Jesuiten 2010-3

reien verbunden.Diese Befreiung hat sie sehr viel gekostet und hat auch dazu geführt,dass einige die Kirche nicht mehr ernst nahmen und verließen.Ich kann mich gut erinnern,dass gerade viele Soziologen und Politologen plötzlich merkten,dass in der Kirche ein Gehorsamsdruck herrschte,der überhaupt nicht intellektuell zu rechtfertigen war. Das heißt,innerhalb der Kirche hinkte man etwas hinterher? Nicht nur etwas,sondern die Kirche entwickelte sich,trotz des Konzils,in diesen Dingen der konkreten Moral weit weg von den sich aufbauenden Standards freier Sexualität,des Sprechens über Dinge,Pressefreiheit,Demokratie in den Gremien. Die katholische Kirche musste erst mal zur Demokratie in ihren eigenen Rängen finden. Das ist ja bis heute noch nicht ganz geklärt. Wie wirkte sich denn der liturgische Aufbruch in den Studentengemeinden aus? In den Studentengemeinden lebten wir mit den Studenten.Wir haben selber Fürbitten verfasst,das ganze Leben in die Gottesdienste mit reingenommen.Ich kann mich noch entsinnen,wie ein Studentenpfarrer aus der Schweiz auf einer Konferenz mal gesagt hat: „Also manchmal geht mir dieses politische Gequatsche im Gottesdienst auf die Nerven. Wenn ich sage:‚Der Herr sei mit Euch’,dann möchte ich nicht zur Antwort hören: ‚Zur Geschäftsordnung’.“ Das war so etwas,worunter man auch gelitten hat. Gab es in diesem Aufbruch denn Dinge, die Du heute problematisch findet? Mit Sicherheit wusste man nicht,wer demokratiefähig ist,wer in einer Demokratie verantwortlich mitreden kann.Wir haben übersehen,dass die Gier nach Geld sich so stark entwickeln könnte,weil wir vielmehr davon ausgingen:Wir haben den Menschen sehr viel angeboten:Schule,Universität,Förderung – und da mussten sie doch eigentlich das Beste draus machen.So haben wir gedacht.Und darin haben wir uns getäuscht.Wir haben auch die Entwicklung der Sexualität nicht voraussehen können und was das für die Familien bedeutet.. Wie hat sich Deine Arbeit mit den Studenten innerhalb des Ordens ausgewirkt? Bis zu meiner Weihe Anfang der 60er gab es keine politische Diskussion im Orden zwischen Älteren und Jüngeren.Alt waren zur damaligen Zeit Fünfzigjährige,die aus dem Krieg gekommen waren.Die alten Soldaten haben nichts erzählt und wir Jungen haben sie nicht gefragt. Wann fing die politische Diskussion im Orden an? Ende der 60er Jahre,nehme ich an.Davon haben wir nicht mehr viel mitgekriegt.Wir waren so in unseren Belangen drin.Wir haben so viel gelernt und sind so viel gereist,und haben diskutiert.Wir waren so wahnsinnig neugierig.Und in den Häusern des Ordens war es fürchterlich langweilig. ■ Werner Herbeck SJ wurde von René Pachmann SJ interviewt. September 2010/3 Jesuiten 5 Werner Herbeck SJ in seinem Zimmer im Canisius-Kolleg Foto: Zimmermann

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