Jesuiten 2010-4

18 Jesuiten Schwerpunkt: Heiliger Alltag Schwerpunkt Das Examen – drei Zeugnisse Tagesrückblick Es gibt verschiedene Worte, die man für dieses Grundgebet ignatianischer Spiritualität verwenden kann.„Examen spirituale“,also geistliche (Selbst-)Prüfung ist die älteste.„Gewissenserforschung“ die klassische.„Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“ die neue positive Sicht.Heute sagt man meist einfach „Tagesrückblick“.Damit sind auch schon allerlei inhaltliche Aspekte dieses Gebetes benannt. Wie sieht der Tagesrückblick bei mir aus? Nun,ich schaue zusammen mit Jesus kurz vor dem Schlafen auf den Tag. Erst einmal versuche ich mich zu besinnen,was denn heute überhaupt alles los war.Bei den Punkten,die besonders herausragen,verweile ich.Bei dem Gespräch,das schwer und wichtig war.Es ist – Gott sei Dank – gut gegangen! Bei der Angst, die ich vor der Predigt hatte,und die doch einigermaßen angekommen ist.Bei dem kurzen Augenblick,als der Straßenbahnfahrer mich rennen sah und noch gewartet hat, so dass ich zu meinem Besuch pünktlich kommen konnte.Dabei,dass ich dann wieder in den alten Fehler fiel und ein Stück Kuchen zu viel gegessen habe. All das, was jede/r aus dem Alltag kennt, schaue ich an und frage:Wo habe ich bewusst dabei schon Gottes Gegenwart und Fügung bemerkt? Und wo merke ich sie erst jetzt am Abend? Das Examen hilft mir Gottes Gegenwart wahrzunehmen mitten in unserem oft so gottfernen Alltag.Es ist darum ein Gebet für die Moderne,die Gott oft nicht mehr wahrnimmt.Dieses Gebet hilft mir,Glauben und Alltag zu verbinden.Es macht mich aufmerksamer und dankbar.Denn Gott kommt wirklich in meinem Leben vor.Gott sei Dank! Und so hilft es mir auch oft,schon am Morgen mein Gebet mit meinem Terminkalender zu beginnen.Das ist gewissermaßen ein vorgezogenes Examen.Was kommt heute auf mich zu? Was ist am wichtigsten? Wo erbitte ich besonders Gottes Nähe und Beistand? ■ Thomas Gertler SJ Dem Göttlichen auf der Spur Ein gut gemachtes Examen ist der beste Weg zu Gott und zu einem selbst! Ein schlecht gemachtes Examen hilft wenigstens die Höhepunkte des Tages nachzuerleben. Die Herausforderung eines guten Examens liegt darin,dass ich in einer freien Form mich ehrlich und schonungslos vor Gott hinstelle,mich Ihm anbiete und mich vor Ihm prüfe:Wo habe ich Gott heute und in meiner Lebenswelt durchscheinen lassen? Wo habe ich den Willen Gottes in der Welt verwirklicht und nicht mich und meinen Willen zum Maßstab gemacht? Habe ich mir Mühe gegeben,das jeweils Bessere, Gottgefälligere den Tag hindurch zu leben? In meinem Examen rede ich mit Gott von Du zu Du;ganz intim.Als Hilfe bedarf es eines bewusst gesetzten Rahmens:am Anfang ein Kreuzzeichen und ein Stillwerden;am Ende ein kleines Gebet,oftmals das „Seele Christi“, welches mich stets Christus ganz nahe kommen lässt,oder ein „Vater Unser“. Im Examen schaue ich gemeinsam mit Gott den Tag an: Begegnungen und prägende Situationen,mein Handeln und meine Gefühle,Ruhezeiten und Herausforderun-

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