Jesuiten 2011-1

März 2011/1 Jesuiten 7 Schwerpunkt Auf Augenhöhe mit der Schöpfung „Ich habe jetzt das Gesetz der Eichenblätter gefunden.Es besteht ganz und gar aus tellerförmigen Sternen;die Blätter liegen beisammen wie Buchseiten.“ Diese Zeilen schreibt Gerard Manley Hopkins am 19.Juli 1866 in sein Tagebuch. Sie stellen die Empathie des Dichters heraus,der die Natur liebte und Augen- und Büchermensch war. Hopkins wurde 1844 in Stratford (Essex) geboren.Durch die Oxfordbewegung um Kardinal John Henry Newman wurde er mit 22 Jahren katholisch und schon zwei Jahre später Jesuit.Da es in den Geistlichen Übungen des Hl.Ignatius um die Anwendung der fünf Sinne geht,war der junge Konvertit hier theoretisch gut aufgehoben.Allein – im 19. Jahrhundert neigten die Jesuiten zu übertriebener Askese,was zarte Gemüter wie Hopkins mit der Zeit auszehrte.Vor dem Eintritt verbrannte er sein Frühwerk und dies geschah vermutlich mit weiteren Schriftstücken auch nach seinem Tod.Wer die Lyrik von Hopkins liest,wird überwältigt von Sprache,Rhythmus und Musik.Man kann sie wie eine Partitur lesen.Zu Lebzeiten wurde keine einzige Zeile von Hopkins veröffentlicht,stattdessen unterrichtete er klassische Sprachen.Erst 1918 veröffentlichte der Dichterfreund Robert Bridges seine Lyrik,fast 30 Jahre nach seinem Tod durch Typhus. Hopkins hinterließ Gedichte, in denen auch griechischesVersmaß steckt.Wie Orpheus hat er die Schöpfung besungen.„Mit Gottes Pracht die Erde ist geladen“,so übersetzt Dorothea Grünzweig den Text God’s Grandeur. Wie kein anderer saugt Hopkins die Schönheit seiner Umgebung auf.Ob auf Feld,Wald und Wiesen oder im Museum bzw.Konzertsaal – der Dichter lässt sich betören wie der Jubelruf „Hurrahing“ in „Harvest“ (Erntejubel) zeigt: „Der Sommer hört auf;schockend in Schönheit erstehen Hocken / Rundum;hoch oben, welcher Windwurf! welch süße Allüren / von Seidensack-Wolken! hat sich wilder,ich williger-welliger / Je Mehl-Drift geschmiegt und ergossen übers Blau? // Ich geh,hebe auf,heb auf Herz,Augen,/ Hinab all die Pracht in den Himmeln,den Heiland zu lesen;/ Und Augen,Herz,welche Blicke,welche Lippen gaben /Verzückt euch denn Liebesgrüße von wahrerem, klarerem Wesen? ...“ Gott erwidert die Liebe der frommen Seele. Im mystischen Rausch,der einer künstlerischen Eruption sehr nahe kommt,klingen Töne wider,die der späte Franz Liszt komponiert haben könnte.Dieser Zeitgeist liegt uns heute fern.Über die Musik von Henry Purcell (1659-1695),die er liebte,schreibt Hopkins: „Lass ihn mit seinen Engelsmelodien ach! mich heben,überwältigen allein / Ich will ein Auge seinem Merkmal schenken.“ Wie kann ein Christ in Worte fassen, was sich in seinem Innersten abspielt? Gleichnisse aus der Schöpfung liegen nahe.„Nichts von dem, was meine Augen sehen,wandernd über die Welt,/ Ist etwas eine Milch dem Geist so, so seufzt tief / Poesie in ihn,wie Bäume,deren Äste sich ins Blau wiegeln,/ Sagen wir Eschenäste ...“,so beginnt Aschboughs.Für Hopkins sind Bäume wie eine menschliche Biographie. Die Verästelungen kann keiner zählen, aber jeder Zweig wird auf demWeg zu Gott mit Gold aufgewogen. ■ Georg Maria Roers SJ

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