stand ich im Berufsleben.Für uns war das in Ordnung. Als Studenten der Soziologie in den 68ern hinterfragten wir auch die klassischen Geschlechterrollen zugunsten des Rechtes auf Selbstbestimmung des eigenen Lebens. Die 68er und eine starke Frauenbewegung stellten die traditionelle Rolle der Frau radikal in Frage.Diese war erkannt als gesellschaftlich bedingt und interessegeleitet.Statt ausschließlicher Sorge für Mann,Kind und Heim wurde jetzt das Recht auf ein Stück eigenes Leben und auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beansprucht. Die engagierten Diskussionen und Aktionen, vornehmlich im akademischen Milieu angesiedelt,fielen bei den Frauen in der Kirche auf besonders fruchtbaren Boden.Ich erinnere mich sehr gut an die leidenschaftlichen Diskussionen in der Katholischen Hochschulgemeinde in Freiburg,zu deren Sprecherkreis ich 68/69 gehörte. Parallel dazu gab es zwei weitere Schubbewegungen in Richtung Demokratisierung der Kirche:das 2.Vatikanische Konzil und die Würzburger Synode. Die Aufwertung der Laien führte zu einer enormen Aufbruchstimmung.Frauen hofften,dass in der Kirche auch für sie neue Zeiten anbrechen mögen. Und es gab Entwicklungen:Waren das kirchliche und Gemeindeleben bis dahin weitgehend exklusiv von Priestern und Ordensschwestern bestimmt,so entwickelte sich jetzt eine viel größere Beteiligung von Laien,und hier vor allem von Frauen. In den Gemeinden entstanden Familienkreise, die sich einem modernen,partnerschaftlichen Familienbild verpflichtet wussten.Frauen übernahmen den Kommunionunterricht.Selbst im Gottesdienst waren Frauen jetzt nicht mehr ausgeschlossen. Frauen kamen zu Wort: bei Lesungen und Fürbitten,als Predigerinnen und Ministrantinnen. Das sich wandelnde Selbstverständnis der Frauen,die Suche nach Neuorientierung – diese Prozesse spiegelten sich in den Angeboten der kirchlichen Bildungsarbeit wider. Zu dieser Zeit arbeitete ich als Bildungsreferentin im Heinrich Pesch Haus,Ludwigshafen. Veranstaltungen zu Themen wie z.B.: „Frauenrolle imWandel“ und „Männer und Frauen heute“ erfreuten sich großer Nachfrage.In der Bildungsarbeit standen Gesprächsgruppen und Selbsterfahrung hoch im Kurs.Es galt Neuland zu betreten:erprobte Modelle gab es noch nicht. Erfahrungsaustausch und Vergewisserung waren hier besonders bedeutsam. Auch die Männer waren aufgefordert,ihre Rolle zu überdenken und neue partnerschaftliche Verhaltensweisen einzuüben. Schließlich sind Geschlechterrollen zwei Seiten einer Medaille.Als „frischgebackene“ Soziologin konfrontierte ich die Teilnehmerrunde in die - sen Seminaren häufig mit statistischen Daten. Das war ein Minenfeld.Die „Herrschaften“ stürzten sich auf vermeintliche Erhebungsfehler,um das unerwünschteThema irgendwie abzubiegen. Im Heinrich Pesch Haus konnten die virulenten Fragen von gesellschaftlicher,familiärer und persönlicherVeränderung offen und kom-

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