Jesuiten 2010-4

2 Jesuiten Schwerpunkt: Heiliger Alltag Schwerpunkt Der erstaunliche Bruder Gárate Manche Menschen,die zu Einzelexerzitien in unser Haus kommen,erzählen mir von der Mühsal ihres Alltags.Sie fühlen sich eingezwängt in ein unentwirrbar scheinendes Geflecht von Anforderungen. Der Versuch eines geistlichen Lebens inmitten solcher Situationen erweist sich dann oft als hilfloses Unterfangen.Es kann das Gefühl entstehen,in einer Tretmühle eingeschlossen zu sein, die Sinnlosigkeiten produziert. Ich habe da eine Art Geheimwaffe.Das ist ein Ausspruch des Jesuitenbruders Franz Gárate. Er war über vierzig Jahre Pförtner im Universitätskolleg in Bilbao.1929 ist er gestorben. Papst Johannes Paul II.hat ihn 1985 selig gesprochen. In einem Bericht lesen wir,dass der gute Bruder mitten im größten Getümmel nie die Ruhe verlor.Und weiter schreibt einer,der darüber staunte:„Ich fragte ihn:Wie kommt es,Bruder,dass Sie sich in dieser vielfältigen Beanspruchung dennoch einen ruhigen, frohen Geist und eine unerschütterliche Geduld bewahren können? Darauf sagte er: Pater,ich tue,was ich mit meinen Kräften bequem leisten kann;was darüber ist,übergebe ich dem Herrn,der alles vermag:mit seiner Hilfe wird alles leicht,ja angenehm.Wir dienen ja dem besten aller Herren!“ Wenn ich dies vorlese, geht bei dem Wort „bequem“ so etwas wie ein befreites Erstaunen und Aufatmen über die Gesichter.„Bequem“ kommt im Wörterbuch der Askese nicht vor. Wir verbinden so einWort fast automatisch mit Faulenzerei,mit Leuten,die sich,wie man so sagt,kein Bein ausreißen und die schon gar nicht bereit sind,ihr Kreuz zu tragen. Aber es kann auch entlasten von Verkrampfungen,von eingeschliffenen Schiefheiten eines Leistungsdrucks, der keineswegs Gottes Wille sein muss. Freilich ist auch der nächste Gedanke des guten Bruders Gárate wichtig:Wir dürfen das,womit wir uns sinnlos abquälen müssten, unserem Herrn überlassen,der der beste aller Herren ist. Das könnte der Anfang dafür sein,die Dinge in einem anderen Lichte zu sehen,sie entsprechend anders anzupacken und dadurch mehr Lebensqualität zu gewinnen,auch wenn sich äußerlich gar nicht viel ändern mag.So kann aus einer belastenden Routine,in der man sich dahin schleppt,eine Haltung werden, die den Alltag als eine geistliche Chance begreift. ■ Vitus Seibel SJ Bruder Franz Gárate SJ © Provinzarchiv SJ

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