Jesuiten 2010-4

Dezember 2010/4 Jesuiten 7 Schwerpunkt Mitten in der Nacht DerWecker klingelt.Mitten in der Nacht stehe ich auf und gehe in die Kapelle.Es ist eine kostbare Zeit für mich,das Gebet in der Nacht.Ich gehöre zu den Kleinen Schwestern und in unseren Regeln steht (art.144):„Jede Kleine Schwester sollte eine Stunde stiller Anbetung vor dem ausgesetzten heiligsten Sakrament opfern, zumindest an jedem Tag und, wenn möglich, auch jede Woche eine Stunde in der Nacht unabhängig davon,wie viel Müdigkeit und Trockenheit sie dabei erfahren kann.“ Unsere Zeit des Gebets in der Nacht erinnert an das Leiden Jesu: Die Nacht,die alle Nächte und Dunkelheiten der Welt in sich aufnimmt, die Nacht,in der Jesus,das Lamm ohne Makel, alles Böse auf sich nimmt,das uns übermannt, die Nacht,in der Er,der Unschuldige,wie ein Sünder behandelt wird, die Nacht,die jedem Schmerz begegnet und ihn sich aneignet, die Nacht,dunkel und hell, die Nacht des maßlosen Abgrunds,die wollte, dass Gott erzittert und Angst bekommt. „Dies ist die Nacht“ – die Nacht der restlosen Liebe ohne Reue, desVertrauens ohne Rückkehr,des vorbehaltlosen Ja des Sohnes zum Vater,die Nacht des Leidens. In dieser Nacht mit Jesus,der,bis zum Ende derWelt imTodeskampf, uns bittet, mit ihm zu bleiben.Und wirklich:Er ist es,der vorangeht, Er ist es,der betet und sich dem Kampf gegen das Böse überlässt.Wir werden gefragt,und Er ist es,der fragt,mit Ihm zu wachen,mit Ihm zu bleiben,und Ihn nicht allein zu lassen (Mt 26,38).Warum? Braucht Gott uns? Zu mir schreit man „Wächter,wie lange noch dauert die Nacht“ (Jes 21,11) Betäubt vom Schlaf,gibt es nicht viele Gedanken,die mir durch den Kopf gehen, nicht viele Ablenkungen,außer dem Schlaf, der mich von allen Seiten belauert.Ich muss nichts hingeben,außer meine einfache Anwesenheit.Ich bin da,und das ist schon fast alles. Fast – denn in der Nacht ist ein Herz,das wacht. Fast – denn in der Nacht ist der Glaube am Werk. Und tatsächlich,etwas passiert:An Seiner Seite, der allein jedem nahe ist,bevölkert sich mein Gebet mit Gesichtern.Und Schritt für Schritt, tritt eine Versammlung der ganzen Welt in mein Gebet ein.Es sind die Leute,die ich kenne und liebe,aber auch Fremde,die kommen,um mir zu begegnen. Schau,die Kranken,die mit Gefangenen ankommen,und Flüchtlinge zusammen mit Verfolgten,Wohnungslose und die,die einsam bleiben,Verlassene und Herumirrende,verwundete Kinder und die,die in ihrem Leben Schiffbruch erlitten haben,Sterbende und Neugeborene,und auch,Dank Dir Gott, Liebende und glückliche Leute. Das Gebet,das man in der Nacht hält,ist tatsächlich oft ein Bittgebet,ein Raum,der sich im Herzen öffnet,damit der Schrei der Menschheit einen Platz findet,an dem er aufgenommen wird:Es ist der Geist,der in uns betet (Röm 8,26-27). „Auf deine Mauern,Jerusalem,habe ich Wächter gestellt.Weder bei Tag noch bei Nacht dürfen sie schweigen.Ihr,die ihr den Herrn erinnern sollt,gönnt euch keine Ruhe. Lasst auch ihm keine Ruhe,bis er Jerusalem wieder aufbaut.“ (Jes 62,6-7)

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